Im Schatten von Corona

Versammlung des Landkreistags in Erding steht im Zeichen der schlechter werdenden kommunalen Finanzlage<?ZE> <?ZE>

27.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:16 Uhr
Christian Bernreiter wurde mit 118 von 120 gültigen Stimmen als bayerischer Landkreispräsident wiedergewählt. −Foto: Weigel, dpa

Erding - So viel Textil - und noch dazu in edlem Zwirn - war wohl noch nie im Nacktbereich der Therme Erding, ihres Zeichens die größte der Welt.

Aber weil in der innerstädtischen Kongresshalle der Abstand zwischen den Teilnehmern nicht hätte eingehalten werden können, verlegte der Gastgeber der konstituierenden Sitzung des bayerischen Landkreistags, der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), die Veranstaltung in das aktuell noch geschlossene Erlebnisbad. Der Gastgeber, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), frotzelte: "Das verleitet natürlich zur Schlagzeile: Die Landräte gehen baden. "

Teilweise droht das den Kreischefs, die zum 1. Mai ihre neue Amtszeit angetreten haben - darunter 20 Neulinge, knapp ein Drittel der 71 Landräte - aber tatsächlich. Denn die finanziellen Einbußen infolge der Corona-Krise sind dramatisch. Rund 5,5 Milliarden Euro beträgt heuer wohl der Rückgang bei den Steuereinnahmen im Freistaat laut Finanzminister Albert Füracker (CSU). Der kommunale Anteil daran beträgt 12,75 Prozent, also etwa 700 Millionen Euro.

Das wird, so äußerten sich mehrere Landräte gegenüber unserer Zeitung, nicht ohne Einschnitte abgehen: "Man wird schauen, was man sich künftig noch leisten kann. " Christian Bernreiter, der alte und neue Präsident des Landkreistags - der seit 2011 amtierende Verbandschef wurde mit 118 von 120 gültigen abgegebenen Stimmen der Delegierten in seinem Amt wiedergewählt - machte schon einige Andeutungen. Extrem teuer seien beispielsweise Schulbegleiter, rund 5000 Euro je Kind, "und dann sitzen fünf von denen nebeneinander im Klassenzimmer". Auch das sogenannte Angehörigenentlastungsgesetz - es schützt die Familien von Senioren- und Pflegeheimbewohnern weitgehend vor Zuzahlungen - sei wohl auf Dauer nicht zu halten, wenn nicht deutlich mehr Geld vom Bund an die Kommunen fließe.

Generell rechnet der Verbandspräsident mit deutlich höheren Sozialausgaben in naher Zukunft. Aktuell seien zehn Millionen deutsche Arbeitnehmer in Kurzarbeit. "Wie viele von denen wieder in Vollzeit zurückkehren können in ihren Job, bleibt abzuwarten. " Es werde mehr Aufstocker geben und auch mehr Hartz-IV-Empfänger. Die Landkreise trifft das insoweit, dass sie die Kosten der Unterkunft erstatten müssen.

Zeitverzögert trifft die Kreise auch eine sehr wahrscheinlich hohe Reduzierung der Kreisumlage, also den Zahlungen der kreisangehörigen Städte und des Gemeindetags. Das ist ebenfalls ein wichtiger Etatposten. Gemeindetag und Städtetag rechnen nämlich mit einem Rückgang der Gewerbesteuer von 20 bis 25 Prozent. Eine endlose Verschuldung sei auch keine Alternative.

Werde das nicht durch ein Konjunkturprogramm aufgefangen, warnen die Kreischefs, müssten viele Infrastrukturprojekte, zum Beispiel der Neubau von Straßen oder die Sanierung von Schulen und Turnhallen, aufgeschoben oder gecancelt werden. Dass selbst die noch vor Kurzem als absolut krisenfest geltende Baubranche schwächelt, merken die Behörden nicht zuletzt daran, dass es inzwischen viel mehr Bewerbungen für öffentliche Ausschreibungen gibt als vorher.

Innenminister Herrmann brachte in seiner Rede einige Punkte unter, die die Landräte freuten und die sie mit Beifall quittierten. So sollen langfristig unter anderem die Gesundheitsämter personell gestärkt werden - teilweise mit befristeten Stellen, aber zum großen Teil dauerhaft. Krankenhäuser-Schließungen, wie noch 2019 vom Bund angedacht, sind vom Tisch. Und auch beim Öffentlichen Nahverkehr - dieser leidet unter Massivem Fahrgastrückgang, weil viele Menschen aus Angst vor Corona auf das Auto oder das Fahrrad umsteigen - will der Freistaat die Kreise nicht allein lassen.

DK