Ingolstadt
Ingolstädter Alpenvereinssektionen wollen bis 2028 klimaneutral sein

Sektionen mit zusammen 10000 Mitgliedern gehen massiv das Thema Nachhaltigkeit an

22.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:55 Uhr
Schwieriges Terrain: Nachhaltiges Wirtschaften ist besonders auf den Alpenvereinshütten gefragt. Hier erklärt Hüttenwirt Manfred Gruber den Ingolstädter und Ringseer Alpinisten die Wasserversorgung des Riemannhauses. Unten sind die Batterien für die Stromversorgung zu sehen, die aber bald ausgetauscht werden müssen. −Foto: Rehberger

Ingolstadt - "Die Zeit des Zauderns ist vorbei, wir müssen handeln. Jetzt!" Diesen Appell sendete die Hauptversammlung des Deutschen Alpenvereins im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit. Gepaart mit einer Selbstverpflichtung, das Thema Nachhaltigkeit auch in den eigenen Reihen anzugehen. An der Umsetzung sitzen die einzelnen Sektion gerade, auch die Alpinisten der Ingolstädter und Ringseer Organisationseinheiten, die - zwar eigenständig, aber über ein spezielles Kooperationsabkommen verbunden - insgesamt mehr als 10000 Bergsportfreunde in der Region vereinen.

Bei der gemeinsamen Vorstandssitzung oben auf dem Riemannhaus in den Alpen nahmen die Sektionen jetzt einen großen Schritt: Wie Franz Mayr (Ingolstadt) und Hanno Krämer (Ringsee) mit ihren Führungsteams festlegten, wird ein Nachhaltigkeitsreferent benannt, der alles andere als ein Unbekannter in der Bergsportszene ist: der langjährige Ringseer Sektionschef Stefan Moser. Das erklärte Ziel ist, wie vom Hauptverein in Aussicht gestellt, bis spätestens 2028 ein klimaneutraler Bergsportverein zu sein. "Gerne auch ein bisschen früher", sagte Moser. Wobei Sektionschef Krämer ergänzte: "Jetzt legt euch mal nicht auf eine Zahl fest, wenn ihr noch nicht wisst, wo ihr steht."

Bis Ende des Jahres wird eine Arbeitsgruppe "Umweltschutzkonzept Ingolstadt" mit bis zu zehn Mitgliedern aus beiden Sektionen einberufen. Bis Ende 2021 wird die CO2-Bilanzierung der Einrichtungen und Aktivitäten der beiden Sektionen erstellt. Wobei die Ingolstädter/Ringseer gerne die (finanzielle) Unterstützung des Hauptverbandes nutzen würden. Zehn bis 20 Modellregionen zur Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes soll es im DAV geben. Ingolstadt hebt den Finger und möchte ein Standort sein: Einen entsprechenden Antrag soll Moser ausarbeiten und einreichen. "Wenn man es in Ingolstadt schafft, die Vorbehalte auszuräumen - bei den vielen Dienstwagen mit Tankkarten", nannte der Nachhaltigkeitsreferent als ein Beispiel.

Der Modellstandort Ingolstadt möchte sich mit dem automobilen Hintergrund auch bewusst im DAV-Feld positionieren. "Damit nicht nur Öko-Sektionen, die viel auf Verbote setzen würden, vertreten sind", sagte der Ringseer Vorstand Krämer. "Es braucht mit Augenmaß vorgetragene Vorschläge"- mit Innovationen und Fortschritt gegen eine reine Verbotskultur agieren. Man müsse tatsächlich im Sinne der Mitglieder "ideologiefrei" sein - was die gemeinsame Vorstandsrunde beider Sektionen abnickte. "Wir wollen weiter in die Berge..." Wenn die CO2-Bilanz einmal steht, geht es an die Umsetzung. Der Leitgedanke des Konzepts wird sein: "vermeiden vor reduzieren vor kompensieren." Man werde und müsse nicht in Aktionismus verfallen, wenn die Handlungsfelder einmal definiert seien, aber schon konsequent die Pläne umsetzen: "Wenn die Ölheizung im Kletterzentrum irgendwann einmal verreckt, dann werden wir die sicherlich nicht eins zu eins ersetzen", so Moser. Dann werde eine klimafreundlichere Variante gewählt. Ebenso beim Foliendach der Kletterhalle auf dem Weinzierlgelände, das in den kommenden Jahren zur Reparatur ansteht. Auch hier müsse natürlich an Photovoltaik gedacht werden. LED-Lampen werden schon bald eingebaut. Vielleicht könne man das gesamte Alpenvereinszentrum dort auch zu einem "Überschussgebäude" ausbauen, um andere Aktivitäten zu kompensieren. Moser: "Wir werden sicherlich keine CO2-Zertifikate für den brasilianischen Regenwald kaufen. Besser wäre es, wenn der Alpenverein Waldbesitzer wird. Warum nicht?"

Diese Idee könnte etwa auf dem Weinzerlgelände an der Donau, dessen geplante Umgestaltung in der Kommunalpolitik diskutiert wird, tatsächlich umgesetzt werden. Die DAV-Sektionen möchten hier vor ihrer Haustür dringend selbst mitgestalten.

Aber auch in den Bergen gibt es genügend zu tun: Die Sektion Ingolstadt besitzt die beiden großen Berghütten im Steinernen Meer. Wie berichtet, steht am Riemannhaus ein umfassender Umbau an. Auf Sicht wären "die CO2-neutralen, nachhaltigen Hütten" als Slogan eine tolle Werbung, finden die Bergfreunde. Der Weg dahin ist aber weit.

"Wir brauchen Unterstützung durch den Hauptverein", sagt Wolfgang Engler, der Schatzmeister der Sektion Ingolstadt; auch finanzieller Art natürlich. Ab 2021 wird bei allen Sektionen ein Klimabeitrag von einem Euro pro Vollmitglied in einen Fonds einbezahlt. Innerhalb von drei Jahren sollen mehr als drei Millionen Euro zusammenkommen, die für Klimamaßnahmen vom DAV-Hauptverband wieder ausgeschüttet werden.

Klar ist den Ingolstädtern/Ringseern, dass man nur die Vereinsangebote abdecken könne - also die von den Sektionen organisierten Reisen einrechnen. Bei privaten Fahrten von Mitgliedern in die Berge solle an den gesunden Menschenverstand appelliert werden: vermehrt Fahrgemeinschaften bilden.

Letztlich gelte der Grundgedanke: "Wenn wir als Naturschutzverband anerkannt werden wollen, müssen wir erst im eigenen Laden aufräumen, bevor wir was von anderen verlangen können."

DK