Aichach
Jenseits von Romy-Schneider-Tralala

Unterwegs auf dem Geschichtspfad und in einer Stadt, die der Marke "Wittelsbacher" viel Platz einräumt

20.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:39 Uhr
Stationen auf dem Geschichtspfad: Unterwegs kommt man bei einem Kunstwerk von Norbert Zagel (oben) vorbei, genauso an der Kirche auf den Resten der Stammburg (unten links) und an Turmspitze des Nationaldenkmals am Burgplatz in Oberwittelsbach (rechts). Initiiert hatte den Weg der langjährige Aichacher Stadtrat Dieter Heilgemeir (Mitte, links), der den Geschichtspfad von Ober- nach Unterwittelsbach initiiert hat. −Foto: Edler

Aichach - In diesem Jahr beschäftigt sich die Landesausstellung mit den Wittelsbachern.

Der Geschichtspfad in Aichach zeigt in sechs Stationen die Beziehung des Adelsgeschlechts zum Ort und zur Region auf - und bietet somit neben der Hauptausstellung eine willkommene Abwechslung. Start ist am Burgplatz in Oberwittelsbach.

Warum sich die Wittelsbacher ausgerechnet nach einem kleinen Hügel benannt haben, dessen Bezeichnung vermutlich auf ein Rinnsal zurückgeht, das unscheinbar von Ober- nach Unterwittelsbach plätscherte, weiß man nicht. Warum der Ort, an dem eines der einflussreichsten Adelsgeschlechter, das Jahrhunderte lang die Regenten Bayerns stellte, Könige, ja Kaiser des Heiligen Römischen Reiches hervorbrachte, nach dem Schleifen der Burg in einen Dornröschenschlaf fiel, von dem es, lieblich geküsst von ein paar Romantikern, nur langsam erwachte, weiß auch niemand. Vergessen wir einfach mal den Königsmord zu Bamberg anno 1208 und seine Folgen für die Burg der Wittelsbacher. Aichachs Stadtarchivar Christoph Lang jedenfalls mag nicht so recht daran glauben, dass der Ort tatsächlich verfemt war und die Wittelsbacher deshalb zwar am Namen festhielten, ihre Schlösser aber lieber in den Bergen bauten. "Vielleicht war ihnen der Ort einfach wurscht", entfuhr es dem Experten Lang dieser Tage auf dem Burgplatz mit einem breiten Lächeln.

Dorthin, wo einst Burgleben europäischer Dimension stattfand, inklusive Musik und Tric-Trac-Spiel, lud die Stadt die überregionale Presse ein. Geschichte erwandern war angesagt - die Medienvertreter ließen sich entführen in eine Stadt, die der Marke "Wittelsbacher" längst alle Ehre macht und jenseits von "Romy-Schneider-Tralala" echte Geschichte vermittelt - informativ und erfrischend, mit Tiefgang und dennoch gehörigem Spaßfaktor. Corona-gerecht an der frischen Luft.

Dass nicht nur in diesen Zeiten Inland-Tourismus zunimmt, Wander- und Radziele mehr denn je gefragt sind, darauf machte Tourismus-Direktor Götz Beck von der Regio Augsburg aufmerksam. Die Stadt Aichach habe sich als Exponat herausgeputzt und nachhaltiges Storytelling geschaffen. Keine Frage: Den Geschichtspfad von Ober- nach Unterwittelsbach kann man auch nach der Bayerischen Landesausstellung erkunden. Er lädt zum Spaziergang - weitgehend im schattigen Wald - ein und vermittelt nebenbei an fünf Stationen prägende historische Ereignisse und Persönlichkeiten in künstlerisch gestalterischer Weise. Genau das war auch die Idee des langjährigen Zweiten Bürgermeisters und Stadtrats Dieter Heilgemeir, als er den Pfad 2004 initiierte. Warum nicht so ganz nebenbei etwas für die Bildung tun, dachte sich der ehemalige Lehrer, der sich bis heute einen Spaß daraus macht, die Spaziergänger abzufragen. Nach dem Landtag der niederbayerischen Stände im Jahr 1504 etwa. Tief im Tann stehen die hölzernen Stelen von Bildhauer Norbert Zagel und bilden die verschiedenen Stände ab. Doch welche Stele steht denn nun für welchen Stand?

