Scheyern
Jesus aus Altpapier

Das Kloster Scheyern zeigt Weihnachtskrippen aller Art – von prunkvoll bis armselig

23.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:40 Uhr

Der Blickfang der Krippenausstellung im Kloster Scheyern ist die Arme-Leute-Krippe von Sieger Köder – komplett aus Zeitungspapier. Für das Arrangement der Figuren ist Frater Stephan verantwortlich gewesen. „Ich habe mit dem Ochsen angefangen, weil der so groß ist.“ Danach kamen Maria, Josef und das Jesuskind (rechts) dran - Foto: Stäbler

Scheyern (PK) Es sind Tausende von Figuren: Maria, Josef und das Jesuskind, Könige und Hirten, Esel, Schafe und Elefanten – in allen Größen und oft kunstvoll gefertigt. Doch das Beeindruckende an der Ausstellung im Kloster Scheyern ist nicht nur die schiere Masse, sondern die Vielfalt der Weihnachtskrippen.

Sie stehen sich Aug’ in Aug’ gegenüber. Auf der einen Seite Maria, Josef und das Jesuskind, kniehohe Figuren, kunstvoll gestaltet mit feingliedrigen Gesichtszügen, mehr als 250 Jahre alt, Schmuckstücke aus der Zeit des Rokokos. Und auf der anderen Seite: wieder Maria, Josef und das Jesuskind, umringt von Straßenmusikern und einem Harlekin; der Stall ist eine ramponierte Holzkiste, der Boden aus Kartoffelsackstoff, und die Figuren sind aus Zeitungsaltpapier gefertigt – also aus Abfall.

Größer könnte der Unterschied zwischen zwei Weihnachtskrippen kaum sein. Doch genau das sei das Ziel der Ausstellung, die aktuell im Kloster Scheyern zu sehen ist, sagt Pater Lukas. „Wir wollen diesmal bewusst Kontraste setzen. Schließlich soll Kunst die Menschen auch herausfordern.“

Genau das tut vor allem die Arme-Leute-Krippe aus Zeitungspapier – eine Leihgabe des berühmten Künstlerpfarrers Sieger Köder aus Ellwangen. „Natürlich spaltet diese Krippe die Meinungen“, räumt Pater Lukas ein. „Einige Besucher empfinden sie als besonders eindringliche und gelungene Art und Weise, die Geburt Jesus darzustellen, der ja auch unter armen Menschen auf die Welt gekommen ist. Aber die anderen können mit diesen Figuren aus Altpapier überhaupt nichts anfangen, weil sie ihnen ganz einfach nicht in das vorgegebene Bild der Weihnachtszeit passt.“

Die Arme-Leute-Krippe ist sicherlich das beeindruckendste Stück der Ausstellung, doch auch darüber hinaus gibt es im Kloster Scheyern nicht nur für Krippenliebhaber viel zu entdecken. Etwa mehrere Kastenkrippen aus ganz Europa, deren daumengroße Figuren in mühseliger Kleinarbeit arrangiert wurden. Oder eine Krippe in einem Radiokasten aus den 1920er-Jahren. Oder eine Papierkrippe mit mehr als hundert Teilen, die der Scheyerer Reiner Schlamp 2010 angefertigt und der Ausstellung zur Verfügung gestellt hat.

Sehenswert auch die einstige Seminarkrippe der Abtei Scheyern, die Frater Stephan auf dem Dachboden des Internats in einer Lebkuchenkiste gefunden und mit viel Liebe zum Detail restauriert hat. „Die Kleider waren mottenzerfressen und mehrere Figuren gesplittert oder gebrochen“, berichtet der Krippenexperte vom Kloster Scheyern. „Insgesamt hat es fast ein Jahr gedauert, bis ich alle 16 Figuren wiederhergestellt hatte.“

Für Frater Stephan, der einige Figuren der Ausstellung selbst angefertigt hat, sind Krippen mehr als nur eine figürliche Darstellung der Weihnachtsgeschichte. „Sie drücken immer auch ein Stück weit das persönliche Empfinden des Krippenbauers aus – und den jeweiligen Zeitgeschmack.“ Gerade Letzteres zeigt die Ausstellung eindrucksvoll, indem sie Krippen aus verschiedenen Jahrhunderten nebeneinanderstellt und dem Besucher die Exponate mit allerlei Erklärungen näherbringt. Besonders an den besinnlichen Weihnachtsfeiertagen bietet sich ein Besuch an – auch für Familien mit Kindern. Lediglich an Heiligabend bleibt die Kapitelkirche geschlossen, denn da gehört die Krippenschau allein den Mönchen im Kloster. „Am frühen Abend gehen wir immer gemeinsam in die Ausstellung, und Abt Markus spricht einige Worte über das zu Ende gehende Jahr“, erzählt Pater Lukas. „Denn gerade an Weihnachten zeigen uns die Krippen, dass an diesem Tag nicht nur etwas Besonderes stattgefunden hat, sondern dass die Menschen sich damit auch in vielfältiger Weise beschäftigt haben.“