Ist Massentierhaltung heute noch zeitgemäß?

03.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:16 Uhr
Eine in Stammham geplante Mastanlage für Hähnchen ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Hier ein Symbolbild. −Foto: Jaspersen, dpa

Zur Berichterstattung über die geplante Hähnchenmastanlage in Stammham:

Idylle bei der Antoniusschwaige. Auf der Wiese picken Hühner. Andere sind satt und laufen umher - und das sogar ziemlich schnell. Nebenbei versorgen sie die Ingolstädter mit Eiern. Ein harmonisches Miteinander von Mensch und Tier. Ganz andere Pläne gibt es in Stammham. Dort soll eine der größten Hähnchenmastanlagen in Deutschland mit Platz für über 200000 Tiere entstehen - indoor, ganz ohne Wiese.

Schnell und effektiv sollen dort innerhalb kürzester Zeit aus Küken schlachtreife Hennen werden. Dass ein Investor solche Absichten hat, ist nachvollziehbar. Dass jedoch ein Gemeinderat dieses Vorhaben einstimmig befürwortet, ist denkwürdig. Vielleicht sind die Räte der Ansicht, dass durch die Ansiedlung dieser Anlage neue Arbeitsplätze entstehen. Doch mehr als ein Dutzend Stammhamer Bürger werden hier wohl kaum Beschäftigung finden. Oder man rechnet damit, dass die Hühnermast in ferner Zukunft Gewerbesteuer abwirft, die dazu genutzt werden kann, die Ortsmitte zu verschönern. Stammham glänzt nämlich durch eine Reihe von Neubaugebieten, hat aber keinen wirklichen Ortskern. Einen wichtigen Aspekt scheinen die Räte bei ihrer Entscheidung allerdings nicht berücksichtigt zu haben: den Willen der Bürger. Möglicherweise wollen die etwa 4000 Alt- und Neubürger, die schon nah an Autobahn und ICE-Trasse leben und in ihrer Nähe bereits den Autobahnrastplatz, das Biogas- und Kompostierwerk sowie die Standortschießanlage der Bundeswehr wissen, keine weitere Quelle der Lärm- und Geruchsbelastung.

In einer Initiative haben sich bereits ein Viertel der Einwohner mit ihrer Unterschrift gegen den Bau einer derartigen Anlage gewandt, zugegebenermaßen an einem anderen Standort. Aber sind darunter nicht auch viele Bürger, die generell gegen einen solchen Betrieb in ihrem Ort sind? Gibt es keinen einzigen gewählten Gemeinderat, der sich dieser Bürger annimmt und ihre Interessen vertritt? Eine Hähnchenmast dieser Größenordnung wird sicherlich mit einer Reihe von negativen Auswirkungen einhergehen. Es ist damit zu rechnen, dass eine große Menge an Trinkwasser benötigt wird, Anbindungsstraßen müssen ertüchtigt werden, in der Anlage werden Keime und Erreger entstehen, das Grundwasser wird möglicherweise belastet sein, das Abwasser muss rückgeführt werden, die Tiertransporter werden Schadstoffe produzieren.

Welcher Nutzen für den Bürger steht all dem gegenüber? Und generell stellt sich doch die Frage: Ist Massentierhaltung überhaupt noch zeitgemäß? Selbst auf dem Oktoberfest, einer der größten Massenveranstaltungen der Welt, wird der Anteil an Biofleisch und nachhaltig produzierten Lebensmitteln immer größer und wichtiger. Wollen Menschen auf lange Sicht wirklich Hühner essen, die mit gebrochenen Flügeln und Beinen im Schlachtbetrieb ankommen, nachdem sie sich auf engstem Raum gegen ihre verendeten, nun im "Kadaverhaus" gelagerten Artgenossen durchgesetzt haben? Sind sie nicht eher bereit, etwas mehr Geld für Hähnchen zu bezahlen, die keine multiresistenten Keime enthalten und frei von Antibiotikarückständen sind?

Zurück zu den Hühnern in der untergehenden Sonne: Ist das Huhn glücklich, freut sich der Mensch - und lebt sicherlich auch gesünder ohne Hähnchenmastanlage.

Martina Weber, Ingolstadt