Pfaffenhofen
"Jetzt fange ich wieder bei Null an"

Wohl dem, der treue Stammgäste hat: Wie Gastronomen sich gegen die Corona-Krise stemmen

20.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:31 Uhr
Aus sicherem Abstand überreichen Kathrin und Marc Niehues von der Amici-Bar ihren Kunden Salate. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Die Tische im Restaurant sind eingedeckt, auf jedem Platz ist das Besteck akkurat ausgerichtet, in der Mitte steil aufgerichtet die Servietten. Aber seit vier Wochen hat hier niemand mehr gegessen. "Wir haben uns entschieden, dennoch einzudecken", sagt Anke Tweer, die mit ihrem Mann Sven den Moosburger Hof betreibt, "das gibt uns ein gutes Gefühl. Wir sind guter Dinge. Was bringt es denn, wenn wir schlechte Laune haben."

 

Zum Klagen hätten die Gastronomen im Landkreis allen Grund: Noch bis mindestens Pfingsten, hat der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, bleiben Gasthäuser und Restaurants geschlossen. Deshalb versuchen die Wirte alles, um sich über Wasser zu halten. Wie viele andere auch bietet der Moosburger Hof Take-away an ­- Essen zum Mitnehmen. Die Tweers haben noch eins draufgesetzt: "Das ist doch total doof. Da hat man Geburtstag und kann nicht Essen gehen", sagt Anke Tweer. Deshalb liefert sie ein dreigängiges Candle-Light-Dinner ins Haus. "Wird gut angenommen", freut sich ihr Mann, der Küchenchef. Bis zu 140 Gerichte, so viele wie sonst auch, verkauft er pro Tag - ein Tropfen auf den heißen Stein, denn Umsatz machen die Gastronomen mit Getränken und Spirituosen, und das fällt komplett weg.

Natürlich freut er sich über die finanziellen Hilfen von Bund und Freistaat, aber die wollen ja irgendwann zurückgezahlt werden. Auch die Pfaffenhofener Stadtwerke haben die Gasrechnung gestundet; ist toll, "aber ich fürchte einen finanziellen Tsunami in ein paar Monaten", sagt Tweer, eine Riesenwelle von Rechnungen, die aufgelaufen sind und dann bezahlt werden wollen. Denn zu verschenken hat niemand etwas. Deshalb wünscht sich der Restaurantchef für seine Branche, dass die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent abgesenkt wird. "Das wäre ein Hilfe." Söder hat immerhin signalisiert, sich dafür beim Finanzminister stark zu machen.

Unter welchen Auflagen die Gastronomen irgendwann wieder öffnen dürfen, da will sich noch niemand festlegen. Sicher wird es Abstandsregeln geben, also weniger Tische in einem Raum. "Wenn das so kommt", ärgert sich Tweer, "dann könnte man das doch schon jetzt so durchziehen."

22 Festangestellte hat er in Kurzarbeit geschickt, entlassen hat er niemanden. "Ich habe eine Verantwortung für meine Mitarbeiter, darunter sind auch junge Familien, Mütter mit Kindern." Und die leben von ihrem Job. Den Betrieb hält er mit seiner Frau und drei Azubis aufrecht, "die jetzt so viel lernen wie sonst nie", glaubt der Gastronom. Von der Krise will er sich nicht runterziehen lassen, auch wenn er vermutet, dass das bisherige Niveau in seiner Branche wohl erst in zwei Jahre wieder erreicht sein wird. "Ein Unternehmer ist ein Unternehmer, weil er etwas unternimmt", sagt er.

Auch Silvia Obermüller, Chefin vom Alten Wirt in Rohrbach, hat etwas unternommen: Auch sie bietet Essen zum Mitnehmen an. "Zur Müllvermeidung", heißt es auf ihrer Homepage, "dürfen gern Behälter/Dosen/Töpfe mitgebracht werden." Zum Take-away-Start bot sie sogar einen Drive-in an, wie das bei den großen Burger-Ketten üblich ist: Mit dem Auto vorfahren, das Essen wird dann durch runtergekurbelte Seitenfenster gereicht. "Läuft gut", sagt Silvia Obermüller, "wir verkaufen fast so viele Essen wie sonst, aber uns fehlen natürlich die großen Veranstaltungen."

