Ingolstadt
Im Schatten eines grandiosen Bratschers

Mirdin Gleißner gewinnt beim Lions-Jugendkammermusik-Wettbewerb einen ersten Preis

23.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:54 Uhr

Nahezu perfekt: Mirdin Gleißner (Bratsche) und Pascal Menke am Klavier erspielten sich beim Jugend-Kammermusikwettbewerb der Lions Clubs der Region einen ersten Platz - Foto: Pacher

Ingolstadt (DK) Es kommt sehr selten vor, dass jugendliche Musiker ein absolut professionelles Niveau erreichen – selbst wenn sie bei einem so hervorragenden Wettbewerb wie dem Jugend-Kammermusikwettbewerb der Lions Clubs der Region mitmachen.

Man traute seinen Ohren kaum – aber dem erst 15-Jährigen Bratscher Mirdin Gleißner gelang der musikalische Höhenflug scheinbar mühelos. Zusammen mit seinem Klavierbegleiter Pascal Menke (16) trug er in der Kurfürstlichen Reitschule Ingolstadt den ersten Satz von Franz Schuberts Arpeggione-Sonate vor – tonschön, intonationssicher, technisch nahezu perfekt. Das eigentlich für das längst vergessene sechsseitige Arpeggione komponierte Stück ist eher etwas für altersmilde, abgeklärte Interpreten als für ungestüme jugendliche Virtuosen. Aber das hatte man schnell vergessen, wenn man Mirdin Gleißner hörte. Denn die leise Wehmut, die durch diese Töne dringt, das Melchancholische und Liedhafte der Themen, die Höhepunkte, die immer etwas verhalten klingen, das verhauchte Ausklingen der Coda – all das konnte der junge Freisinger mit tiefem Ernst darstellen. Und sein Begleiter unterstützte ihn dabei hochemotional, auch wenn sein Spiel vielleicht noch nicht ganz so farbig und differenziert wirkte, wie das von Gleißner.

Vielleicht war dieser Schubert des mit dem ersten Preis des Wettbewerbs geehrten Duos der eigentlich Höhepunkt des Wettbewerbs-Abends. Aber es gab Beiträge, die an dieses Niveau zumindest heranreichten, etwa das Trio, das in der Altersgruppe der unter 15-Jährigen mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde: Daniel Dan Chen (Klavier), Nicole Ostmann (Violine) und Florian Schwarzbeck (Cello). Die drei 13-Jährigen hatten sich zwei sehr schwere Stücke herausgesucht: den langsamen Satz aus dem Trio von Frédéric Chopin und den Kopfsatz aus Beethovens Trio op. 1 Nr. 3. Besonders der Chopin ist ein eher sprödes Werk mit abbrechenden Melodiebögen, heftigen Einwürfen und abrupten Pausen. Das Trio allerdings ging mit erstaunlicher Reife an das Werk heran, spielte kontrastreich und legte die schwierige Architektur des Werks gekonnt frei. Noch besser gelang der Beethoven. Wunderbar, wie fragend die ersten drei Töne c-es-c formuliert wurden, wie bewusst die Pausen gestaltet, wie gerade verklungenen Phrasen nachgelauscht wurde und zu welcher Dynamik die drei Musiker fähig waren. Ein grandioser Moment eindrucksvollen kammermusikalischen Zusammenspiels.

Der Cellist Schwarzbeck trat an diesem Abend noch ein zweites Mal auf, allerdings in einer anderen Formation zusammen mit drei weiteren Cellisten (Benedikt Bottenschein, 13, Jakob Hensel, 15, Paula Schieren, 9). So fantastisch der junge Cello-Star auch hier wieder musizierte – als Ensemble konnten die Vier mit Bernhard Rombergs Sonate in e-Moll nicht ganz überzeugen. Denn das Werk bot eigentlich nur Schwarzbeck die Möglichkeit, sich zu entfalten, während das Spiel der anderen Cellisten dagegen etwas abfiel. So wurde das Cello-Quartett nur mit einem dritten Preis geehrt.

Der zweite Preis wurde in diesem Jahr in beiden Altersgruppen jeweils zwei Mal vergeben. Bei den jüngeren Musikern machten besonders die Quartettmusiker Emma Pöpperl (Violine), Sara Dietl (Violine), Laetitia Deka (Viola) und Larissa Berger (Cello) mit dem Allegro aus dem Mozart-Quartett KV 187 Eindruck. Die vier Elfjährigen spielten verblüffend bewusst, gestalteten die Dynamik genauso wie die parallel laufenden Melodiebewegungen sehr genau. Ebenfalls mit einem zweiten Preis ausgezeichnet wurden Hannah Maria Schieren (Violine, 11) und Lukas Michels (Klavier, 10), die Werke von Händel und des Mitglieds des Georgischen Kammerorchesters Igor Loboda musizierten. Schieren spielte tonschön, musikalisch sehr engagiert und Lukas Michels begleitete hellwach, ausdrucksvoll und äußerst akkurat. Ein beeindruckende Leistung!

Ein Novum beim Lions-Wettbewerb ist die Teilnahme eines Harfenduos. Vanessa und Verena Wagner interpretierten Werke von Bernard Andrés und Maurice Ravel („Ma Mere l’Oye“). Dabei fiel ihr Sinn für den Rhythmus dieser Musik auf, ihre Fähigkeit des absoluten Synchronspielens. Insgesamt aber fehlte es ihrer Darstellung etwas an musikalischer Eindringlichkeit, an Emotionen. Sie erhielten einen dritten Preis. Einen zweiten Preis erspielten sich die Geigerinnen Antonia Bernecker (18) und Marlene Donaubauer (16). Aufs Programm gesetzt hatten sie das Duo Concertants von Charles Auguste de Bériot – eigentlich ein zu schwieriges Stück für die beiden. Sie wählten ein eher moderates Tempo und eine etwas getragene Gangart und spielten nicht wirklich virtuos. Dennoch stolperten die beiden in den hohen Lagen. Aber ihre Interpretation war dennoch lebhaft, musikalisch ausdrucksvoll und mitreißend. Belohnt wurden sie mit einem zweiten Preis.

Teresa Bottenschein (Violine, 16) und Anton Beringer (Klavier, 17) hatten sich zwei große romantische Werke vorgenommen: den Brahms-Satz aus der FAE-Sonate und Dvoraks Sonatine (Allegro). Beide Stücke verlangen einen warmen vibrierenden Ton vom Geiger und einen farbigen, weichen Anschlag vom Pianisten. Leider konnten beide Interpreten mit ihrer etwas zu kühlen Tongebung den Stücken nicht ganz gerecht werden. Was nicht heißt, dass Bottenschein und Beringer schlecht waren. Im Gegenteil. Beide Stücke gestalteten sie hochintelligent, disponierten Übergänge, Höhepunkte, melancholische Passagen sehr klug und souverän. So reichte diese insgesamt sehr gute Leistung nur für einen zweiten Preis – wohl auch, weil sie im Schatten des überragenden Viola-Virtuosen Mirdin Gleißner standen.