Eichstätt
Jetzt ist Pragmatismus gefragt

Die Eichstätter Ärzte wollen bei den Flüchtlingen arbeiten – ohne bürokratische Hürden

08.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:09 Uhr

Die Klinikärzte Marco Altmann und Tanja Götz haben gestern Abend einige Erstaufnahmeuntersuchungen vorgenommen (hier im Gespräch mit einem Ehrenamtlichen des Roten Kreuzes). Die Eichstätter Allgemeinärzte wollen den Behandlungsraum, der derzeit schon genutzt wird, als Bereitschaftsraum übernehmen und dort auf Honorarbasis statt über Krankenscheine Sprechstunden anbieten. Ob das möglich ist, wird derzeit im bayerischen Sozialministerium geprüft. - Fotos: smo

Eichstätt (EK) Die Eichstätter Ärzteschaft will sich bei den Flüchtlingen im ehemaligen Maria-Ward-Gebäude engagieren. So wie vorgeschrieben funktioniert es nach Ansicht der Mediziner nicht. Sie fordern ein Bereitschaftszimmer und ein Stundenhonorar statt einer Abrechnung über Krankenscheine.

Das staatliche Gesundheitsamt arbeitet derzeit auf Hochtouren: Seit Montag laufen die Erstaufnahmeuntersuchungen der Asylsuchenden, die in der ehemaligen Eichstätter Maria-Ward-Realschule untergebracht sind. Über 180 Leute müssen gründlich medizinisch gecheckt werden. Wenn das durch ist, bekommen die Menschen ihre so genannte MID, können ihren Asylantrag stellen und erhalten Ausweispapiere. Dann können sie auch ganz normal zum Arzt gehen – auf Krankenschein. Den können die Ärzte über die Kassenärztliche Vereinigung abrechnen, die wiederum holt sich das Geld beim Sozialamt. Für die Eichstätter Ärzteschaft ein Vorgehen, das sie nicht mittragen wollen.

„Wir möchten unter Bedingungen arbeiten, die für diese Tätigkeit akzeptabel sind“, erklärt Sigurd Eisenkeil, der Sprecher des Ärztlichen Kreisverbands (kleines Foto). Es seien mehrere Ärzte bereit, Sprechstunden in der Erstaufnahmeeinrichtung anzubieten. Auf Honorarbasis. Aber: Die Regelungen, nach Auskunft des bayerischen Sozialministeriums übrigens bundeseinheitlich, besagen, dass die Asylsuchenden mit Krankenscheinen freie Hausarztwahl haben. „Das ist nicht praktikabel“, sagt Eisenkeil und weiß die Eichstätter Kollegen hinter sich.

Das größte Problem, das er sieht: die sprachlichen Hürden. „Kommt eine Flüchtlingsfamilie in die Praxis und kann kein Wort Englisch oder Französisch, verzögert sich das Ganze.“ Denn erst müsse ein Dolmetscher her. Bei Schnittverletzungen oder offensichtlichen Wunden könnte man das vielleicht noch ohne regeln, aber „wenn es um körperliches Empfinden geht, ist Schluss“, sagt Eisenkeil.

Die Eichstätter Allgemeinmediziner samt Kinderärzten waren am Montag beisammen und haben sich über das weitere Vorgehen beraten. „Wir könnten Sprechstunden in Maria-Ward anbieten“, sagt Eisenkeil. Damit einher ginge aber die Forderung, dass dort ein adäquater Behandlungsraum zur Verfügung gestellt würde und die Anwesenheit des Arztes in der Flüchtlingsunterkunft via Stundenpauschale vergütet würde. So könnten beispielsweise auch pensionierte Ärzte oder solche ohne Kassenzulassung dort mithelfen. „Das wollen sie auch“, weiß Eisenkeil. „Aber ohne bürokratische Hemmnisse.“ Pragmatische Lösungen sind gefragt. Nicht nur, dass in der Unterkunft die Dolmetscherfrage leichter zu lösen sei. Eine Abrechnung mittels pauschalem Stundensatz sei für den Staat letztlich auch noch billiger als eine Krankenscheinabrechnung, ist sich Eisenkeil sicher.

Die Regierung von Oberbayern zeigt sich da aufgeschlossen: „Wir sind gerade an vielen Stellen am Lernen“, sagt Pressesprecher Florian Schlämmer. Fürstenfeldbruck und Eichstätt seien die ersten Dependancen der Münchner Bayernkaserne, die man errichtet habe. „Einen medizinischen Dienst in der Einrichtung zu haben, ist sicher eine Überlegung wert.“ In der Bayernkaserne versuche man derzeit, ein Facharztzentrum zu etablieren; dort stemmt die gesamte gesundheitliche Kontrolle das städtische Gesundheitsamt.

Letztlich entscheiden muss aber jetzt das Sozialministerium: Und das ist über den Vorschlag der Eichstätter Ärzte informiert. „Bayerns Sozialministerin Emilia Müller steht mit den Mandatsträgern in Eichstätt in Kontakt, um Wege für weitere Verbesserungen zu finden“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums gestern auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Die Telefondrähte zwischen Eichstätt und München sind wohl in den letzten Tagen heiß gelaufen. Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel (CSU) hat mit Sozialministerin Emilia Müller gesprochen, auch Landrat Anton Knapp hat mit ihr telefoniert. Das Büro der Ministerin prüfe derzeit, so Schorer-Dremel gestern, ob und inwieweit das Modell der Eichstätter Ärzte umsetzbar sein könnte.