Schrobenhausen
Informationen über die Feindsender

15.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:56 Uhr

Flugblätter wie diese erreichten die Menschen in den letzten Kriegsjahren. - Foto: Archiv Rödig

Schrobenhausen (SZ) Im Sommer 1944 fanden meine Angehörigen bei der Grummeternte ein kleines Flugblatt, das offensichtlich von den Amerikanern abgeworfen worden war. Es enthielt genaue Angaben über die riesige Zahl der bei der kurz zuvor stattgefundenen Invasion eingesetzten Flugzeuge, Schiffe, Panzer usw. Die Kriegslage wurde als hoffnungslos dargestellt und man forderte zum Widerstand gegen Hitler auf. Ich las das Flugblatt natürlich auch und brachte es am nächsten Tag in die Schule mit. Dort wurde es dann mit einem entsprechenden Bericht in die Edelshausener Schulchronik geheftet und ist heute noch dort vorhanden.

Sehr gesuchte Sammelobjekte waren für uns Schüler Geschosshülsen, die während der Luftkämpfe von den Bordwaffen ausgestoßen wurden und zu Boden fielen. Wir kannten damals schon genau den Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Hülsen. Erstere hatten ein größeres Kaliber, waren aus Stahl und in einem grünlich-braunen Farbton lackiert, Letztere hatten ein kleineres Kaliber und waren aus Messing hergestellt. Manchmal fand man die von einem Feuerstoß stammenden Hülsen nur mehrere Meter auseinander in einer Reihe liegend mit den dazu gehörigen Gurtgliedern.

 
Während des Krieges war ja das Abhören von ausländischen Sendern, so genannter "Feindsender", strengstens untersagt und strafbar. Trotzdem haben wir mit unserem Radiogerät regelmäßig, besonders ab 1944, solche verbotenen Sender, wie etwa Radio Beromünster, BBC London, Soldatensender Calais, Radio Moskau usw., gehört. Wir besaßen sogar ein französisches Fabrikat, das mein Bruder Georg als Soldat in einem Pariser Radiogeschäft gekauft und sogar ein "magisches Auge" zur genaueren Sendereinstellung hatte. Ich kann mich auch noch gut an den immer wiederholten Satz von Radio Moskau erinnern: "Jede Sekunde stirbt ein deutscher Soldat. Stalingrad, Massengrab." Später stellte ich dann fest, dass die Informationen natürlich auch Propaganda waren und oft nicht stimmten oder übertrieben wurden. Häufig verlas man auch die Namen deutscher Kriegsgefangener.

Einer der Sender schloss jeden Abend mit einem Lied, dessen Refrain lautete: "In der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehn." Diese Melodie pfiff der jüngste Sohn des Nachbarn, der ein Jahr jünger als ich war, auf der Straße. Ein Eingeweihter wusste so natürlich sofort, dass in dessen Familie ausländische Sender gehört wurden. Deshalb wagte ich es nicht, ihn zu fragen, woher er dieses Lied kennt, denn dann hätte er ja gefährliche Rückschlüsse ziehen können. Durch solche Unvorsichtigkeiten konnte man leicht in höchste Gefahr geraten.

Bei drohenden Luftangriffen wurde das reguläre Programm der deutschen Sender eingestellt und stattdessen die Position der anfliegenden Feindverbände durchgegeben, gegebenenfalls auch Luftwarnung und Luftalarm. In den letzten Kriegswochen meldete sich auch der "Deutsche Wehrwolf"-Sender, der zum Widerstand gegen den Feind auch in den schon besetzten Gebieten aufrief. Ich kann mich an eine tagelang wiederholte Durchsage erinnern: "Wir suchen Frau Annemarie Beer (oder Vier). Die Bedeutung dieses Codes war natürlich unbekannt.

Am Tage des Einmarsches der Amerikaner, es war der 28. April 1945, hörten wir von einem Umsturzversuch, der über den "Freiheitssender Bayern" bekannt gegeben wurde, sowie von der alsbaldigen Niederschlagung dieses Putsches. Dann hatte das Radiogerät fürs Erste ausgedient und wurde für einige Wochen versteckt, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte. Radio hören war jetzt endlich wieder zum harmlosen Vergnügen geworden. ? Ende