Ingolstadt
In der Ruhe liegt die Kraft

Parteilos, loyal, zuverlässig – Der Jurist Herbert Lorenz wird in der Stadtspitze fehlen

12.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:24 Uhr

Die letzte große Aufgabe: Herbert Lorenz mit den Plänen des Kongresszentrums vor dem Kavalier Dallwigk (oben). Beim Projekt Lesekinder hingen die Buben und Mädchen aus Migrantenfamilien an den Lippen des damaligen Integrationsbeauftragten. Arch - fotos: Strisch/Herbert

Ingolstadt (DK) Es liegt in der Natur der Sache, dass Journalisten nicht nur über Themen berichten können, die sie als Fachleute in allen Details kennen. Doch es gibt ja auch noch andere Wege, eine Angelegenheit zu beurteilen. Als etwa in den vergangenen Monaten Zweifel am Sinn eines Kongresszentrums und eines Hotels auf dem Gießereigelände aufkamen, half dem Berichterstatter das Wort eines Mannes: Wenn einer wie Herbert Lorenz (65) mit solcher Überzeugung hinter diesem Projekt steht, kann es nicht ganz falsch sein.

Der Jurist in städtischen Diensten hat heute seinen letzten Arbeitstag. Dass die Stadt mit ihm mehr als nur einen Routinier an der Spitze der IFG verliert, war neulich bereits zu spüren, als OB Alfred Lehmann ihn kurz und knapp im Stadtrat verabschiedete. Alle erhoben sich von ihren Sitzen und applaudierten lange, bekundeten ihren großen Respekt vor der Lebensleistung des Reichertshauseners, der 1988 in Ingolstadt angefangen hatte.

Als der DK bei Lorenz im IFG-Büro zum letzten Gespräch auftaucht, setzt es schon nach ein paar Sätzen die erste Absage: Nein, es komme überhaupt nicht in Frage, dass er sich für ein schönes Zeitungsfoto in Pose setzt. Das mögen andere Kollegen machen, aber er hält das für überflüssig. „Ich hab’ meinen Job gemacht, damit hat sich’s. Dafür hab’ ich Geld gekriegt.“ Also gut, kein Foto.

Es gibt nicht viele Führungspositionen in der Stadtverwaltung, die Herbert Lorenz im Lauf seiner langen Karriere nicht schon einmal übernommen hat. Dabei schaffte er es wie kaum ein anderer, sich einen Ruf als unabhängiger, parteiloser, stets loyaler und kompetenter Referent zu erarbeiten, der auch mal den ruhigen Ausputzer spielt, wenn es denn von ihm gefordert wird.

In Rosenheim geboren und in Holzkirchen aufgewachsen, kam Lorenz zum ersten Mal als wehrpflichtiger Panzeraufklärer mit Ingolstadt in Berührung. Als er damals zu Fuß in die Altstadt marschierte, kam er auch an der Schubsa-Gießerei vorbei, die noch voll in Betrieb war. „Des is ganz schön greislich da, hab’ ich mir gedacht.“ Ironie der Geschichte, dass das letzte Projekt seines Berufslebens ausgerechnet die Neugestaltung des Gießereigeländes war. Um das Thema ordentlich abzuschließen, verlängerte er sogar seine Amtszeit um drei Monate.

Lorenz hatte nach dem zweiten juristischen Staatsexamen im Straßenbauamt München und im Landratsamt Pfaffenhofen erste Erfahrungen gesammelt. Nach dem Wechsel zur Stadt Ingolstadt 1988 wurde es gleich richtig turbulent. Der OB-Referent (Zentrale Verwaltungsaufgaben) und nebenamtliche Geschäftsführer des Müllzweckverbandes wurde mit den katastrophalen Ergebnissen von Dioxinmessungen in der Umgebung der Mailinger Müllverbrennungsanlage konfrontiert. „Die Werte waren sehr schlecht“, weiß er noch wie heute. „Ich hab’ spät abends noch Peter Schnell angerufen. Wir haben dann sofort die zwei alten Ofenlinien heruntergefahren. Das war eine meiner schwierigsten und schnellsten Entscheidungen.“

Mit der Information der Öffentlichkeit am nächsten Tag war es aber nicht getan. Denn der Zweckverband stand plötzlich mit der Hälfte seines Abfalls da und wusste nicht, wohin. Der Landkreis Roth half aus, gleichzeitig musste im Eiltempo eine neue Deponie in Eberstetten her. „Innerhalb eines Jahres wäre das heute nicht mehr möglich“, glaubt Lorenz.

Von der MVA redet inzwischen niemand mehr. Nach millionenschwerer Nachrüstung gilt sie geradezu als Musterbetrieb und wertvoller Energielieferant. Der Jurist bekam nach dieser Bewährungsprobe immer wieder neue Aufgaben. „Ich war Vorgänger und Nachfolger von Helmut Chase beim Zweckverband, Vorgänger und Nachfolger von Werner Richler bei der IFG.“ Nicht zu vergessen die Zeit als erster Ingolstädter Umweltreferent, als Lebenshilfe-Geschäftsführer und Integrationsbeauftragter, mit einem Intermezzo in den neunziger Jahren bei der Stadt Pfaffenhofen („Meine Kinder waren damals noch klein, ich wollte mehr daheim sein“).

2010 musste Herbert Lorenz seinem Chef Alfred Lehmann noch einen letzten Dienst erweisen. „Ich hab’ immer das gemacht, wofür ich gebraucht worden bin.“ Es galt, aus Koalitionsräson zwei Referentenposten zu besetzen, einen mit CSU-Mann Christian Lösel, einen mit FW-Mann Wolfgang Scheuer. Und es galt vor allem, die Führungsspitze der wichtigen Tochtergesellschaft IFG wieder zu stabilisieren.

So kam es, dass der Vater von vier Kindern seinen Referentenposten frei machte und noch einmal wechselte, zurück ins Management der IFG. Die Entschuldung der Tochterfirma ist mittlerweile auf dem besten Weg, das Kongresszentrum vertraglich vorbereitet. „Das gibt einen Riesenschub für die Stadt“, ist der Jurist sicher, „das haben viele Kritiker noch gar nicht richtig registriert.“

Und was steht jetzt im Ruhestand als Nächstes an? „Ich hab’ meine Ziele und meine Vorstellungen, aber das ist nichts für die Öffentlichkeit.“ Jede andere Auskunft wäre aus dem Mund dieses Mannes eine Überraschung gewesen.