Ingolstadt
"Jetzt bin ich mehr Magdalena Neuner"

Die ehemalige Weltklasse-Biathletin erzählt im Interview vom Leben nach ihrem Karriereende

24.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:30 Uhr

Ingolstadt (DK) Sie ist die erfolgreichste Biathletin der Geschichte: Magdalena Neuner hat unter anderem zwölf WM-Titel und drei Gesamtweltcup-Siege geholt, bevor sie vor drei Jahren ihre Karriere beendete. Bei einem Besuch in Ingolstadt hat die 28-Jährige im Audi-Forum ihren neuen A 6 abgeholt – „das erste Mal, dass ich mich zu einem so großen Auto durchgerungen habe“, wie sie zugab. Am Rande der Übergabe erzählte sie vom Leben nach ihrem Karriereende.

Frau Neuner, Sie sind jetzt ein Jahr verheiratet, und auch Ihre Tochter feiert bald ihren ersten Geburtstag. Haben Sie sich denn schon an Ihr neues Leben als Familienmensch gewöhnt?

Magdalena Neuner: Ach, sagen wir mal, die Hochzeit hat natürlich nicht so viel verändert wie die Geburt meiner Tochter, das ist klar. Ein Kind verändert alles und das ganze Leben. Aber absolut auch ins Positive. Ich find’, wenn man Familienzuwachs hat, dann weiß man irgendwie noch mehr, wofür man lebt. Das macht die Familie und die Partnerschaft vielleicht noch kompletter, als es davor war. Das ist auf jeden Fall ein superschönes Gefühl, und wir genießen jeden Tag zusammen.

 

Vor drei Jahren haben Sie Ihre Karriere als aktive Biathletin beendet. Sehen Sie sich jetzt nur noch als Fan vom Biathlon?

Neuner: Ja, hauptsächlich. Klar, Biathlon ist immer noch meine Leidenschaft im Herzen, und ich habe mit Sicherheit ein bisschen mehr Backgroundwissen als die Fans, das ist ganz klar. Aber im Grunde bin ich genauso Fan und Bewunderer und freu mich für die Sportler mit. Ich bin natürlich wenig im Geschehen und sehe mich da jetzt auch nicht irgendwie als Trainerin oder Expertin oder so was.

 

Aber während der Weltmeisterschaft haben Sie Ihren Nachfolgerinnen in der Frauenmannschaft die Daumen gedrückt . . .

Neuner: Ja. Ja, hab’ ich immer.

 

Kam bei einem solchen Wettkampf nicht doch insgeheim der Wunsch auf, selber noch einmal antreten zu können?

Neuner: Ach, nein. Also der Wunsch, dass ich direkt selber noch mal dabei bin, nicht. Es ist so: Manchmal, wenn ich dann sehe, wie sie den Berg hochlaufen oder wie es in der letzten Runde einen Fight gibt, da merk’ ich innerlich schon: Boah, da würde ich jetzt total gern mitmachen, das würde mich total reizen. Aber ich weiß einfach, dass Biathlon nicht nur aus diesen Momenten besteht. Sondern dass viel, viel mehr dazugehört und, damit so ein Kampf überhaupt entsteht, ganz, ganz, ganz viel Training dazugehört. Viele Entbehrungen, viel Unterwegssein. Es ist ja nicht nur dieses Laufen. Ich habe mich eigentlich bewusst entschieden, von dem wegzugehen und was ganz anderes zu machen. Ich genieß’ das dann auch jetzt so, wie es ist.

 

Wie oft kommen Sie denn selber noch dazu, Wintersport zu betreiben?

Neuner: Ganz wenig. Ganz wenig, ehrlich gesagt. Ich glaube, ich war dieses Jahr vielleicht fünfmal beim Langlaufen. Also viel weniger, als ich eigentlich möchte. Ich würde gern ein bisschen mehr machen, aber es geht irgendwie nicht.

 

Als Werbefigur und in den Medien sind Sie immer noch eine gefragte Person. Inwiefern können Sie da jetzt Ihre eigenen Interessen vertreten?

Neuner: Jetzt eigentlich ein bisschen mehr als im Sport noch. Im Sport lebt man ja hauptsächlich vom Sportlersein und diesen Erfolgen und allem, was so drum herum ist. Jetzt bin ich mehr Privatperson und mehr Magdalena Neuner. Grad diese Sachen wie die Björn-Schulz-Stiftung, für die ich ja Botschafterin bin, da habe ich jetzt wesentlich mehr Zeit, dafür mal irgendwo unterwegs zu sein. Es gibt natürlich auch öfter die Möglichkeit, bei Veranstaltungen das Thema mal ins Gespräch zu bringen, weil ich eben nicht nur als Sportlerin gefragt bin, sondern einfach als Persönlichkeit. Ich mache jetzt schon viele Sachen, die mir echt Spaß machen und wo ich vielleicht mehr Botschaft rüberbringen kann. Wobei ich auch dazu sagen muss, dass ich mich durch meine kleine Tochter eh ein bisschen rausgenommen habe. Ich denk’ aber, das wird in Zukunft auch wieder mehr.

 

Wenn man so jung und erfolgreich wie Sie seine Karriere beendet, stehen einem bestimmt viele Türen offen. Wie geht es bei Ihnen jetzt weiter?

Neuner: Es ist eigentlich schon so, dass mir viele Türen offen stehen. Aber ich glaube nicht, dass ich jetzt schon in so viele Türen reingehen möchte. Ganz bewusst. Man muss sich entscheiden, wenn man Familie hat: Will man sich dann wieder voll auf die Karriere konzentrieren, oder möchte man halt auch Mama sein. Ich bin zwar schon Karrieremensch, aber mir sind Familie und Mama-Sein und meine Tochter so wichtig, dass ich vieles absage, wo andre Leute sagen: „Hey, bist du total bescheuert, das musst du doch unbedingt machen.“ Aber ich bin der Meinung, dass mindestens die ersten drei Jahre eines Kindes wahnsinnig prägend sind und dass die Mama da eine ganz wichtige Rolle spielt. Ich finde, das ist später nicht mehr nachzuholen. Ich habe mir ja bewusst überlegt, warum ich ein Kind krieg’, und bin da sehr konsequent. So wie ich es damals im Sport war, bin ich es jetzt auch bei meiner Familie. Bis jetzt lassen sich Beruf und Familie sehr gut vereinbaren. Solang es so ist, passt’s auch gut. Es wird später auch bestimmt die Gelegenheit geben, dass ich durch diese neuen Türen trete, die sich öffnen.

 

Das Gespräch führte

Tanja Stephan.