Im türkischen Vereinslokal

28.12.2008 | Stand 03.12.2020, 5:19 Uhr

Nürnberg (DK) Wie dringt man am effektivsten in den inneren Zirkel unserer Mitbürger mit türkischem Migrationshintergrund vor? Man gibt sich als Architekt aus und schleppt den Moschee-Entwurf gleich als güldenes Plastikmodell samt eingebautem Muezzinruf mit. Da zeigt sich Selim, der Vorsitzende des "Topkapi Saray e. V.", schwer begeistert ob so viel religiösen Einfühlungsvermögens, und schon ist Belmonte ins Vereinsgebäude eingeschleust.

Aber was spielt sich hier eigentlich ab? Eine Koranschule oder ein Integrationszentrum mit zwielichtigen Absichten? Darauf weiß Regisseur Andreas Baesler in seiner Inszenierung von Mozarts Singspiel im Nürnberger Opernhaus ebenso wenig eine Antwort wie auf die Frage, wer dieser Deutsch-Türke Selim eigentlich ist, und was Konstanze davon abhält, ihn einfach zu verlassen. Bei Pedrillo und Blondchen liegt der Fall ein wenig klarer; sie haben bei Selim einen festen Job und nehmen Osmins Launen und Zudringlichkeit in Kauf, wobei Blondchen letztere sogar ein wenig zu genießen scheint.

Was Baesler aus der im Bühnenbild Harald Thors gut umgesetzten Grundidee macht, den "Serail" in eine heutige deutsche Großstadt zu verpflanzen, ist insgesamt dürftig. Statt die gesprochenen Texte radikal umzudeuten, belässt er es bei einigen Brocken auf Türkisch (hier macht Mehmet Yilmaz’ Selim die beste Figur) und dem ein oder anderen schnellen Lacher. Mit den Beziehungen der Personen zueinander weiß er nichts anzufangen, das Bewegungsrepertoire ist weitgehend konventionell und nichtssagend.

Entsprechend läppisch wirkt das Finale, wenn die plötzlich mit Waffen herumfuchtelnden Türsteher von ihrem Boss großherzig zurückgepfiffen werden und die Vereinsmitglieder diesem deutsche und türkische Fahnen schwingend huldigen.

Beinahe noch enttäuschender fiel das Dirigat Christof Pricks aus. Aus einem pastosen, nicht sonderlich präzisen Streicherteppich heraus setzt er nur mittels Lautstärke Akzente, die Sänger geben ihr Bestes dagegen anzusingen. Heidi Elisabeth Meier gelingt das mit blendender Technik und Höhe, anrühren kann ihre Konstanze freilich nicht. Den dramatischsten Moment hat sie, als sie nach der Marternarie (gute Instrumentalsoli) Selim die angeklebten Wimpern vor die Füße wirft. Tilman Lichdi erweist sich einmal mehr als begnadeter Mozart-Tenor, sein Belmonte bleibt aber ähnlich blass wie der zartgelbe Pullunder, den man ihm übergestreift hat.

Forcieren müssen auch Melanie Hirschs Blonde und Jeff Martins Pedrillo, dennoch bildeten sie ein vitales, in der Zweisamkeit nicht ungetrübtes Paar. Guido Jentjens ist ebenfalls ein ausgezeichneter Sänger, doch hat er für den Osmin weder die Tiefe noch die vokale Bedrohlichkeit, die ihm freilich auch die Regie weitgehend ausgetrieben hat.

Hoffentlich setzt sich unter dem neuen Intendanten Peter Theiler nicht die Tendenz fort, dass sich ein Haus mit so hohem künstlerischen Potenzial immer wieder einmal deutlich unter Wert verkauft.

Weitere Termine: 7., 18. und 24. Januar 2009, 6. Februar, 1., 6. und 10. März, Ticket-Hotline: (01 80) 5 23 16 00.