Treuchtlingen
Inklusionssong mit Hitpotenzial

"Du g'hörst dazu": Regens-Wagner-Haus in Treuchtlingen produzierte ein professionelles Musikvideo

31.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:20 Uhr
Beim Dreh zum Video wirkten auch Bewohner des Regens-Wagner-Hauses aktiv mit. −Foto: Screenshot

Treuchtlingen/Dollnstein (max) "Du g'hörst dazu - gibt es ein besseres Motto?" Huber Soyer, Regens-Wagner-Gesamtleiter der Förderstätte in Treuchtlingen, stellte die Frage in den Raum, als er die Gäste mit einem Augenzwinkern zur Uraufführung eines besonderen Projektes begrüßte: ein Inklusionsprojekt. Oder soll man doch besser von einem Integrationsprojekt sprechen?

Der wissenschaftliche Diskurs um die beiden Begriffe präsentiert sich bunt und kontrovers; er gleicht einer babylonischen Sprachverwirrung. Doch Soyer hat dazu seine eigene Philosophie: "Wenn man sich zugehörig fühlt, brauchen wir diese ganzen Begriffe nicht, dann ist man aufgenommen, dann ist man aktiv, dann wird man gefragt - und genau das ist passiert mit diesem Projekt."
An einem Ort, wo sich Menschen nach einem Schädel-Hirn-Trauma erholen, ist im vergangenen Jahr ein Musikvideo des Treuchtlinger Regens-Wagner-Hauses entstanden, das seinesgleichen sucht. In Kooperation mit dem Rotary Club Weißenburg, dem Lions Club Altmühltal, der Kultband "Haindling" und Starregisseur Julian Benedikt haben die Bewohner des Regens-Wagner-Hauses ein professionelles Musikvideo aufgenommen.

Motor, Komponist, Arrangeur, aber auch Interpret des "Du g'hörst dazu"-Songs war der Dollnsteiner Manfred Rehm, der die Wohngruppe seit ihrer Gründung im Jahr 2011 leitet. Neben dem Musiktherapeuten und den Bewohnern wirkte auch noch Kerstin Schulz, Radio-IN-Moderatorin, mit. Beide kennen sich seit Studienzeiten. Entstanden ist die Idee bei Manfred Rehm am Frühstückstisch. "Da habe ich gespürt: Der Gedanke an das Zusammengehören hat ein Anliegen. Es ist ein globales Thema."
Im Lied, das im Dialekt getextet ist, geht es darum, wie Menschen miteinander umgehen. Manfred Rehm verarbeitet dabei auch private Erlebnisse. "Ich hatte beim Text vor allem Menschen mit Behinderung und aus anderen Ländern im Sinn, aber auch meine eigene Mutter, die in Bayern nach ihrer Vertreibung ihre neue Heimat fand", erklärt Rehm.
Alle fragen sich: "Bist du dahoam oder fühlst du di fremd hier? Ghör i dazu? Ghörst du dazu? Ghörn die dazu?" Weiter heißt es im Refrain "Bin i normal oder vielleicht spinn i? Geht's ma guat oder fühl i mi schlecht?" Am Ende wird eine Handlungsmaxime angeboten: "Dazug'hörn hoaßt, a jeda ko anders sei, und so wia er is, haltst Du ihn aus."

Zum Hintergrund der Video-Premiere ein Rückblick: Am 20. November 2017 verwandelte sich der Musiktherapieraum der Regens-Wagner-Wohngruppe für Menschen nach Schädel-Hirn-Trauma (SHT) in Treuchtlingen - dank mobiler Aufnahmetechnik - kurzerhand in ein Tonstudio. An den Mischpult-/Laptop-Reglern saß dabei niemand Geringerer als Haindling-Keyboarder Michael Ruff, Musiker, Komponist, Arrangeur und Produzent. Er stand schon mit Größen wie Falko, Chaka Khan und den Weather Girls live auf der Bühne und zeichnet für zahlreiche erfolgreiche Musikproduktionen verantwortlich.
Ruff kennt die Einrichtung seit einem gemeinsamen Auftritt für Bewohner von Regens-Wagner Absberg in Gunzenhausen 2015. "Die ungehemmte, ehrliche Freude und Begeisterung der Menschen mit Behinderung hat mich, hat uns alle in der Band tief beeindruckt. Als mich Manfred Rehm ansprach, ob ich bei einer Audioproduktion für Regens Wagner dabei wäre, habe ich sofort zugesagt", so der Vollblutmusiker. Abgemischt wurde der Song im Münchner "Rufftone Studio", während parallel die Idee reifte, den Song als Video umzusetzen. Schnell konnten der Rotary Club Weißenburg und der Lions Club Altmühltal als Sponsoren aquiriert werden, ebenso eine Produktionsfirma: Dominik Förster, Videoeditor und Produzent bei milos (Remlingen), verfügt über 15 Jahre Erfahrung in seinem Metier. Förster arbeitete bereit für MTV Networks, VIVA und Sky Deutschland.Für den Dreh engagierte er den preisgekrönten Regisseur und Fotografen Julian Benedikt aus München. Förster kannte Benedikt aus vergangenen Produktionen.
"Ja, ich bin behindert, und da brauche ich auch nicht drum herumzureden und einen anderen Begriff dafür verwenden", wirft David Steinbühl ein, der im Film mitwirkt. Er wurde 2004 das Opfer eines fremdverschuldeten Verkehrsunfalles, bei dem ein befreundetes Paar ums Leben kam und er nach drei Wochen Koma schwerbehindert überlebte. Seine Situation veränderte sich nach mehreren Jahren Pflege und Betreuung so positiv, dass er wieder in der Lage ist, einigermaßen normal zu leben. Die Urfassung des Songs wurde in den Musiktherapiegruppen gemeinsam gesungen und diskutiert. Anregungen und Wünsche von den Teilnehmern flossen in den Text mit ein. Dann wurde der Song bei einem Live-Konzert unter dem Motto "Songs für alle" aufgeführt. Am 20. August war Drehtag für die Außenaufnahmen - am Brunnen in der Treuchtlinger Innenstadt und im Kurpark.
Was aus dem Song und dem Video wird, hängt nun von der Verbreitung und den Hörern und Zuschauern ab. Julian Benedikt bescheinigt dem Song Hitpotenzial. Das Video kann auf dem YouTube-Kanal von Regens Wagner unter https://youtu.be/dWz6M7WAyV8 angeschaut und verlinkt werden.