2004 war noch Überzeugungsarbeit gefragt. Längst ist die Skepsis Anerkennung und Komplimenten gewichen. Von 2008 bis 2015 dauerte es, bis die Kunstwerke standen. Fast 70000 Euro hat die Stadt investiert. Es gab EU-Fördermittel, der Förderverein des Sisi-Schlosses steuerte gut 12000 Euro bei. Nun sind die Stationen über Schilder vernetzt, am Sisi-Schloss mündet der Pfad in eine Lauschtour - einem Audioguide, der großes Kino für die Ohren verspricht. Der Titel: "Prinzessin Elisabeth und der legendäre Clan der Wittelsbacher! " Im Schlosspark steht die Windharfe, quasi die Zugabe des Geschichtspfades, die bei starkem Wind an den musikbegeisterten Herzog Max erinnert, dessen Originalzither heuer im Schloss zu bewundern ist.

Da kommt Kastellanin Brigitte Neumaier ins Spiel. Von der ausgewiesenen Sisi-Expertin stammt auch das erwähnte Zitat vom "Romy-Schneider-Tralala". Die Kastellanin führt die Besucher in atemberaubender Geschwindigkeit durch das wahre Drehbuch des Lebens der einstigen Kaiserin von Österreich und hat selbst für Einheimische immer wieder ein Bonmot parat. Zum Schloss gehörten einstmals rund 800 Hektar Wald. Herzog Max schenkte jedem Unterwittelsbacher drei Tagwerk Holz. Darauf seien die Wittelsbacher bis heute stolz und geben das Geschenk nicht ab. Ein Dorf voller Waldbesitzer also.

Vor gut 20 Jahren hat die Stadt das Schloss erworben, inzwischen wird ein Teil für die Sisi-Dauerausstellung genutzt. Über 4000 Besucher wurden heuer schon gezählt. In Corona-Zeiten ein sehr guter Wert, wie Bürgermeister Klaus Habermann fand und einmal mehr sein Credo unterstrich, den aus seiner Sicht wohl "historisch bedeutsamsten Ort in Bayern" nicht in ein Disneyland verwandeln zu wollen. Deshalb findet der Besucher am Burgplatz, dem Stammsitz der Wittelsbacher, ebenfalls nur schlichte Infotafeln, über die er beim Rundgang die Geschichte erschließen kann. Mehr braucht es tatsächlich nicht. Wer an der Burgkirche vorbeimarschiert und zwischen den Steinresten früherer Grabungen steht, wer einen Blick auf das Bayerische Nationaldenkmal wirft, das König Ludwig I. genehmigte und an dessen Einweihung im Jahre 1834 über 20000 Menschen teilnahmen, der spürt die Aura von Geschichte auch oder gerade wegen des fehlenden Tralalas. Im Idealfall, so wie beim Presserundgang, hilft Stadtarchivar Christoph Lang etwas nach. Auch er ist ein profunder Kenner der Geschichte der Wittelsbacher und kann sein Wissen spannend vermitteln. Schnell hängten sich deshalb auch ein paar Radlfahrer an die kleine Pressegruppe. Sicherlich ging es für jene im Anschluss bergab in die Paarstadt. Entweder ins Feuerhaus zur Bayerischen Landesausstellung oder auf den Stadtplatz zum kürzlich vor der Spitalkirche aufgestellten Bronze-Stadtmodell, das Aichach im Jahre 1914 zeigt. Damals war Ludwig III. , der letzte bayerische König, in der Paarstadt. Mit etwas mehr Tralala.

Robert Edler