stadtgeflüster
Im Wettbewerb die Nase vorn

01.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:37 Uhr

(rh) Wenn Politiker nicht mehr weiter wissen, aber Entschlossenheit vortäuschen wollen, setzen sie eine Kommission oder eine Arbeitsgruppe ein, in der Premiumversion auch Enquetekommission genannt.

Noch einen Tick dynamischer klingt die Bildung einer Task Force, das ist eine Art schnelle Eingreiftruppe, die suggerieren soll: Jetzt geht's aber echt zur Sache, um nicht zu sagen zur Chefsache, ab sofort zählen keine Ausreden mehr. Dann gibt es da noch die Variante für die gehobene Bildungsbürgerschicht, die ästhetischen Feinschmecker und städtebaulichen Connaisseure - von einem früheren CSU-Politiker Kulturclique genannt. Die heißt in Ingolstadt Architektenwettbewerb.

Solche Wettbewerbe haben hier eine Tradition, die das Publikum jedoch vor dem Irrglauben bewahren sollte, Wettbewerbe hätten zum Ziel, ein Bauwerk von guter gestalterischer Qualität tatsächlich zu realisieren. Das einzig fixe an solchen ritualisierten Veranstaltungen sind die Preisgelder und die Spesen für die Berater. Oder haben Sie als Leser mal wieder etwas von der Hotelrotunde des Wiener Architektenstars Hans Hollein an der Schlosslände gehört, einst preisgekrönt und dann schnell vergessen? Oder von den Multiplexkino-Würfeln des gleichen Wettbewerbssiegers nebenan? Oder vom siegreichen Museumsturm des Münchner Büros Morpho-Logic neben dem Kavalier Dalwigk? Oder gar vom Donaumuseum an gleicher Stelle?

Nein, das Wesen von Architektenwettbewerben besteht in Ingolstadt darin, einfach mal aufzuzeigen, was man so machen könnte für schöne Sachen. Aber wer sagt denn, dass man das auch bauen will? Neue Kammerspiele des Stadttheaters, da sind wir uns doch alle einig, die braucht's eigentlich gar nicht. Intendant Knut Weber weiß auch so, was eine Komödie ist und eine Farce, am besten kennt er aber die kommunalpolitische Klamotte. Die 2014 verstorbene Architektenlegende Hans Hollein sagte einst: "Wir müssen die Architektur vom Bauen befreien! " Irgendwie müssen die Ingolstädter das falsch verstanden haben.