Ingolstadt
Ingolstädter Donaustraße: Das Erhard-Haus wird aufgebrezelt

100 Jahre war es der Stammsitz des Familienbetriebs

15.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:56 Uhr
Bald beginnt die Sanierung: Wolfgang Erhard (r.) hat das Haus in der Donaustraße 15 an Helmut Grabmann verkauft. −Foto: Schattenhofer

Ingolstadt - Es fiel ihm schwer, ausgerechnet dieses Haus zu verkaufen - seit mehr als 100 Jahren Stammsitz des Familienbetriebs, der Ort, wo er aufgewachsen ist. Aber es erschien ihm doch zu riskant, selber so eine millionenschwere Sanierung zu stemmen. Und so hat sich Wolfgang Erhard schweren Herzens von dem Wohn- und Geschäftshaus in der Donaustraße 15 getrennt. Der 55-Jährige hat das Denkmalobjekt in die Hände von Projektentwickler Helmut Grabmann gelegt, der schon fast 40 Altstadthäuser aufpoliert hat. Baubeginn ist im Oktober, dann schließt die Erhard-Filiale für voraussichtlich eineinhalb Jahre.

Die Lage zwischen Donau und Altstadt spricht für sich: Das großzügige Gebäude, ein Traufseitbau, liegt auf dem Weg über die Adenauerbrücke ins Zentrum quasi direkt an der Einflugschneise. Zu Fuß, auf dem Fahrrad, im Auto oder Bus - täglich strömen hier Tausende Menschen vorbei auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule, für Einkäufe oder andere Erledigungen.

Die Geschichte des Hauses reicht weit zurück: Im Sandtner-Modell (1572/73) ist ein zweigeschossiges Giebelhaus überliefert. Über den mittelalterlichen Kellern ließ der Sohn des "Modlbauern", Josef Zinsmeister, im Jahr 1864 das bis heute erhaltene Wohnhaus errichten, wie im Ingolstädter Denkmalatlas nachzulesen ist. Laut der Quellen ist 1762 der Metzger Georg Weigl nachweisbar, später Landwirte. 1887 betrieb Johann Herrle im Vorderhaus die Gastwirtschaft "Zur Rose" und ließ 1908 das Rückgebäude zum ersten Ingolstädter Lichtspielhaus umbauen: das "Central-Theater" bestand bis 1917.

Wolfgang Erhards Urgroßvater, der Bäckermeister Karl Erhard, zuvor Inhaber einer Prachtbäckerei in München- Schwabing, erwarb 1893 das Haus in direkter Nachbarschaft Am Bachl 2/3 und eröffnete dort eine Bäckerei mit Mehlhandlung. 1916 tauschte er sein Gebäude gegen das in der Donaustraße 15 und errichtete dort ein Ladengeschäft, das 1918 eröffnete. Eine Lage mit viel Laufkundschaft - die Pferdebahn fuhr direkt vorbei.

1930 übernahmen die Großeltern Karl und Antonie Erhard das Geschäft und modernisierten. Wolfgang Erhards Mutter, heute 87 Jahre alt, fing in dem Betrieb als 15-Jährige eine Lehre zur Bäckereiverkäuferin an: Sie und der Sohn des Chefs wurden ein Paar und führten das Geschäft ab 1964. Die alte Dame lebte noch bis 2019 als einzige in dem Haus, dann schaffte sie es nicht mehr die Treppen hinauf und zog aus. Damit standen die oberen Stockwerke leer und ihr Sohn Wolfgang, seit 1993 Chef des Familienunternehmens, vor der schweren Entscheidung, wie es mit dem Gebäude weitergehen solle. Seine Wahl fiel auf den Projektentwickler Grabmann: "Der ist bekannt für seine soliden und sensiblen Altbausanierungen. Der Verkauf stand unter der Prämisse, dass wir in unserem Stammhaus nach der Sanierung wieder eine Filiale eröffnen. Denn in die Donaustraße kommen die meisten Stammkunden", so Erhard.

Ende September heißt es also erst einmal Abschied nehmen, denn dann beginnt der Umbau. Grabmann und seine Partner von der IV-D2 GmbH (Pullach) sanieren das historische Gebäude mit seiner markanten Fassade. Sie wird in Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt überarbeitet und aufbereitet - samt Marienbild. Im Erdgeschoss weichen die überdimensionierten Schaufensterflächen einer Ladenfront mit Putzergänzungen gemäß dem Bestand. Dort entstehen zwei Gewerbeeinheiten: die Erhard-Filiale im neuen Look (angelehnt an die Meisterei in der Haunwöhrer Straße) mit Tischen im Innenhof und ein kleiner Thai-Imbiss sowie im hinteren Bereich ein winziges Appartment. In den Stockwerken darüber neun Eigentumswohnungen. "Bis auf die zwei Dachgeschoss-Wohnungen ist schon alles reserviert", so Grabmann. Der Quadratmeterpreis liegt bei 6500 Euro.

Ergänzend dazu wird Am Bachl ein Neubau mit acht Wohnungen errichtet. Ursprünglich hatten die Planer ein Flachdach vorgesehen, das Raum für zwei weitere Wohnungen geschaffen hätte. "Aber da hat der Gestaltungsbeirat sein Veto eingelegt und ein Satteldach gefordert", sagt Grabmann.

Der umtriebige Projektentwickler hat natürlich auch ein Auge auf den benachbarten Leerstand geworfen. "Wir haben dem Besitzer unsere Unterstützung angeboten, aber er ist noch in der Findung und will nicht verkaufen", sagt Grabmann, der sich am liebsten auch gleich den Grünen Baum vornehmen würde - seit Jahrzehnten ein Schandfleck in der Donaustraße.

Wolfgang Erhard hatte zunächst geplant, während der Sanierung einen Verkaufsstand zu errichten. Doch wegen der schwierigen Baustelleneinrichtung sei das nicht möglich gewesen. Die feinen Lebkuchen gibt es trotzdem - nur einen Katzensprung entfernt: Wenn die Eismacher in der Steuartstraße Winterpause machen, zieht ab Oktober übergangsweise das Blumengeschäft Keimling in den Laden und verkauft die Erhard-Spezialität.

DK


Suzanne Schattenhofer