Je verrückter, desto besser

Es ist vielen ehrenamtlichen Akteuren zu verdanken, dass die Freundschaft der Geisenfelder mit der finnischen Gemeinde Jämijärvi über Jahre gehalten hat und in einen Partnerschaftsvertrag mit Brief und Siegel mündete - allen voran aus den Bereichen Sport und Kultur.

09.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:53 Uhr
Die WM im Frauentragen ist einer der skurrilsten finnischen Sport-Exporte. Beim Wettbewerb in Sonkajärvi zeigen hier Mohanjith Hannadige and Jalo Beata, was die Faszination dieses Sports ausmachen könnte. −Foto: Hartikainen/dpa

Es ist vielen ehrenamtlichen Akteuren zu verdanken, dass die Freundschaft der Geisenfelder mit der finnischen Gemeinde Jämijärvi über Jahre gehalten hat und in einen Partnerschaftsvertrag mit Brief und Siegel mündete - allen voran aus den Bereichen Sport und Kultur.

Jämijärvi (GZ) Viele kulturelle und sportliche Begegnungen zwischen den Geisenfeldern und ihren finnischen Freunden sind schon in unserer Zeitung gewürdigt worden - von der Teilnahme der "Euro-Elche" an Veranstaltungen wie dem 24-Stunden-Lauf bis zur Aktion "Laufen verbindet" , bei der am 9. August 2009 ein Staffel-Team von Geisenfeld aus zu Fuß in Richtung Jämijärvi startete. Und wann immer jemand aus der Hallertau im Land der tausend Seen zu Gast war, stand der Ganzjahresskitunnel inklusive Probelauf auf dem Programm. Viel Spaß hatten die bayerischen Eisstockschützen außerdem beim Austesten der finnischen Variante ihres Sports: dem olympischen Curling.

Den regelmäßigen Besuchern und Freunden des Geisenfelder Bürgerfestes oder der beliebten Rathauskonzerte werden aber auch die Auftritte des Akkordeonorchesters Jämijärven Pelimannit und diverser Solisten in Erinnerung geblieben sein. Als besonderer Botschafter deutscher Kompositionskunst ist hingegen der Geisenfelder Kirchenmusiker Jörg Duda in Finnland auch längst zu einer bekannten Größe avanciert.

Bleibt noch das Thema Eishockey zu erwähnen, das bisher noch nicht im Fokus der Berichterstattung stand. Seit er bei einem privaten Besuch die Saturn-Arena in Ingolstadt besichtigt hatte, träumte der aktuelle Partnerschaftsbeauftragte Tuomo Leikkola davon, "hier einmal eine Juniormannschaft aus Kankaanpää spielen zu sehen". Nicht zuletzt, weil seine drei Söhne damals im dortigen Verein aktiv waren. Für den Geisenfelder Stadtrat Wolfgang Hollweck war dieser Wunsch Leikkolas indes Anlass genug, um über seinen Bekannten Ralf Osterhuber den ersten Kontakt zu den Ingolstädter Panthern herzustellen. Osterhuber organisierte mit Vereinskollegen und seiner Ehefrau Petra einen dreitägigen Aufenthalt für die Sportler aus dem hohen Norden. Der Höhepunkt des Besuchs: Die Teilnahme am Internationalen Audi-Nachwuchscup für die 13-Jährigen am 4. Februar 2008. "Zu den Osterhubers hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt, die bis heute besteht", sagt dazu Leikkola, dessen Sohn Samuli zu jenen jungen Spielern gehörte, die als Jääkarhut ("Eisbären") an der Begegnung in der Saturn Arena teilnehmen durften - gegen den gastgebenden ERC sowie weitere Eishockeyteams aus Hannover, Straubing, aber auch aus der Slowakei und aus Italien.

Als Dank dafür organisierte Leikkola seinerseits Spiele in Kankaapää und in Tampere, der "Urheimat des finnischen Eishockeys", wie er selbst sagt, zu dem die ERC-Jugend eingeladen wurde. Neben spannenden Begegnungen standen dabei auch andere Aktivitäten auf dem Programm - von der in Finnland beliebten Schulsportart Floorball bis zum Eisfischen.
Alle Protagonisten der Städtefreundschaft hoffen nun, dass die Kontakte auf jedweder Ebene weiter intensiviert werden.

