Interview mit Prof. Hansmann - Kommt die Immobilienblase?

22.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Spekulanten haben den deutschen Immobilienmarkt fest im Griff. Vor allem in den Metropolen laufen die Immobilienpreise den Mieten davon. Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann ist besorgt.

Spekulanten haben den deutschen Immobilienmarkt fest im Griff. Vor allem in den Metropolen laufen die Immobilienpreise den Mieten davon. Professor Werner Hansmann ist besorgt.

Herr Hansmann, in den Top-7-Städten sind die Kaufpreise für Wohnimmobilien regelrecht explodiert. Befinden wir uns bereits mitten in der Immobilienblase?

Hansmann: Die Immobilienpreise sind explodiert, das ist richtig beobachtet. "Mitten" in der Blase wäre mir ein bisschen zu viel. Ich würde sagen, wir befinden uns am Anfang der Immobilienblase - ungefähr seit knapp zwei Jahren.

Auf Ihre Argumente kommen wir gleich noch zu sprechen. Eine Frage vorab: Wann wird die Blase platzen?

Hansmann: Das kann man ganz gut durch zwei Länder wie Spanien und USA abschätzen. Die Immobilienblasen dort, die im Allgemeinen ja als solche auch anerkannt sind, haben sechs Jahre gedauert. Das Platzen einer Blase ist natürlich nicht genau vorhersehbar. Wenn sie platzt, ist es ja immer ein Schock. Um den Schock zu vermeiden, kann man die Blase auch vorher schon "entlüften". Aber wenn man nichts tun würde, dann hätten wir anhand der Beispiele in Spanien und den USA noch ungefähr vier Jahre Zeit, bis sie platzt. Das kann früher oder auch ein Jahr später sein. So genau geht es leider nicht mit der Voraussage.

Es gibt Kollegen, die meinen, der Immobilienmarkt in Deutschland sei nicht mit dem in Spanien oder in den USA vergleichbar. Was halten Sie dagegen?

Hansmann: Ich habe sechs Kriterien aus den spanischen und US-amerikanischen Erfahrungen zusammengestellt und diese auch ökonometrisch getestet. Das Hauptkriterium ist folgendes: Wenn die Mieten - die ja eigentlich die Einkünfte für jemanden sind, der ein Haus als Investor kauft - und die Hauspreise auseinanderdriften, also nicht mehr in gleichem Maße ansteigen, dann ist das das erste Kriterium für eine Blase. Wer selbst dann noch Häuser kauft, obwohl die Mieten nicht ausreichen, die Finanzierung zu leisten, der muss ein Spekulant sein und auf höhere Preise warten. Das war in den USA so, das war in Spanien so und das ist auch in Deutschland so. Und wenn dieses Kriterium erfüllt ist, dann kann man schon sagen, dass die Blasenbildung am deutschen Immobilienmarkt bereits begonnen hat und die Situation mit der in Spanien oder in den USA vergleichbar ist.

Dennoch gibt es auch Unterschiede...

Hansmann: Was man nicht vergleichen kann, das sind zum Beispiel die US-Zinsen, die ja keiner Bindung unterliegen. Als in Amerika die Zinsen stiegen, hat sich das sofort auf die Hypotheken ausgewirkt. Kreditnehmer mussten unmittelbar einen höheren Zinssatz bezahlen. Das konnten viele nicht, die Folge war eine Welle von Zwangsversteigerungen. In Deutschland haben wir Zinsbindungen von fünf, zehn oder fünfzehn Jahren. Dadurch wird der Effekt etwas gedämpft, aber das ist nur ein Kriterium. Das Hauptkriterium ist die Spekulation in Bezug auf die Immobilienpreise. Und die geht los, wenn Mieten und Preise nicht mehr im Einklang sind. Diese Entwicklung beobachten wir übrigens nicht nur in den Top-7-Städten, sondern mittlerweile in ganz Deutschland.

Auch wenn sich die Bauzinsen vom jetzigen Niveau aus verdoppeln würden, wären die Anschlussfinanzierungen immer noch günstiger zu haben als vor fünf bis zehn Jahren bei Vertragsabschluss. Das lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass viele Finanzierungsmodelle schon bald ins Wanken geraten könnten?

Hansmann: Wenn man von einem Prozent Zinsen auf zwei geht, dann haben Sie natürlich Recht. Dann ist das eine Verdopplung, aber das ist noch nicht sehr wirksam. Wir rechnen aber mit einer viel stärkeren Zinsanhebung. Das liegt natürlich an den steigenden Inflationsraten. Und wenn Sie mal vier Prozent nehmen, was immer noch billiger ist als die früheren, normalen sechs Prozent, dann könnte schon einiges ins Wanken geraten. Aber Sie haben Recht: Wenn es sich nur auf zwei Prozent bezieht, dann sind manche Finanzierungsmodelle noch machbar.

