Ingolstadt
Immer wieder steht "Bambi" auf

Kickboxer Johannes Wolf bezwingt in seinem letzten, aber furiosen Profikampf den Niederländer Ilias El Hajoui

07.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:09 Uhr

Packender Abschluss: Johannes Wolf (rechts) beendet nach einem schwer erkämpften Sieg über Ilias El Hajoui seine Karriere - Foto: Bösl

Ingolstadt (EK) Kickboxer Johannes Wolf hat seine Profikarriere erfolgreich beendet. Der Ingolstädter besiegte den Niederländer Ilias El Hajoui auf der Plaza im Westpark nach Punkten. Er verteidigte damit seinen WM-Titel im ISKA-Verband und gewann zudem den WM-Gürtel im WKA-Verband.

Es ist bereits nach halb neun an diesem Abend auf der Plaza im Ingolstädter Westpark. Das Gemurmel unter den Zuschauern wird größer, die Nervosität kribbelt im Bauch. Endlich betritt der Ringsprecher den Ring und kündigt Johannes Wolfs Gegner an. Es dröhnt aus den Musikboxen und ein kräftig gebauter Ilias El Hajoui aus den Niederlanden, genannt „Bambi“, fährt über die Rolltreppe nach unten. Respektvoller Applaus zur Begrüßung. Doch als Wolf an der Spitze der Rolltreppe sichtbar wird und für ihn „Warriors of the World“ von Manowar erklingt, breitet sich donnernder Jubel im Publikum aus. Der Lokalmatador im Kickboxen tritt in den Ring, um seinen Weltmeistertitel des Verbandes ISKA (International Sport Kickboxing Association) zu verteidigen und um den Titel des WKA (World Karate and Kickboxing Association) zu gewinnen.

Der helle Klang des Gongs ertönt, die Zuschauer verstummen fast gänzlich. Die beiden Kämpfer tänzeln voreinander her, täuschen ein paar Schläge und Kicks an, tänzeln weiter. Wolf wirkt durch seine geringere Körpergröße neben El Hajoui beinahe zart, doch dieser Eindruck täuscht. Mit einem gezielten Kick gegen den Oberkörper landet sein Gegner bereits in der ersten Runde auf dem Ringboden. Großer Applaus. Dann jähes Verstummen. El Hajoui hat Wolf zwischen den Beinen getroffen. Er hat sichtlich Schmerzen, rappelt sich langsam wieder auf, muss sich in die Ecke lehnen. Der Ringrichter gibt ihm zu verstehen, dass er einige Male hochspringen und fest wieder auf den Füßen landen soll. Wolf befolgt das mit schmerzverzerrtem Gesicht. Das Publikum bangt und schweigt. Wolf springt ein letztes Mal – und nickt. Er kann weitermachen. Applaus.

Die Kontrahenten tänzeln weiter durch den Ring. Noch elf Runden müssen sie durchhalten. Beide bewegen sich sehr schnell, setzen dem Gegenüber harte Schläge und präzise Kicks entgegen, weichen flink aus und blocken Angriffe mit den Armen. El Hajoui schafft es mehrmals, Wolf in die Seile zu drücken, dieser blockt aber sauber ab, findet eine Lücke, kickt und befördert El Hajoui zu Boden. Wolf kommt ab der fünften Runde immer mehr aus der Reserve.

Für die Zuschauer wird dieser doppelte Weltmeisterschaftskampf immer spannender, denn die beiden Kämpfer schenken sich nichts.

Ein Raunen geht durch die Halle, als Wolf El Hajoui einen harten Schlag mitten ins Gesicht versetzt. Doch dieser arbeitet insgesamt viel mit seinen Fäusten, ist Wolf damit teils überlegen, drückt ihn in die Seile und trifft ihn am Auge. Der Gong ertönt. In der Ringecke spornt Trainer Jens Lintow seinen Schützling weiter an. Wolf nickt, inzwischen sind es nur noch sechs Runden.

Der Ingolstädter setzt nun öfter seine Spezialität ein – Kicks aus einer Drehung heraus. Er tänzelt ein Stück weg von El Hajoui, dreht ihm für einen Sekundenbruchteil den Rücken zu – und kickt ihn zu Boden. Wieder drängt El Hajoui Wolf in die Seile, dieser kickt ihn immer wieder nieder. Doch El Hajoui beginnt nun auch, Wolf wiederholt am Kopf zu packen und ihn mit den Fäusten festzuhalten. Wolf befreit sich immer wieder und setzt seinem Gegner harte Kicks entgegen, er trifft ihn oft am Oberkörper und Kopf. Über die letzten Runden feuern die Zuschauer ihren „Hannes“ mit lauten Rufen und dauerndem Klatschen an.

In der letzten Runde droht die Situation plötzlich unschön zu werden. El Hajoui packt Wolf und wirft ihn zu Boden. Das Publikum schreit und pfeift, der Ringrichter gibt dem Holländer eine Auszeit. El Hajoui ist wütend, offenbar entfährt ihm eine verbale Entgleisung und er wird nochmals für ein Time-Out angezählt. Die letzten zehn Sekunden des Kampfes laufen. Das Publikum steht, klatscht und ruft. Wolf und El Hajoui schlagen und kicken sich gegenseitig in einer Geschwindigkeit, dass dem Zuschauer schwindelig werden kann. Der Gong ertönt ein letztes Mal, der Kampf ist aus. Erschöpft fallen sich beide Kickboxer in die Arme – ein unerwartetes, aber schönes Bild.

Die Anspannung auf den Publikumsrängen ist kaum auszuhalten, still zu sitzen fällt schwer und die Minuten der endgültigen Punkteauswertung scheinen endlos. Im Ring regt sich El Hajoui noch auf, er ist noch wütend wegen der Auszeit, doch er wuschelt Wolf mehrmals durch die kurzen Haare und umarmt ihn. Endlich ist es soweit. Der Ringrichter ruft beide Kämpfer zu sich, nimmt jeden an eine Hand und reißt nach der Verkündung des Ergebnisses durch den Ringsprecher Wolfs linken Arm in die Höhe. Er hat es geschafft, er ist wieder einmal Weltmeister.

Nach allen Gratulationen antwortet er auf die Frage des Ringsprechers, ob er denn nun wirklich aufhöre: „Ja, ich höre auf. Ich habe keine Lust mehr zu kämpfen. Dieser letzte Kampf war echt hart.“ An seinen Trainer Jens Lintow gerichtet fügt er grinsend hinzu: „Außerdem habe ich jetzt einen Titel mehr als du – und das reicht mir.“