Lille
Introvertierter Superstar mit Irokesenfrisur

Marek Hamsik ist der große Hoffnungsträger der Slowaken im Achtelfinale Quintett angeschlagen

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Lille (DK) Noch steht Peter Bondra ganz oben in der Rangliste. Sein Treffer zum 4:3 gegen Russland bescherte den Slowaken den Weltmeistertitel 2002 im Eishockey, den ersten in ihrer Geschichte. Die ganze Nation tanzte daraufhin auf den Straßen, war einfach nur stolz.

Stolz ist sie aktuell auch wieder - auf ihre Fußballer. Und wenn jetzt auch noch die großen Deutschen besiegt werden würden - nicht auszudenken, was dann in Bratislava, Zilina, Trnava und so weiter los wäre. Dabei brauchen die Slowaken doch nur das zu tun, was sie vor exakt vier Wochen getan hatten. Der 3:1-Testspielsieg vom 29. Mai gegen die DFB-Auswahl in Augsburg macht ihnen eine Menge Mut. Dass der Kick damals in der zweiten Halbzeit eher einem Wasserball- denn einem Fußballmatch glich - was soll's? Der große Außenseiter hatte dem hohen Favoriten trotzdem erfolgreich die Stirn geboten.

Das Dumme ist momentan nur: Die Slowaken werden vor der Achtelfinalpartie an diesem Sonntag in Lille von Personalproblemen geplagt. Miroslav Stoch (Viruserkrankung), Tomas Hubocan (Fersenblessur) Dusan Svento (Muskelbeschwerden), Robert Mak (Muskelblessur) sowie Peter Pekarik (Nasenbeinbruch) - all diese Stammkräfte sind zumindest angeschlagen. Aber deswegen groß jammern? Nicht das Ding von Cheftrainer Jan Kozak: "Wir haben trotzdem den Vorteil, dass auf uns keinerlei Druck mehr lastet, nachdem wir unser großes Ziel, das Achtelfinale, schon erreicht haben."

Offensivmann Vladimir Weiss sieht es ähnlich: "Wir sind stolz, bereits so weit gekommen zu sein und wollen es einfach genießen", sagte der 26-Jährige, der bei Al Gharafa in Katar unter Vertrag steht. Zugegeben, schlecht dürfte er hier nicht verdienen - aber trotzdem ist es wohl kein Vergleich zu dem, was Marek Hamsik regelmäßig vom SSC Neapel überwiesen bekommt. Er, der absolute Superstar der Slowaken - mit Irokesenfrisur und zahlreichen Tätowierungen versehen. Der typische Badboy also - zumindest äußerlich. Doch dieser erste Eindruck täuscht gewaltig: Außerhalb des Fußballplatzes gilt der 28-Jährige als äußerst introvertiert. Sein liebstes Hobby in der Freizeit: gemütlich mit Ehefrau Martina sowie den Kindern Lucas und Christian zu Hause zu sitzen. "Marek ist der Schwiegersohn, den sich jeder Vater für seine Tochter wünscht", sagte Riccardo Bigon vor Kurzem, der ehemalige Sportdirektor des SSC Neapel. "Im Beruf ist er dann ein Vorbild an Loyalität und Demut - eine Spezies, die im Fußball eigentlich unter absolutem Artenschutz steht."

Bereits seit sieben Jahren ist Hamsik nun Kapitän der slowakischen Nationalmannschaft - "und das völlig zu Recht", wie Cheftrainer Kozak gerne betont: "Natürlich, Marek ist ein Schlüsselspieler bei uns. Aber wichtiger ist es für mich, dass er sein großes Talent auch für die Mannschaft einbringt - und das tut er immer wieder vorbildlich."

Der so Gelobte vernimmt's bescheiden mit einem Lächeln: "Mein gesamtes Leben dreht sich um den Fußball. Schon als Baby hingen Fußballschuhe über meiner Krippe, der Weg war also schnell vorgezeichnet", sagte der 28-Jährige. Beim historischen 2:1-Erfolg gegen Russland, der den Slowaken den Weg ins Achtelfinale ebnete, erzielte Hamsik seinen ersten EM-Treffer - und auch bei jenem 3:1-Coup gegen Deutschland in Augsburg hatte er phänomenal eingenetzt. Sollte der Kapitän nun zudem noch das Siegtor am Sonntag schießen, wäre er endgültig die Nummer eins in seinem Land. Nicht mehr Bondra.