stadtgeflüster
Ingolstadt grüßt Tokio

12.04.2021 | Stand 10.06.2021, 3:34 Uhr

Dass auch in der Megacity Tokio über die sterbende Innenstadt, eine wachsende Leerstandsquote und den Niedergang des mittelständischen Einzelhandels geklagt würde, hat man bisher noch nicht gehört.

Zugegeben, wir sind mit den aktuellen Grundsatzfragen und Herausforderungen japanischer Urbanität nicht besonders vertraut. Und langjähriger Kunde eines fernöstlichen Autoherstellers zu sein wie der Schreiber dieses Textes, hilft hier auch nicht viel weiter. Tokio und - nicht ganz so mega - Ingolstadt vereint jedenfalls ein beklagenswertes Schicksal: Da bereitet man sich jahrelang auf ein Großereignis vor, gibt einen Haufen Geld dafür aus und wirbt um den Besuch eines Millionenpublikums - und dann kommt plötzlich die Spaßverderberseuche Corona um die Ecke.
So ist guter Rat teuer im Planungsstab der Landesgartenschau Ingolstadt, die in wenigen Tagen starten soll. Noch viel teurer natürlich bei den IOC-Granden, die ihre Luxussuiten in Tokioter Hotels mit Fernsehlizenzen irgendwie gegenfinanzieren müssen. Wenn Präsident Thomas Bach (67) die sogenannte Jugend der Welt zu einträglichen Leibesübungen bei Olympia ruft, kennt er kein Pardon. Der ehemalige Florettfechter macht den Japanern olympisches Feuer unterm Hintern, ob die mögen oder nicht. Dabei ist ja noch nicht einmal sicher, ob die Hochrisikogruppe der gedopten Sprinter die Vakzine von Astrazeneca, Biontech oder Sputnik am besten verträgt.
Gegen die hoch ansteckende Stimmung der ersten Ingolstädter Landesgartenschau blieb 1992 kaum jemand immun. Die 2,2 Millionen Besucher dieses Schanzer Sommermärchens im Klenzepark übertrafen alle Prognosen. Doch während bei der bevorstehenden zweiten Auflage zwischen GVZ und Westpark die Ärzte und Virologen das Regelwerk für die Gartenfreunde vorgeben, tobten damals im Vorfeld des Blumenfestivals erbitterte Grabenkämpfe um die einzig richtige Neugestaltung des Donauufers. Stadtdirektor Hans Meier könnte davon ein politisch Lied, ein garstig Lied singen, wenn er wollte. Er löste im März 1991 den Gartenschau-Geschäftsführer Siegfried Bauer ab, der dem öffentlichen Trommelfeuer zum Opfer gefallen war. Harmonie und Heiterkeit im Klenzepark mussten noch eine Weile warten.

rh