"In mehreren Feldern gibt es Reformbedarf"

Verbraucherzentrale sieht zum Weltverbrauchertag Probleme bei Klimaschutz und digitaler Revolution

13.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:11 Uhr
Als Verbraucher muss man auf der Hut sein. Für die Rechte der Konsumenten kämpfen vor allem die Verbraucherzentralen. −Foto: dpa-Archiv

Ingolstadt/Berlin - Aktionstage gibt es inzwischen viele und zu jedem nur erdenklichen Thema - darunter der Weltknuddeltag, der Anti-Diät-Tag und der Tag des Deutschen Butterbrots.

 

Ob das alles sinnvoll ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ohne jeden Zweifel richtig ist es, immer wieder an die Rechte der Verbraucher zu erinnern - etwa an diesem Sonntag, dem Weltverbrauchertag.

Dass das notwendig ist, weiß man nirgends besser als beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Verbraucherzentralen - auf Landesebene organisierte Vereine - decken regelmäßig Fälle von fragwürdiger Werbung auf. "Irreführende Werbung kann für Verbraucher zu einer Kostenfalle werden. Der vzbv geht dagegen immer wieder juristisch vor", erklärt Philipp von Bremen, Geschäftsbereichsleiter Verbraucherpolitik, gegenüber unserer Zeitung. Beispielsweise klagte man gegen den Reiseanbieter "Ab-in-den-Urlaub", da dieser mit Rabatten geworben hatte, die jedoch nur bei Zahlung mit einer kaum verbreiteten Kreditkarte gewährt wurden. Für alle anderen verteuerte sich der Preis für den Flug am Ende sogar. Die Verbraucherzentrale monierte, dass ein Ausnahmeangebot nicht als allgemeingültiger Preis beworben werden könne. "Das OLG Dresden gab uns im Oktober 2019 Recht", betont von Bremen.

Insgesamt bewerten die Verbraucherzentralen die Lage in Deutschland allerdings relativ positiv. "Im internatonalen Vergleich steht Deutschland beim Verbraucherschutz ordentlich da", lautet von Bremens Bewertung. Und doch findet von Bremen, dass es durchaus in mehrere Felder großen Reformbedarf gibt. Als Beispiele nennt er den Klimaschutz und die digitale Revolution. Es sei eine Herausforderung, diese Bereiche verbraucherfreundlich und sozialverträglich auszugestalten.

Auch würden immer mehr für Verbraucher relevante Entscheidungen - etwa über Kreditanträge oder Versicherungstarife, von Algorithmen getroffen. "Um die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Willkür und Diskriminierung zu schützen, müssten diese Algorithmen transparenter sein, in bestimmten Fällen auch staatlich kontrolliert werden", findet von Bremen. Auch müsse das Produkthaftungsgesetz hierzulande an die digitale Entwicklung angepasst werden, meint der Experte des vzbv. "Wenn Verbraucher durch digitale Anwendungen geschädigt werden - etwa wenn die Heizungssteuerung im Smart Home versagt -, müssen die Hersteller haften. "

Was den Verbraucherschutz oft nicht einfach macht, ist, dass es im deutschen Recht kein gesondertes Verbraucherschutzgesetz gibt. Alles, was mit dem Schutz von Konsumenten und Verbrauchern zu tun hat, wird in den jeweiligen Einzelgesetzen geregelt. Dazu zählen die Gesetze zum Widerruf, die Regelungen beim Mieterschutz oder aber unzählige Regeln des öffentlichen Rechts, die oft dem gesundheitlichen Schutz dienen. Letztere verpflichten dazu, Mindeststandards bei Rohstoffen, Verpackungen und bei Zusatzstoffen einzuhalten.

Ganz besonders betroffen ist man beim Einkaufen. Hier wird jeder mal zum Verbraucher. In diesem Bereich treibt die Verbraucherzentralen in Deutschland vor allem das weitläufige Thema "Marktgerechte Preise" um. Von Bremen erklärt unserer Zeitung dazu: "Unsere Priorität sind keine abstrakten, marktgerechten Preise. Unsere Priorität sind verbrauchergerechte Märkte. " Damit meint der Experte, dass der Staat die Märkte so regeln müsse, dass die Verbraucher nicht betrogen und nicht abgezockt werden. Auch müsse es möglich sein, dass man nachhaltig konsumieren könne und "unser Wirtschaftssystem nicht unsere Lebensgrundlagen zerstört". Um dies zu gewährleisten, spricht sich von Bremen für eine angemessene öffentliche Infrastruktur, staatlich garantierte Basisprodukte und stabile Sozialsysteme aus. 

John F. Kennedy und seine grundlegende Rede

Wer an moderne Verbraucherrechte denkt, hat sicher nicht sofort den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy (1917–1963) vor Augen. Doch tatsächlich hängt vieles von dem, was wir heute unter Verbraucherschutz verstehen, mit dem  35. Staatsoberhaupt der  USA zusammen. Es war nämlich der Demokrat, der mit einer besonderen Rede im US-Kongress am 15. März  1962 erstmals Grundlagen dafür formulierte, wie der Staat seine Bürgerinnen und Bürger –  die Verbraucher also – vor gewissen Umständen zu schützen hat. 

„Jeder Mensch ist per Definition Verbraucher. Sie sind das größte Wirtschaftssubjekt der Volkswirtschaft. Aber sie bilden die einzige  Gruppe der gesamten Wirtschaft,  die nicht effizient organisiert ist, deren Ansichten oft kein Gehör finden.“  Kennedy war der Ansicht, dass das Geld der Verbraucher „vergeudet“ und ihre Gesundheit und Sicherheit gefährdet sein könnten, wenn minderwertige Produkte angeboten, Preise überhöht und Medikamente  gar wirkungslos   sind. Die Verbraucher wüssten in aller Regel nicht, ob die Zusammensetzung eines bestimmten Medikaments  Mindeststandards in den Bereichen Sicherheit und Qualität entspricht. Sie könnten auch nicht wissen, welches Fertiggericht einen höheren Nährstoffgehalt als das andere habe. Kennedy sah  deshalb Handlungsbedarf für die Legislative und formulierte  einige Grundgedanken rund um das Thema Schutz für Verbraucher, die bis heute nichts an Gültigkeit verloren haben.

Der Politiker  sah  zum Beispiel ein Recht  auf Sicherheit. So müsse es einen Schutz vor der Vermarkung von  gesundheits- und lebensgefährdenden Produkten geben. Zudem forderte er ein Recht auf Information ein. Die Verbraucher sollten so nicht mehr Gefahr laufen, auf betrügerische oder absichtlich  irreführende Werbung und Kennzeichnungen reinzufallen. Und er erwähnte bereits das Recht auf Wahlfreiheit – also die Möglichkeit für Verbraucher,  eine ausreichende Auswahl an Produkten zu haben, die  zu freien Marktpreisen gehandelt werden.

 Somit kann Kennedy als ein Vater der modernen Verbraucherrechte gelten. Auch in Andenken an seine Rede findet  seit 1983 der Weltverbrauchertag statt − immer am 15. März. Er soll Organisationen wie   Verbraucherschutzzentralen eine Plattform geben, um besser auf aktuelle Probleme hinweisen zu können – was auf einen vierten Grundsatz aus Kennedys Rede zurückgeht: auf das Recht, Gehör zu finden.

Christian Tamm