In Quarantäne vergessen?

Betroffene harren nach Corona-Tests wochenlang aus - Arzt soll trotz Kontakt mit Infiziertem weiterarbeiten

07.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:35 Uhr
Wie geht der Test aus? Nachdem die Proben im Labor auf eine mögliche Corona-Infektion hin untersucht worden sind, müssen manche Betroffene lange auf das Ergebnis warten. −Foto: Hoppe, dpa

Ingolstadt - In Zeiten von Corona ist Geduld angesagt. Das gilt für alle, wenn es um die bis 19. April geltenden Ausgangsbeschränkungen geht, aber besonders für Verdachtsfälle. Wer auf eine Infektion mit dem Virus getestet und in Quarantäne geschickt wird, wartete zuletzt aber mitunter zwei Wochen und länger auf das Ergebnis, einige auch vergeblich. Die Labore arbeiten auf Anschlag, und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) kommt kaum nach, die Befunde weiterzureichen.

 

Betroffen ist nicht nur Otto Normalverbraucher, selbst Ärzte erhalten manchmal nur sehr schleppend Gewissheit. Im Fall eines der Redaktion namentlich bekannten Mediziners aus einer Landgemeinde sieht das zuständige Gesundheitsamt offenbar auch kein Problem darin, wenn der Betroffene weiter (Risiko-) Patienten behandelt. Der Mann hatte nach eigenen Angaben Kontakt mit einem an Lungenentzündung erkrankten Patienten über 80 und ihn Ende März stationär ins Krankenhaus überwiesen. Dort stellte sich heraus, dass der Senior sich mit dem Corona-Virus infiziert hatte.

Das zuständige Gesundheitsamt informierte daraufhin den Hausarzt. Da er selbst keine Symptome hatte, empfahl die Behörde ihm am 1. April zwar einen Test, schränkte ihn aber ansonsten nicht weiter in seiner Arbeit ein, so die Schilderung des Mediziners. "Ich habe gedacht, das Ergebnis liegt in ein bis zwei Tage vor, so wie in meiner Praxis, wenn ich was wegschicke. Also habe ich danach nur noch telefonische Beratungen gemacht, Rezepte geschrieben und direkte Kontakte zu meinen Patienten vermieden, obwohl ich vom Gesundheitsamt aus voll hätte arbeiten dürfen", sagte der Praxisbetreiber gestern unserer Zeitung. Das Testergebnis hat er bis jetzt nicht vorliegen. Der Arzt kann nicht nachvollziehen, weshalb Abstriche von Beschäftigten im Gesundheitswesen nicht bevorzugt behandelt werden, wo doch jeder gebraucht werde. Er versteht auch nicht, wie das Gesundheitsamt ihn weiterarbeiten lässt. "Ich könnte ja symptomloser Träger des Virus sein."

Zwei andere Fälle aus Ingolstadt und dem Umland belegen, wie sehr das System am Limit arbeitet. So hatte sich eine 30-jährige Ingolstädterin - fast schon verzweifelt - an unsere Redaktion gewandt, weil sie nicht mehr weiter wusste. Sie war am 21. März auf eine Corona-Infektion getestet worden und wartete 17 (!) Tage in Quarantäne auf das Ergebnis. Zweieinhalb Wochen, in denen sie nicht einmal für einen Gang zum Einkaufen das Haus verlassen durfte - und sie hielt sich brav daran. Nachfragen bei der KVB brachten ihr nichts, der Vorgang sei noch offen, bekam sie nach eigenem Bekunden zu hören. Gleichzeitig erhielt sie die Aufforderung, daheim zu bleiben, andernfalls riskiere sie Strafen. Vorgestern schrieb die Frau in ihrer Not eine E-Mail an das Ingolstädter Gesundheitsamt. "Ich muss sagen, dort haben sie sofort reagiert. Ich habe einen Anruf bekommen, eine Ärztin hat mich zu meinem Zustand befragt und anschließend die Quarantäne aufgehoben. Mein Ergebnis habe ich aber immer noch nicht."

Ähnlich nervenzehrende Erfahrungen machte eine Familie aus dem Kreis Neuburg-Schrobenhausen. Die Mutter (48) und der Sohn (23) hatten schwere Symptome wie Atemprobleme und Husten. Am 20. März hatte die KVB sie getestet. Als nach elf Tagen keine Rückmeldung erfolgt war, habe sie beim Arzt, im Gesundheitsamt und bei der KVB nachgehakt. "Das Schlimme ist: Jeder sagt dir etwas anderes, am Schluss kennst du dich gar nicht mehr aus." Nach zwei Wochen in heimischer Klausur ging sie zurück in die Arbeit, aber das Ergebnis der Abstriche fehlt bis heute, 18 Tage später. "Wir verstehen, dass die Ämter sehr viel zu tun haben", sagte die 48-Jährige. Aber dass keine Rückmeldung erfolgt, sei unverantwortlich. Jeder in der Familie habe sein Telefon ständig mit sich getragen, doch es kam nichts,

Positive Befunde laufen über das jeweilige Gesundheitsamt, aber die machen nur rund neun Prozent der Tests aus. Die restlichen 91 Prozent - in Zahlen bedeutet das etwa 38000 Fälle - muss die KVB abarbeiten. Die Zeitangaben zur Mitteilung des negativen Ergebnisses könnten aber nur vage ausfallen, da es zahlreiche Unwägbarkeiten gibt, teilte KVB-Sprecher Axel Heise mit. Alle Prozesse seien "unter erheblichem Zeitdruck implementiert" worden, die Corona-Pandemie bedeute eine "singuläre Ausnahmesituation", umschrieb er die angespannte Lage.

"Manchmal liegt es auch daran, dass Nachrecherchen notwendig oder die Leute schlicht nicht erreichbar sind." Um den Informationsfluss zu beschleunigen, wolle man nun SMS verschicken. "Dazu brauchen wir aber die Handynummern der Betroffenen, die wir erst neuerdings mit erfassen."

DK