Ingolstadt
Immer der Muschel nach

Margit und Dieter Schuller erschließen den alten, lange übersehenen Ingolstädter Jakobsweg aufs Neue

28.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Orientierungshilfe zwischen Münster und Donau: Dieter Schuller (r.), seine Frau Margit und der Tourismusexperte Stefan Pittrof bereiteten gestern die Neuerschließung des alten Ingolstädter Jakobswegs vor. Schilder mit dem bekannten Muschelsymbol sollen die Pilger leiten - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Im Mittelalter pilgerten viele Gläubige auch via Ingolstadt zum Grab des Jakobus in Spanien. Das ist längst in Vergessenheit geraten. Bei der Renaissance der Jakobswegpilgerei in den 1980er Jahren schlugen diverse Reiseführer einen Bogen um die Stadt.

Das wollen zwei Pilgerwegbegleiter ändern. Ohne Bocksbeutel geht hier gar nichts. Er gehört zur Grundausstattung wie die Jakobsmuschel, die sich die Pilger an den Rucksack heften, um zu zeigen, in wessen Namen sie auf Tour sind. Bevor sie starten, widmen Margit Schuller-Langscheid und ihr Mann Dieter Schuller dem guten Jakobus erst mal ein herzliches Prosit. Stilvoll mit einem Stamperl „Fränkischem Pilgerschoppen“ aus Randersacker, eine Spezialabfüllung für alle, die sich auf die Spuren des legendären Apostels nach Santiago de Compostela in Spanien begeben. Im Schatten des Liebfrauenmünsters stoßen sie an; das gehört dazu. Und der Pilgerwunsch natürlich auch. Margit Schuller rezitiert ihn feierlich: „Morgensonne, die Dich zum Aufbruch lockt; Wind, der Dir in den Rücken weht; Wege, die Dich zu neuer Lebensfreude führen; Worte, die Dein Herz ermutigen. Das wünschen wir Dir auf Deiner Pilgerfahrt!“ Derart beseelt geht’s auch schon los.

Allerdings nicht bis Spanien, sondern zunächst nur bis Neuburg an der Donau. Denn die Schullers (beide sind geschulte Pilgerwegbegleiter mit Zertifikat) bilden eine Art Vorauskommando für spirituelle Entschleunigung. Getreu dem Credo „Die Seele reist langsam, am liebsten zu Fuß“ haben sie diverse Strecken nach Santiago beschritten und dabei jedes Mal „großartige, unvergessliche Erfahrungen gesammelt“. Doch es hat Dieter Schuller, einen echten Schanzer, immer irritiert, dass die vielen Jakobswege alle um seine Heimatstadt herumführen; angeblich gab es hier keinen. „Aber das habe ich mir nie vorstellen können“, erzählt er. „Gerade so ein Zentrum mit Herzogsresidenz, Hoher Schule und Münster muss doch mal einen Jakobsweg gehabt haben!“

Die Wege des Herrn sind unergründlich. Im Gegensatz zu denen des Menschen. Schuller fand heraus, dass im Mittelalter sehr wohl viele Pilger via Ingolstadt nach Spanien zogen, meist auf den gut ausgebauten Treidelwegen von Kelheim her entlang dem Nordufer der Donau, die rauf bis Ulm von Booten befahren wurde. „Die Pilger sind dem direkten und am besten begehbaren Weg gefolgt.“

Der Historiker und langjährige Ingolstädter Kulturreferent Siegfried Hofmann lieferte einen wichtigen Hinweis: Er kann belegen, dass es um 1500 in der Stadt eine Jakobsbruderschaft gegeben hat. Und Schuller ergänzt: „Man muss auch wissen, dass die erste Kapelle des im 15. Jahrhundert erbauten Liebfrauenmünsters Jakob geweiht ist.“ Die Statue dazu steht heute im Stadtmuseum. Kein Zweifel: „Es gab bei uns einen uralten Jakobsweg, aber der ist vergessen und nie mehr wahrgenommen worden.“

Dafür gibt es auch eine ganz irdische Erklärung: Als Ende des 20. Jahrhunderts in Deutschland das Pilgern nach Santiago wieder in Mode kam, schlugen diverse Verfasser wegweisender Pilgerführer – wohl von den Raffinerieschlöten abgeschreckt – einen weiten Bogen um die Industriestadt an der Donau und leiteten die Gläubigen um des Landschaftserlebnisses willen lieber über das göttlichere Eichstätt. Ein Fachbuchautor hat das auf Nachfrage der Schullers sofort zugegeben.

Um so leidenschaftlicher bemüht sich das Ehepaar nun darum, das Ingolstädter Teilstück der Pilgerroute neu zu beleben. „Wir wollen damit auch das Bewusstsein dafür stärken, dass wir in einer tollen Stadt leben!“ Das sieht die Ingolstadt Tourismus und Kongress GmbH (ITK) genauso. Sie unterstützt das Projekt. „Wir heben gerne historische Schätze, um sie Bürgern und Besuchern zugänglich zu machen“, sagt Stefan Pittrof von der ITK. „Für Geschichte interessieren sich alle.“ Er begleitet die Schullers und markiert die Stellen, an denen ab nächstem Frühjahr Schilder mit der Muschel – Jakobs Symbol – Pilgern den Weg weisen sollen. Die Route führt vom Münster auf den Treidelweg am Nordufer (er beginnt beim Ruderclub) und dort weiter Richtung Neuburg.

Die Schullers träumen auch von einer Stempelstelle für den Pilgerpass an der Jakobskapelle im Münster. Mit Gottes und des Stadtdekans Hilfe möge dieser Wunsch in Erfüllung gehen.