Ingolstadt
Jenseits der Wohlstandssphäre

Polizei erteilt Platzverweis: Bettlerlager an der Manchinger Straße soll nach zwei Monaten verschwinden

14.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:57 Uhr

Tristesse, wohin man schaut: Das Bettlerlager nahe der Manchinger Straße hat sich seit Mitte Februar beständig vergrößert. Zwischen Müll und Exkrementen lebt hier ein gutes Dutzend Rumänen - darunter auch kleine Kinder, wie herumliegende Spielsachen zeigen. - Fotos: Hammer

Ingolstadt (DK) Wieder mal ein Bettlerlager im Unterholz, wieder mal ein Platzverweis durch die Polizei: Seitlich der Manchinger Straße wird gerade erneut ein Kapitel zum leidigen Thema Armutsmigration geschrieben. Es geht um eine Gruppe Rumänen, die hier bereits seit Wochen wild campiert - sogar mit einem Säugling.

 

"Erst war es nur ein Zelt, dann waren es schon vier", erzählt ein Geschäftsmann von der Manchinger Straße von den Anfängen des Lagers in seiner Nachbarschaft Mitte Februar. Der Unternehmer wundert sich, dass hier nun schon über zwei Monate hinweg Menschen unter "unwürdigsten Bedingungen" in der Wildnis leben, ohne dass sich - zumindest bislang - jemand um diesen Slum gekümmert hätte.

Als der DK das traurige Camperdorf in einem Wäldchen nahe der Autobahnauffahrt "Süd" gestern Morgen besucht, sind fünf Zelte mit zwei Feuerstellen zu sehen - allesamt verlassen. Auf einem verdreckten Koffer, der im Freien steht, liegen noch die Zettel, die die Polizei hier kurz zuvor verteilt hat: "Der Aufenthalt hier wurde Ihnen nicht gestattet. Wir erteilen Ihnen hiermit Platzverweis und fordern Sie auf, dieses Gelände umgehend zu verlassen", heißt es dort (unter anderem) in gleichlautenden Texten, die in Deutsch und Rumänisch verfasst sind. Die Frist bis zur Räumung ist bis zum kommenden Montag gesetzt worden. Ob der Aufruf beachtet wird, kann niemand sagen.

Die etwa zehn Rumänen, die er und vier Kollegen am frühen Morgen angetroffen hätten, seien sehr still gewesen, hätten sich praktisch nicht zum Ansinnen der Beamten geäußert, berichtet mittags Ingolstadts stellvertretender Polizeichef Dominikus Stadler auf DK-Anfrage von dem Zusammentreffen im Unterholz. Er hatte auch einen Dolmetscher und Vertreter des städtischen Ordnungs- und des Jugendamtes im Gefolge. Das Interesse der Jugendschützer galt wohl vor allem vier Kindern und Jugendlichen, die zu diesem Zeitpunkt im Camp waren. Es hätten sich aber keine Anhaltspunkte für gröbere Verwahrlosungen gezeigt; auch für Gesundheitsgefahren habe dem Augenschein nach nichts gesprochen, verlautet hierzu aus der städtischen Pressestelle.

Von geordneten hygienischen Verhältnissen dürfte aber kaum die Rede sein können. Zwischen den Zelten und in weitem Umkreis um das Lager verstreuter Unrat vermittelt vielmehr den Eindruck eines Lebens mitten im Müll. Dass die Bewohner - von Beobachtern aus der Nachbarschaft auf ein gutes Dutzend geschätzt - hier zwischen Bäumen und Sträuchern auch ihre Notdurft verrichten, muss wohl angenommen werden. In Nässe und Dreck herumliegende Stofftiere und ein paar andere Spielsachen deuten auf die beängstigend triste Lage der hier lebenden Kinder hin.

Neben einem Zelt geparkt: ein Kinderwagen. Ja, berichtet eine Angestellte aus einer nahen Schnellrestaurantfiliale, ja, es gebe da auch eine Familie mit einem Säugling, die immer wieder im Lokal auftauche und nach Essensresten suche. Vor einigen Wochen sei die Frau noch hochschwanger gewesen, jetzt sei das Baby da. Erst am Mittwoch habe man einen Mann aus der Sippe aus dem Restaurant drängen müssen, "weil er so gestunken hat".

Allem Anschein nach sind die erwachsenen Bewohner des Camps, wahrscheinlich aber auch die älteren Kinder und Jugendlichen, seit Wochen tagsüber in der Stadt und im Umland als Bettler unterwegs. Man habe keine genauen Anhaltspunkte auf den jeweiligen Aufenthalt, bekennt Polizeivize Stadler. Er berichtet davon, dass ein Mann bei der gestrigen Visite behauptet habe, irgendwo beschäftigt zu sein.

Der Polizei ist das traurige Camp bei der Manchinger Straße schon seit geraumer Zeit bekannt. Eingegriffen wurde erst einmal nicht, weil das Wäldchen Privatgelände ist, auf dem die öffentliche Ordnung nicht ohne Weiteres durchzusetzen ist. Auch die Stadt hatte sich deshalb bislang zurückgehalten. Nachdem der Grundbesitzer inzwischen offenbar doch darauf dringt, sein Areal von den ungebetenen Nutzern zu befreien, ist es gestern zu dem polizeilichen Platzverweis gekommen. Nach DK-Informationen soll das Gelände einer Ingolstädter Hausverwaltungsfirma gehören, bei der aber gestern niemand zu erreichen war.

Mit drastischeren Maßnahmen gegenüber den Campern tun sich die Ordnungsbehörden insofern schwer, als es sich bei Rumänien um einen EU-Mitgliedsstaat handelt, dessen Bürger zunächst einmal Freizügigkeit innerhalb der Union genießen. Ähnliche Auswüchse wie jetzt hat es in der Vergangenheit in Ingolstadt schon wiederholt gegeben, zuletzt recht massiv 2010 auf dem früheren Gießereigelände. Probleme mit vagabundierenden Bettlergruppen aus Südosteuropa sind aus vielen größeren deutschen Städten bekannt; eine Lösung ist nicht in Sicht.