Neuburg
In Neuburg fühlen sie sich sicher

Flüchtlingskinder erzählen in der Maria-Ward-Realschule von ihrem Weg nach Deutschland

30.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Muffins und Mandarinen servierten Realschüler den Flüchtlingskindern. Die Paul-Winter-Schule will über die Vorweihnachtsfeier hinaus regelmäßige Aktivitäten mit Flüchtlingsfamilien anbieten. In der Unterkunft zur Erstaufnahme sind nahezu ausschließlich Familien untergebracht. - Foto: r

Neuburg (DK) Flammen schlagen aus einem Balkon. Kinder spielen auf zerbombten Straßen. Eindrucksvolle Bilder aus ihrer Heimat haben zwei syrische Flüchtlingskinder in die Maria-Ward-Realschule mitgebracht. Gestern erzählten sie den Schülerinnen von den Konflikten in ihrem ehemaligen Zuhause.

In der Pausenhalle ist es ganz still, als Lehrer Werner Lecheler zunächst nur die Bilder wirken lässt. Szenen aus belebten und bunten Innenstädten wechseln sich ab mit Zeugnissen von Zerstörung und Leid. Gebannt verfolgen die Schülerinnen aus den neunten Klassen die Bildershow. Schulleiter Heribert Kaiser ist im Sommer klar geworden, wie wenig die Jugendlichen über die Hintergründe der Flüchtlingsdebatte Bescheid wissen. Damals haben Schülerinnen ein Referat über das Thema gehalten. „Das war absolut eindimensional“, sagt Kaiser „es ging nur um die eigenen Nachteile, dass man dann vielleicht nicht mehr in die Turnhalle kann, obwohl man beim Sportverein Mitgliedsbeiträge zahlt“.

Über einen Dolmetscher, der auch in den Neuburger Unterkünften und Schulen aushilft, hat der Schulleiter jetzt zwei 13-jährige Jungen mit ihren Vätern eingeladen. Sie leben seit einem Jahr in Deutschland. „Wir sind von Libyen nach Italien mit einem kleinen Boot gefahren“, erzählt der 13-jährige Hamza Alabtah. „Wir hatten Glück, dass ein italienisches Schiff uns gefunden hat.“ Zusammen mit seiner Familie ist Alabtah später nach Neuburg gekommen. Inzwischen hat die Familie eine kleine Wohnung gefunden. Der 50-jährige Vater Khaled Alabtah hat in Syrien als Malermeister und Stuckateur gearbeitet. Wenn er gut genug deutsch gelernt hat, will er seinen Beruf hier weiter ausüben. Sein Sohn spricht nach einem Jahr und acht Monaten schon sehr gut deutsch. Die vielen Fragen der Schülerinnen beantworten er und ein weiterer 13-jähriger Junge souverän. Was sie vermissen? „Die Familie, die Wohnung, die Straße, wo ich gespielt habe.“ Ob sie Angst haben wegen der Anschläge in Paris? „In Paris waren es nur wenige Stunden und das war schlimm, aber in unserer Heimat waren es fünf Jahre.“ Ob sie sich in Deutschland jetzt sicher fühlen? „Ja, natürlich“, sagen die beiden Jungen und lachen. Sie besuchen inzwischen die Mittelschule. Die ersten Monate seien schwierig gewesen, erzählt Hamza Alabtah, aber jetzt habe er Freunde dort und verstehe auch mehr im Unterricht. Ihre Familien seien froh, hier zu sein, betonen die beiden Burschen. Dennoch, die Bedrohung ist noch gegenwärtig. „Wir rufen jeden Tag unsere Verwandten in Syrien an“, sagt Alabtah. Aus Angst, dass diese Familienmitglieder in Gefahr geraten könnten, wollen weder der andere syrische Vater mit seinem Sohn noch der Dolmetscher ihre Namen in der Zeitung abdrucken lassen.

„Einiges war mir neu“, sagt die 14-jährige Schülerin Julia Köchl. Es sei ganz anders, von den Betroffenen selbst etwas über den Syrien-Konflikt zu hören. „Man kann sich ein eigenes Bild machen“, meint auch die gleichaltrige Schülerin Lea Gistl. „Das sind Menschen, die Schlimmes erlebt haben.“ Beide Neuntklässlerinnen sind dafür, dass auch weiterhin Flüchtlinge aufgenommen werden. „Wir haben Glück, dass wir in einem friedlichen Land leben.“