Die Finnen lieben die Herausforderung - je verrückter, desto besser. Kaum ein Land dieser Welt dürfte so viele Weltmeisterschaften der besonderen Art austragen, deren bekannteste jene im Luftgitarre-Spielen sein dürfte.

Doch gibt es auch noch weit weniger bekannte Internationale Championships. "Heiß" geht es bei der Weltmeisterschaft im Chili-Essen zu, die alljährlich im August in der Nähe von Jämijärvi stattfindet. Echt "cool" muss hingegen sein, wer beim Winterschwimmen im Eisloch gewinnen möchte. "Wir lieben schräge Sportarten und Wettbewerbe", verrät die gebürtige Finnin und Wahl-Pfaffenhofenerin Katri Koppold. Als Vorsitzende der Bezirksgruppe des Deutsch-Finnischen Vereins hat die Leiterin der Sprachenschule "Pisara" auch etliche Beispiele parat. So gibt man sich im Weitwurf nicht mit Ball, Diskus oder Speer zufrieden. Geworfen werden Handy, Gummistiefel oder Melkschemel. "Sauber bleiben" gilt als Devise manchmal nur, was die Fairness angeht. Ansonsten gehen die Kandidaten etwa beim Matschfußball nicht mit weißer Weste aus dem Clinch. Flinke Finger sind bei der WM im Preiselbeer-Pflücken gefragt - der letztjährige Sieger kam immerhin auf 27,98 Kilogramm in einer Stunde.

"Manchmal sind die Wettbewerbe nicht nur verrückt, sondern ebenso gefährlich", bedauert Koppold. So sei 2010 beim Sauna-Contest der Sieger am Ende tragischerweise sogar gestorben. Und diese irre Weltmeisterschaft wurde daraufhin auch für immer verboten. Weniger gefährlich, dafür aber ausgesprochen unangenehm dürfte für die Teilnehmer das möglichst lange "Sitzen in einem Ameisenhaufen" gewesen sein - das wohl auch mangels freiwilliger Teilnehmer inzwischen wieder eingestampft wurde. Nur für die unfreiwillig Beteiligten eine Gefahr stellt hingegen das "Mückenklatschen" dar, dessen Meister sich dem Vernehmen nach bei Partygästen im Hochsommer besonderer Beliebtheit erfreuen. Wie ernst die "Lügen-WM" am 1. April in Ylikylä gemeint war , bleibt indes dahingestellt.

Die Weltmeisterschaft im Frauentragen kann gut und gerne zum einen oder anderen "interkulturellen Missverständnis" führen. Als GZ-Mitarbeiterin wurde Maggie Zurek vor 20 Jahren, also zu Beginn ihrer Tätigkeit für die Heimatzeitung, zur Berichterstattung über das Frauentragen in Geisenfeld beordert. Protestantisch geprägt und bekennender Finnland-Fan dachte sie flugs an eben jenen Wettbewerb, bei dem im hohen Norden die Männer - ihre Ehefrauen auf dem Rücken - um den Sieg rennen. Dass man dafür ausgerechnet die Adventszeit auserkoren hatte, wunderte sie schon ein wenig. Noch größer aber war die Überraschung, als sie statt Sportlern in Turnschuhen eine Gruppe frommer katholischer Christen antraf und Zeuge einer alten, religiösen Tradition wurde, die sie "sehr berührt hat", wie sie bekennt. In Anlehnung an die Herbergssuche von Maria und Josef wird bei diesem Brauch eine Statue der Maria gravida ("Maria in der Hoffnung") von einer gläubigen Familie zur anderen weitergetragen. In der jeweiligen "Herberge" findet eine Adventsandacht im Gedenken an die besondere Rolle der Mutter Gottes statt.

Freilich, mit der verrückten finnischen WM in dieser ungewöhnlichen Sportart hat der katholische Brauch rein gar nichts zu tun. "Aber es ist schon witzig, dass beides genau dieselbe Bezeichnung hat", meint Zurek.