Internethandel - Sind Onlinehändler demnächst gläsern?

15.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:43 Uhr

Ein demnächst anlaufendes Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof könnte Online-Verkäufern Ungemach bereiten. Sie sollten schon jetzt prüfen, ob sie in eine Steuerfalle laufen – denn demnächst werden sie womöglich dem Finanzamt gegenüber gläsern.

Der BFH wird darüber entscheiden müssen, ob die Finanzämter per Sammelauskunftsersuchen an Online-Handelsplattformen auf einen Schlag Daten aller Händler anfordern dürfen. In erster Instanz schob das Finanzgericht Niedersachsen dem zwar einen Riegel vor (Az. 5 K 397/10). Doch das Risiko ist hoch.

Im Visier: Alle, die über 17.500 Euro erwirtschafteten

In dem vom Finanzgericht Niedersachsen beurteilten Fall hatte ein Finanzamt von Amazon per Sammelauskunftsersuchen die Daten aller Händler eingefordert, die über Amazon Marketplace Waren verkaufen und damit Jahresumsätze über der Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro erwirtschaftet hatten. Das Finanzamt hatte eine detaillierte Auflistung aller Kauf- und Abrechnungsvorgänge gefordert, darunter die Art der verkauften Gegenstände, die monatlichen Umsätze und Gesamteinnahmen, eine Aufstellung der Zuschüsse und Gebühren von Amazon und die den Händlern letztlich von Amazon gutgeschriebenen Beträge. Amazon wehrte sich gerichtlich gegen die Finanzbehörde, um klären zu lassen, ob die Steuerfahndung ein Recht auf die Daten habe und wenn ja, auf welche.

In erster Instanz stuften die Richter das Sammelauskunftsersuchen als unzulässig ein. Allerdings verweigerten sie der Behörde vor allem mit der Begründung den Zugriff, dass die Händlerdaten nicht in Deutschland liegen, sondern bei der Amazon-Konzernmutter in Luxemburg.

Die Grundsatzfrage wird nun der Bundesfinanzhof in oberster Instanz beurteilen müssen: Ob die Sammelauskunftsersuchen des Finanzamts grundsätzlich zulässig sind und welche Daten der Fiskus sich auf diesem Weg verschaffen darf. Das Verfahren birgt immense Risiken für zehntausende gewerbliche und private Händler, die über Amazon Marketplace, aber auch über Ebay oder andere Handelsplattformen im Internet Waren verkaufen.

Einzelauskunftsersuchen bereits jetzt möglich


Schon jetzt kann das Finanzamt Einzelauskunftsersuchen einholen, wenn es einen Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung hegt. Wie hoch das Risiko für private Onlineverkäufer ist, zeigt ein früherer Fall vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg. In dem Fall hatte ein Ehepaar innerhalb von etwa dreieinhalb Jahren auf Ebay mehr als 1.200 Gebrauchsgegenstände verkauft, vor allem alte Spielzeugpuppen, Füllfederhalter, diverses Porzellan und ähnliche Dinge und damit zwischen 20.000 und 30.000 Euro jährlich eingenommen. Weil die Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro überschritten war, forderte das Finanzamt tausende Euro Umsatzsteuer nach.

Das Ehepaar wehrte sich dagegen und erklärte, es habe ausschließlich zuvor selbst aus einer Sammlerleidenschaft heraus angesammelte Gegenstände verkauft, die sie ohne Wiederverkaufsabsicht über einen langen Zeitraum hinweg gekauft und gesammelt hätte. Die Verkäufe seien stets als privat deklariert gewesen. Doch die Richter stuften das Paar als Unternehmer ein. Die Ebay-Auktionen seien mit erheblicher Intensität betrieben worden und haben einen nicht unerheblichen Organisationsaufwand erfordert, erklärten sie in der Urteilsbegründung. Darauf, dass ihr Auftreten nicht dem eines klassischen, gewerblichen Händlers entsprochen habe, komme es nicht entscheidend an, hielten die Richter fest (Az. 1 K 3016/08).
Neben ausstehender Umsatzsteuer kann das Finanzamt auch bei niedrigeren Umsätzen von einkommensteuerpflichtigen Einnahmen ausgehen – und hierfür Steuern nachfordern. Diese Gefahr laufen private Händler nach Ansicht von Experten bereits, wenn sie monatlich rund 20 Verkaufstransaktionen abwickeln. Wer Umsätze ab 17.500 Euro jährlich einnimmt, ist dann zusätzlich umsatzsteuerpflichtig.