Eichstätt
Im Ringen um die Wahrheit

Der Münchner Mordermittler Josef Wilfling über seine Arbeit, seine Fälle und die Hintergründe

27.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:22 Uhr

Klärte unter anderem den Sedlmayr-Mord auf: der Münchner Mordermittler Josef Wilfling. Am Dienstagabend plauderte er in Eichstätt – wo er vor 35 Jahren die ersten Schritte im Polizeidienst machte – ein wenig aus dem Nähkästchen. - Foto: smo

Eichstätt (EK) Es waren teils spektakuläre Fälle, mit denen sich Josef Wilfling in den 22 Jahren seiner Arbeit bei der Münchner Mordkommission beschäftigt hat. Die Morde an Vorzeige-Bayer Walter Sedlmayr und Modezar Rudolph Moshammer bildeten eigentlich nur den Rahmen seiner Arbeit. Zwei Bücher – ein drittes wird folgen – hat der 65-Jährige mit Fällen bereits gefüllt.

Mit dem jüngeren, „Unheil – Warum jeder zum Mörder werden kann“ war Wilfling am Dienstag nach Eichstätt gekommen. Dorthin, wo er vor 35 Jahren als junger Polizist in der Ausbildung sein Praktikum abgeleistet hat. „Es ist ein besonderer Abend für mich“, schickt er vorweg. Nicht nur, weil er mit Eichstätt, „der Stadt, der Gastronomie und Sonstigem angenehme Erinnerungen“ verbinde, sondern weil er hier noch Freunde hat, mit denen er sich regelmäßig am Stammtisch trifft. Sie sitzen im Auditorium. „Da gehört der Helmut Wühr dazu, der frühere Polizeichef hier, und natürlich der beste Polizist Europas, Peter Chloupek“, feixt Wilfling, bevor er sich wieder seiner Mappe widmet, in der sein Vortragsmanuskript zu wähnen ist.

Denn wer sich eine „einfache“ Lesung aus seinem neuen Buch erwartet hatte, der wurde enttäuscht: Josef Wilfling hatte das Werk nicht einmal in der Hand, als er die Buchhandlung Rupprecht betrat. Dem ein oder anderen unter den über 60 Besuchern dürfte das missfallen haben. Allerdings war die Veranstaltung auch nicht als Autorenlesung, sondern als „Vortrag mit Gespräch“ angekündigt.

Zwei Stunden lang plauderte Josef Wilfling aus dem Nähkästchen, aus 22 Jahren Arbeit als Mordermittler, sieben Jahre davon als Chef. Wilfling war im Team, als – gerade einmal drei Jahre bei der Münchner Mordkommission – der gewaltsame Tod von Walter Sedlmayr aufgeklärt wurde. „Damals haben wir zum ersten Mal versucht, DNA-Spuren zu verwenden“, sagt er. Aber man sei gescheitert. 15 Jahre später, beim Raubmord an Rudolph Moshammer, sah die Sache dann schon ganz anders aus. „Heute geht ohne DNA nichts mehr.“ Und Wilfling muss es wissen: 1211 Tötungsdelikte in München Stadt und Land hat er in den über zwei Dekaden bearbeitet. Zum Vergleich: „Das hat man in Mexiko-City in einem Jahr.“ Es war immer ein Ringen um die Wahrheit, sagt er.

Und Wilfling stellt an diesem Abend nicht nur die Frage nach dem perfekten Mord, sondern lässt auch den Untertitel seines Buches lange im Raum schwirren. „Kann jeder Mensch zum Mörder werden“

Beim Erzählen wirkt Wilfling relativ emotionslos. Ein Lächeln kommt ihm an dem Abend nicht gar so oft über die Lippen. Wie auch, bei diesem Thema. Und dass auch einen gestandenen Mordermittler Todesfälle nicht kalt lassen, räumt er ein. „Wenn es um Kinder geht. . .“, sagt er ein bisschen stockend und verweist etwa auf den Mädchenmord von Krailling 2011. „Da hatten selbst die Gerichtsmediziner Tränen in den Augen.“

Aber deswegen ist Wilfling kein verbissener oder in sich gekehrter Mensch. Der schwarze Humor, den ein Kriminaler wohl braucht, und der in seinen beiden Büchern immer wieder durchscheint, kommt auch an diesem Abend nicht zu kurz. Wenn er etwa die Unterschiede des Strafmaßes erklärt: Eine Frau, die ihren Mann heimtückisch von hinten ersticht, dürfte mit einer Mordanklage und lebenslänglich rechnen. „Wenn Sie ihn von vorne umbringen, kommen Sie mit Totschlag davon.“ Also etwa drei bis vier Jahre. „Meine Damen: immer schön von vorne.“ Sozusagen Tipps vom Profi. „Sie sollen ja von heute Abend auch etwas mitnehmen.“

Wilfling, der vielfach als „bayerischer Columbo“ bezeichnet wird, outet sich auch als dessen treuester Fan. Aber anderen Fernsehkommissaren erteilt er eine klare Abfuhr. „Ein Schimanski wäre keinen Tag bei der Mordkommission.“ Es ist diese Faszination des Bösen, die die Menschen fesselt. „Aber mit dieser Faszination ist es recht schnell vorbei, wenn ein Mord mitten im eigenen Umfeld passiert“, erklärt Wilfling.

„Wenn Sie heute Abend nach Hause gehen, ist es völlig normal, dass sie sich ein wenig öfter umdrehen“, gibt der von seinem Vorgesetzten einmal als „bester aller Vernehmer“ bezeichnete Wilfling den Zuhörern mit. In Deutschland sei die Mordrate mit 0,7 Prozent relativ gering. In Europa liege sie immerhin bei 2,7, weltweit bei 8,3 Prozent. „Und zur Beruhigung: Die meisten Morde passieren statistisch gesehen zu Hause.“