Ilmmünster
In der demokratischen Zwickmühle

Ilmmünsters Räte gehen juristisch gegen Windräder vor, die sie eigentlich selbst bauen wollten

07.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

−Foto: Patrick Ermert

Ilmmünster (PK) Windräder, Hallenbad, Hauptplatzdurchfahrt - Bürgerentscheide sind auch im Landkreis in Mode.

Für Stadt- und Gemeinderäte ist der Umgang mit den Ergebnissen aber nicht immer einfach, was am Dienstagabend im Ilmmünsterer Gemeinderat ausgesprochen deutlich wurde.

Die Räte aus Ilmmünster stecken tief in der Zwickmühle. Rein rechtlich müssten sie sich an den Bürgerentscheid aus dem Juli 2016, als sich die Mehrheit der Ilmmünsterer gegen den Bau von Windrädern bei Herrnrast ausgesprochen hatte, gar nicht mehr halten. Die Bindungsfrist beträgt nur ein Jahr. Das Gremium fühlt sich aber moralisch in der Pflicht, alles zu unternehmen, um den Bau von Windrädern im Wittelsbacher Forst zu verhindern. Ab sofort beinhaltet das auch rechtliche Schritte, weshalb sich die Gemeinde eine Rechtsanwaltskanzlei an die Seite geholt hat, um den Windradbau zu torpedieren.

"Ich muss einen Beschluss gegen meine Überzeugung fassen. Wohl fühle ich mich dabei nicht."

Patrick Soffner

 

Das Windradprojekt der Gemeinde mit der Bürgerenergiegenossenschaft ist längst gestorben - aber eben nicht der Plan der Primus Zweite Projekt GmbH, stattdessen zwei eigene Windräder zu errichten. Deren angedachte Anlagen erfüllen mit Höhen von 170 und 150 Metern nicht nur die 10-H-Vorgaben. Auch alle weiteren Vorarbeiten wurden geleistet - und so steht der Genehmigung kaum noch etwas im Weg. Nun hat das Landratsamt die Gemeinde aufgefordert, ihr Einvernehmen zu erteilen. In der Sitzung am Dienstagabend ging es um den Weg, wie das Gremium nicht nur dieses Ja verweigern, sondern es auch weitere Schritte gegen den Bau der Windräder unternehmen kann.

Das Verrückte daran ist die innere Geisteshaltung der allermeisten Gemeinderäte. Sie hatten sich vor zwei Jahren im Rahmen der Debatte zurückgehalten und nicht allzu offen für das Windradprojekt geworben - um die Bürger bei ihrer Stimmabgabe nicht zu beeinflussen. Trotzdem stand das Gremium eigentlich hinter dem Vorhaben. Und jetzt hat es mit Patrick Soffner (CSU) erstmals einer der Räte offen ausgesprochen, was er von der Verhinderungstaktik hält. "Wir haben uns verpflichtet, den Bürgerentscheid zu respektieren. Aber jetzt muss ich erstmals einen Beschluss gegen meine eigene Überzeugung fassen - und das ist etwas Besonderes." An seiner Einstellung pro Windräder habe sich nichts geändert. Im Gegenteil: Jüngste Ergebnisse hätten gezeigt, dass die Anlagen bei Uttenhofen oder Gerolsbach weit mehr Strom erzeugen als gedacht. "Windräder sind ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Energiewende", so Soffner. Dennoch sei er jetzt gezwungen, gegen seine Überzeugung abzustimmen. "Wohl fühle ich mich dabei nicht."

Aus allen Ecken des Sitzungssaals folgte daraufhin entweder Nicken oder das eine oder andere anerkennende Wort. "Dem ist nichts hinzuzufügen" oder "ganz genau", schallte es aus dem Rund. Jens Borggräfe (SPD) meinte: "Ich bin derselben Meinung, will das nur nicht alles noch einmal wiederholen."

Das Ganze gipfelt in der Tatsache, dass sich die Gemeinde ab sofort von der Münchner Kanzlei Döring-Spieß vertreten lässt, die Wege finden soll, "den Bau der beantragten Windräder zu verhindern", wie es im einstimmigen Beschluss heißt. Die Verwaltung wird demnach ermächtigt, Angebote für Fachgutachten einzuholen, um die im Genehmigungsverfahren von der Primus GmbH vorgelegten Gutachten überprüfen zu lassen. All das wird eine Stange Geld kosten. Franz Baumann (CSU) brachte den Einwand vor, dass alle Räte einen Amtseid geleistet hätten. "Wir dürfen trotz des Bürgerentscheids nicht rechtswidrig entscheiden", meinte er. Bürgermeister Anton Steinberger (CSU) pflichtete ihm bei. "Wir müssen nach Recht und Gesetz agieren - und dürfen keine Beschlüsse fassen, die uns in Schwierigkeiten bringen." Umso wichtiger sei dieser rechtliche Beistand. "Wir können nicht alles beurteilen, der Anwalt aber schon - sodass wir hier als Gemeinderat mehr Rechtssicherheit erhalten."

Noch etwas brachte Steinberger ins Grübeln. Die Bürgerinitiative hatte von sich aus einen Sachverständigen für ein Gegengutachten vorgeschlagen und die Gemeinde bei diesem angefragt. "Er lehnte ab, weil er bereits für Primus ein Gutachten erstellt hat, wonach alles in Ordnung sei", führte Steinberger aus. "Das hat mich schon ins Schleudern gebracht."

Schweigen im Saal. Geschäftsleiter Wolfgang Lausá ?ecker machte auch noch einen Vorschlag: "Wenn das Landratsamt unser Einvernehmen im Genehmigungsverfahren ersetzt hat, können wir zum ersten Mal eine Klage einreichen." Eine Vorstellung, die bei einigen Räten nur Kopfschütteln hervorrief. Gelassen ging nur Sebastian Wagner (CSU) mit dem Vorgang um. "Wenn die Einspeisevergütung so gering bleibt, rentiert sich das nicht. Dann werden die Windräder nie gebaut", meinte er. Und all die Gedanken seien dann umsonst. Wirklich entspannter wirkten die Räte dadurch auch nicht. Aber was tut man nicht alles aus Respekt vor dem Bürgerwillen. Die Vertreter der Bürgerinitiative verließen danach übrigens grußlos den Sitzungssaal - ohne die weiteren Punkte abzuwarten.