Geisenfeld
Im Turbo-Modus über den Wolken

In 28 Jahren als Jet-Pilot hat der Geisenfelder Peter Krah viel erlebt - Notlandung nach Kollision mit einer Möwe

21.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:31 Uhr
Er nimmt den Helm: 28 Jahre lang war der Wahl-Geisenfelder Peter Krah Jet-Pilot. Geflogen hat er auch jenen Tornado im Bildhintergrund, der zum 50-jährigen Jubiläum des Jagdbombergeschwaders in Lechfeld mit einer Sonderlackierung glänzte. Das preisgekrönte Design hatte seine Frau Daniela entworfen. −Foto: Foto: privat

Geisenfeld (GZ) Er darf sich zu den "schnellsten Brüdern" Deutschlands zählen und blickt dabei auf 2000 unfallfreie Stunden im Turbomodus: der Geisenfelder Peter Krah. Nach 28 Jahren hat der Jet-Pilot nun seinen Arbeitsplatz "über den Wolken" verlassen.

Zählt man seine Flugkilometer im Cockpit zusammen, hat der bis dato dienstälteste Waffensystemoffizier Tornado bei der Luftwaffe mehrfach die Welt umrundet. Die Leidenschaft fürs Fliegen liegt dem Wahl-Geisenfelder in den Genen, denn "schon mein Großvater und mein Vater haben diesen Beruf ergriffen", wie er verrät. Auch sein Bruder ist mit Überschall-Geschwindigkeit am Steuerruder unterwegs - ein Grund für den eingangs genannten Titel, den sich beide zudem als Kandidaten in Jörg Pilawas TV-Show "Das Quiz" sicherten. Da brachten ihnen Allgemeinwissen und Schlagfertigkeit 30000 Euro ein.

Es ist eine gewisse "Lust am Abenteuer", die für den Mittfünfziger den Reiz der Fliegerei ausmacht - womit er das besondere Gefühl der Freiheit "über den Wolken", aber keineswegs den Geist des "Draufgängertums" meint. Der nämlich sei "absolut nicht gefragt in diesem Job", betont er. Was zählt, seien vielmehr "Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit auch in kritischen Situationen die Ruhe zu bewahren", so der gebürtige Sobernheimer (Rheinland-Pfalz).

Dabei streichen seine Finger bedächtig über den Tisch. Hinter den blauen Augen, die ohne Brille auskommen, glaubt man das konzentrierte Bemühen um exakte Formulierungen zu sehen. Dazu passt, dass er in seiner Freizeit im Verein der Logic Masters Deutschland komplizierte mathematische Rätsel nicht nur löst, sondern auch selber welche entwirft ("die ich in 200 Leben nicht aufdröseln könnte", wie seine Frau Daniela lachend bemerkt).

Auf den nüchternen Perfektionisten reduzieren lässt Krah sich jedoch nicht. Denn da ist noch der Hobby-Magier, der sich mit seinen Zaubertricks das Kind im Mann bewahren möchte. Der Musiker, der gern Klavier und Gitarre spielt, und der Tänzer. Vor allem der Salsa ist es, der den durchtrainierten Sportler "mit seiner Schönheit begeistert". Und der ihn mit seiner zweiten Frau zusammengebracht hat, ohne die er "nur ein halber Mensch" wäre.

Richtig Wurzeln geschlagen hat Krah nie. Nach dem Abitur schlug er die Offizierslaufbahn ein, studierte an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München Informatik und verpflichtete sich nach dem Diplom bei der Luftwaffe. Was etliche Tauglichkeits-Screenings und Schulungen voraus setzte - unter anderem ein Jahr lang in Texas beim Euro NATO Joint Jet Pilot Training (ENJJPT). Krah erkennt hier: "Formationsflug ist nicht so mein Ding". Als einer, der eher mathematisch-technisch tickt übernimmt er lieber die Aufgabe des sogenannten Backseaters, der in Zweisitzern wie jene des Typs Phantom und Tornado für Navigation und Monitoring verantwortlich zeichnet. Bevor Krah dabei regulär zum Einsatz kam, musste er jedoch das europäische und nationale Fliegen lernen. Das habe auch mit der "in jedem Land anders gestalteten Luftraumstruktur und verschiedenen taktischen Verfahren zu tun", lässt der Offizier wissen, dessen Dienstweg ihn vom Fliegerhorst in Schortens bei Jever zum Standort des Programmierzentrums der Luftwaffe in Landsberg am Lech und damit zum Jagdbombergeschwader 32 brachte. Dort brauchte man einen Informatiker mit Flugerfahrung. Der Grund: "Die fliegerische Klientel spricht eine andere Sprache als die der Techniker und Softwareingenieure", weiß der Soldat, der beide Seiten versteht und so die Wünsche der Piloten einerseits fachgerecht erfassen, entsprechende Systeme entwickeln und zugleich "deren Wirksamkeit selber testen kann".

Wie wichtig es ist, auf die Technik vertrauen zu können, das werde einem schon bei einer normalen Reise-Geschwindigkeit von umgerechnet knapp 800 Kilometern pro Stunde klar. Umso mehr aber, wenn man bisweilen "im legalen Rahmen das Maximum an Schnelligkeit, Höhe und Wendigkeit aus den Maschinen herausholt", verweist er auf Spitzen von 1,3 Mach (schneller als der Schall). Und dann seien da ja auch noch die anspruchsvollen Blindflüge in Bodennähe mit Geländefolge-Radar, bei denen "menschliche Sinne allein nichts ausrichten könnten".

Zu den Höhepunkten seiner aktiven Zeit zählt Krah die Rücküberführung eines Jets aus Holloman, New Mexico in den USA über Bangor, Maine nach Schleswig. "Über 15 Stunden am Stück zu fliegen, das war schon etwas Besonderes", erinnert er sich an die Reise über den großen Teich, bei der es mehrfach galt, "in über acht Kilometern Flughöhe bei umgerechnet knapp 500 Stundenkilometern in der Luft nachzutanken". 600 Liter Treibstoff pro Minute flossen dabei vom begleitenden Tankflugzeug über einen Schlauch in den Jet. "Das sogenannte Air-to-Air Refueling erfordert ein extrem präzises Manöver beim Andocken an das große Tankflugzeug, das einen begleitet", erklärt Krah.

Natürlich hatte er im Laufe seiner Dienstzeit einige brenzlige Situationen zu meistern - etwa als eine Möwe mit seinem Jet kollidierte, dessen Außenhaut durchschlug und eine Notlandung provozierte. Ein "sehr emotionaler Moment" war für den Patchwork-Vater zweier leiblicher und zweier angeheirateter Kinder der Flug jenes Tornado, der zum 50-jährigen Jubiläum des Jagdbombergeschwaders in Lechfeld mit einer Sonderlackierung glänzte. Das preisgekrönte Design hatte seine zweite Frau entworfen, die unter dem Pseudonym "Delahé" künstlerisch tätig ist.

"Auf Umzüge habe ich absolut keine Lust mehr", gesteht der bekennende Familienmensch, der seit 2005 am Systemzentrum 14 in Kooperation mit Airbus Defence & Space in Manching tätig ist und künftig nur noch die technische Seite seines Dienstes am Computer leisten wird. Abheben will der Pilot a.D. "nur noch im Urlaubsflieger". Was bleibt, ist die Erinnerung an "eine wunderschöne Zeit" und gelegentlich "ein wehmütiger Blick in den Himmel".

Maggie Zurek