Eichstätt
Inbegriff mittelalterlicher Romantik im Herzen der Stadt

22.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:53 Uhr

Es ist eines der bekanntesten Bildmotive Eichstätts, ja geradezu ein Malerwinkel: der alte Stufenanstieg und das spitzbogig-gotische Portal mit seinem altgedienten Türblatt zum "Paradeis". Ein Ort, der insbesondere im Sommer rosenumrankt zum Inbegriff mittelalterlicher Romantik wird.

Das Portal eröffnet den Zugang zum Haus Brodhausgasse 1, das mit seinem ebenfalls bis auf das 14. Jahrhundert zurückgehenden Nachbarhaus Marktplatz 9 sowie dem nach Westen anschließenden, jüngst renovierten Gebäude Pfahlstraße 18 zu einer Einheit verschmolzen zu sein scheint.

Die Gebäude bilden vor dem Portal der ehemaligen Stadtpfarrkirche "Zu unserer Lieben Frau" einen kleinen Platzraum, der schon früh den auf die ganze Häusergruppe bezogenen Namen "Paradeisgasse" oder "Pardeys" trug.

In der mittelalterlichen Architektur bezeichnet "Paradies" unter anderem den mit Mauern und einem Säulengang umfriedeten Vorhof von Gotteshäusern. Nicht selten waren derartige Vorplätze mit einem Brunnen sowie Pflanzen gestaltet, um an den Garten des Paradieses zu erinnern. Auch gehörte das "Paradeis" im Regelfall zum Friedensbereich einer Kirche, wo zum Beispiel Flüchtende mit Erreichen des Paradieses Asyl fanden. Vielleicht spielte auch die Vorstellung mit, die Vorhalle beziehungsweise der Vorplatz der Kirche sei eine Art irdischer Vorgriff auf das himmlische Paradies.

Während sich bei Brodhausgasse 1 sowohl Fassade als auch Inneneinrichtung als beeindruckendes Beispiel für gehobene mittelalterliche Architektur und Wohnkultur erhalten haben, wurden die Außenfassaden und teilweise Innenräume von Marktplatz 9 barockisiert. Magdalena Schick konnte die Besitz- und Bewohnerchronologie von Brodhausgasse 1 bis in das 15. Jahrhundert, die von Marktplatz 9 sogar bis Mitte des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. Die Besitzer von letzterem scheinen meist der Eichstätter Oberschicht angehört zu haben. So war etwa seit 1763 Eigentümer der Bürgermeister, Handelsmann und Bortenwirker Franz Anton Österreicher, der hier einen Laden betrieb.

Der mittelalterliche Gebäudekomplex der drei Paradeishäuser gehört zu den größten architektonischen wie kulturhistorischen Kostbarkeiten Eichstätts - und wie froh wären wir, in nicht allzu ferner Zeit auch kulinarisch wieder einen Fuß ins "Paradeis" setzen zu dürfen. ‹ŒClaudia Grund