In dieser Krise zeigt sich auch, woran man einen guten Wirt erkennt: Er hat einen Kreis von Stammgästen. "Die halten uns die Treue", freut sich Raffaele Troisi, der mit seiner Mutter Michaela das "Raffa's" in der Löwenstraße betreibt. "To go wird ganz gut angenommen, wir liefern innerhalb Pfaffenhofens frei Haus." Nein, Existenzangst habe er nicht, sagt Troisi, "auch wenn die Kosten, Steuer, Strom, Versicherungen, natürlich weiterlaufen". Drei Mitarbeiter hat er in Kurzarbeit geschickt, jetzt krempelt er mit seiner Mutter allein die Ärmel hoch.

Beim Griechen in Niederscheyern, dem Sokrates, klingelt spätnachmittags permanent das Telefon, Thodoros Papakiritsis , der Wirt, hat mit den Mitnahmegerichten, 70 Prozent des bisherigen Umsatzes, alle Hände voll zu tun. "Aber die Getränke", sagt er, "fehlen uns natürlich. Die kaufen die Leute jetzt im Supermarkt."

Kathrin und Marc Niehues haben in die Türöffnung ihrer Salat- und Café-Bar "Amici" an der Münchener Straße eine Art Viren-Stopper eingebaut: Über ein Brett, das als Tresen dient, reicht eine Plastikscheibe so weit herunter, dass die beiden gerade noch Salatschalen zum Mitnehmen durchreichen können. "Die ersten zwei Wochen", erinnert sich die Inhaberin Kathrin Niehues, "hatten wir geschlossen, aber dann fiel uns daheim die Decke auf den Kopf." Das Take-away laufe besser als gedacht, zwei Drittel der üblichen Menge an Gerichten verkaufe sie jetzt. "Wir mussten die Preise anpassen, aber wir haben eine treue Kundschaft, die zieht mit."

Mit Essen to go hat es auch Stjepana Dulabic versucht, die mit ihrer Familie zum 1. März die Vereinsgaststätte des MTV am Waldspielplatz gepachtet hat. "Nach zwei Wochen war Schluss." Besonders bitter: Gerade jetzt bei dem Prachtwetter wäre an den Wochenenden der Biergarten proppenvoll, aber auf den Bänken sitzen noch nicht einmal mehr Spaziergänger für eine Verschnaufpause. Die Gaststätte betreibt sie mit ihrer Schwester, ihrem Vater und zwei Mitarbeitern. Die sind jetzt in Kurzarbeit. Aber die Sportler lassen sie nicht hängen: "Der MTV ist sehr großzügig, er unterstützt uns und hat die Pacht reduziert, das freut uns sehr." Und auch, dass zumindest die Handballer Gutscheine gekauft haben.

Wer glaubt, dass der klassische Lieferservice jetzt boomt, weil ja die Restaurants geschlossen sind, irrt. Amarjit Chahal vom Bombay Pizza-Express in der Ingolstädter Straße: "Es ist weniger los als sonst." Warum? Er weiß es nicht. Eine Antwort darauf hat auch Jetmir Farizi nicht, dem unter anderem die Primo Pizza und Salatbar an der Schulstraße gehört. Fast 40 Prozent des Umsatzes seien weggebrochen, erklärt er, was vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass die Schüler fehlen, die sich mittags eine Pizza geholt haben. Um das Geschäft anzukurbeln, hat Farizi mit der Stadtjugendpflege einen Lieferservice auf die Beine gestellt, neue Kunden habe er aber so nicht gewonnen. "Keine Ahnung, woran das liegt." Drei Festangestellte sind in Kurzarbeit, Farizi steht jetzt mitunter selbst am Pizzaofen. "Ich kündige niemandem", erklärt er, "ich habe eine Verantwortung für meine Mitarbeiter." Ob er, wenn er wieder durchstarten kann, dann wieder so gute Leute findet, das glaubt er nicht. Farizi betreibt in Ingolstadt noch ein Burger-Restaurant und einen Foodtruck. "Bis Dezember", sagt er, "waren wir komplett ausgebucht. Man hat sich viel erspart und viel erkämpft. Jetzt fange ich wieder bei Null an."

PK