Die Gegner einer Blasenbildung führen an, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland immer noch deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Was meinen Sie?

Hansmann: Das ist richtig. Wohneigentum bedeutet ja, dass man selbst drin wohnen will. Es gibt aber genügend Investoren, die ganze Gebäude bauen für fünf bis zehn Familien und noch mehr. Das heißt, auch in diesem Bereich muss man überlegen: Was passiert hier eigentlich? Wir haben hier zwar noch viele Mieter, mehr als in anderen Ländern, das würde aber für die Spekulation ganz wenig ausmachen.

Wenn die Blase jetzt wirklich in vier Jahren platzen würde: Welche Auswirkungen hätte das auf die deutsche Bankenlandschaft?

Hansmann: Das hätte gravierende Folgen. Die Banken würden das, was sie an Krediten vergeben haben, durch Zwangsverkäufe von insolventen Häusereigentümern wohl nicht mehr reinbekommen. Das heißt, die Banken müssten Abschreibungen tätigen. Das haben wir in der Finanzkrise gehabt mit den aus Amerika kommenden verbrieften Forderungen. Das waren ja auch alles Hypothekenforderungen. Das könnte wieder so kommen, dass die Banken enormen Abschreibungsbedarf haben. Ob sie den dann aus eigener Kraft decken können, ist zweifelhaft. Zwar ist nach der Finanzkrise die Kernkapitalquote bei allen Banken größer geworden. Das heißt, sie haben mehr Eigenkapital und könnten so etwas wohl eher schultern. Aber ich vermute, nicht genug.

Jetzt soll die Bafin mit umfangreichen Mitteln ausgestattet werden, um im Notfall schnell einschreiten zu können. Was halten Sie vom Gesetzentwurf der Bundesregierung?

Hansmann: Das ist genau richtig. Das hatte ich schon vor einem Jahr in einem Vortrag erwähnt, da gab es den Gesetzentwurf noch gar nicht. Die Bafin ist die einzige Institution, die aufpassen kann, dass wir die Immobilienblase möglichst leicht entlüften. So kann man den Banken sagen: Leute, ihr macht zu hohe Fremdkapitalquoten! Alles, was über 70 Prozent Fremdkapital geht, ist ungesund. Das kann in dem Moment, indem sich irgendwas am Einkommen der Schuldner ändert, kaputtgehen. Also meine Version war immer: Man muss mindestens ein Drittel Eigenkapital haben, was im Umkehrschluss ein Fremdkapital von nicht mehr als 67 Prozent bedeutet. Das steht jetzt so nicht explizit im Gesetzentwurf, geht aber in die richtige Richtung.

Wie kann die Bafin die Blase noch "entlüften"?

Hansmann: Sie muss sicherstellen, dass die Tilgungszeiten wesentlich kürzer werden und damit die Tilgungsraten höher. Wenn heute immer noch mit zwei Prozent getilgt wird, dauert das manchmal bis zu 20 Jahre. Und wenn nach zehn Jahren eine Zinsänderung kommt, ist noch ein größerer Teil des Kredites offen. Dann können Kreditnehmer in Schwierigkeiten kommen. Das heißt, die Banken sollten darauf achten, dass die Tilgungsraten auf jeden Fall höher als zwei Prozent werden. Drei bis vier Prozent wären schon in Ordnung, weil man dann in 15 Jahren einen großen Teil des Kredits bereits getilgt hat. Eine höhere Tilgung würde auch die Nachfrage und damit die Immobilienpreise dämpfen.

Was ist Ihr Rat an junge Familien, wenn sie den Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen wollen. Worauf sollten sie achten?

Hansmann: Es kommt darauf an, wo man sein Eigentum plant. Denn in Großstädten, Metropolen und Universitätsstädten würde ich eindeutig sagen: Leute, wartet noch ein bisschen! Gerade wer jung ist, hat ja noch Zeit. Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass die Blase platzt wie in Spanien und dann der Wert einer Immobilie um die Hälfte sinkt - das wäre der katastrophale Zustand -, sondern dass die Preise erst mal Halt machen und dann etwas zurückgehen. Dann können Immobilienkäufer noch eine bessere Einstiegsmöglichkeit finden. Das ist fast wie bei Aktien: Am höchsten Stand sollte man nie einsteigen. Wenn die Kurse runtergegangen sind, hat man größere Chancen auf eine angemessene Rendite.

Baugeld-Vergleich: Verschaffen Sie sich einen Überblick über die aktuellen Baugeldkonditionen überregionaler und regionaler Anbieter." class="more" domain="www.donaukurier.de"%>