Eichstätt
Im Reich der Meerengel

Sonderausstellung des Jura-Museums zeigt Fossilien aus der "Blauen Lagune von Nusplingen"

31.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:23 Uhr

Von größter Bedeutung in der Ausstellung ist der vollständig erhaltene moderne Hai aus Nusplingen. Begeistert von den fossilen Exponaten waren auch (von links) Regens Michael Wohner, Dr. Gerd Dietl und Dr. Günter Schweigert vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, OB Andreas Steppberger, Jura-Museumsleiterin Dr. Martina Kölbl-Ebert, Diplombiologe Andreas Hecker und Professor Dr. Gerhard Haszprunar, Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. - Fotos: Kusche

Eichstätt (EK) Zur Eröffnung der Sonderausstellung "Nusplingen" waren rund 80 Besucher auf die Willibaldsburg gekommen, um die Einzigartigkeit der Forschungsgrabung in Nusplingen in der Schwäbischen Alb und einige der sensationellen Fossilienfunde zu begutachten.

Beim Blick auf das Foto des kleinen überschaubaren Steinbruchs in Nusplingen war das Staunen der Gäste, darunter Oberbürgermeister Andreas Steppberger und Regens Michael Wohner, groß: "Bei der Forschungsgrabung in Nusplingen handelt es sich nur um einen ganz kleinen Steinbruch, der sich aber einer enorm hohen Fundhäufigkeit von einzigartigen Fossilien erfreut", berichtete Günter Schweigert, Leiter der Grabungen im Nusplinger Plattenkalk und Paläontologe am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart.

Seit 1993 betreibe das Museum eine intensive Forschungsgrabung in Nusplingen. Dabei wurden sehr gut erhaltene Überreste von Tieren und Pflanzen entdeckt - allen voran über 20 der sogenannten Meerengel, eine Art "moderner Haifisch", dessen Nachfahren noch heute im Meer leben. Paläontologen konnten dabei schon rund 8000 Einzelfunde präparieren.

Nusplingen nimmt, so Schweigert in seinem Einführungsvortrag, einen ganz besonderen Platz ein: Rund eine halbe Million Jahre älter als die berühmten Fossilien von Eichstätt, sind die Funde aus Baden-Württemberg von ebenso hoher Qualität und wissenschaftlicher Aussagekraft. Und doch unterscheiden sie sich in Arten und Anzahl sehr deutlich von den bayerischen Plattenkalken. Das dünnplattige Gestein auf der Schwäbischen Alb konnte nämlich eine riesige Anzahl von Fossilien konservieren - von Flugsauriern über Krebse, Krokodile, Ammoniten, Libellen bis hin zu Pflanzen wie Cycaspalmen und Samenfarne.

Diese Fauna und Flora war es, die einst die sogenannte "Blaue Lagune von Nusplingen" beherbergte; sie gehörte zum tropischen Jurameer, das vor rund 150 Millionen Jahren existierte. In dieser Lagune, so Schweigert, sammelte sich zarter Kalkschlamm an, in dem tote Tiere und abgestorbene Pflanzen versanken und versteinerten. So entwickelte sich Nusplingen zu einer der bedeutendsten Fossillagerstätten im süddeutschen Raum und zugleich schier unerschöpflichen Grabungsstätte des Stuttgarter Naturkundemuseums.

Ein weiteres Prachtstück erwartet die Besucher an anderer Stelle, denn dort ist das Skelett eines komplett erhaltenen Hais samt seines Mageninhalts - ein Krebs - und seines sehr gut erhaltenen Schädels zu bewundern. Seine Bergung aus dem Plattenkalk war, wie Diplombiologe Andreas Hecker, der die Sonderausstellung konzipiert hat, eine enorme Arbeitsleistung: "Bis der Haifisch so präpariert war, wie er hier zu sehen ist, vergeht ungefähr ein halbes Jahr", betonte er. Dabei seien Funde von hervorragend erhaltenen Fischen, so eines 2012 entdeckten, 1,60 Meter großen Schmelzschuppers, in Nusplingen nicht selten.

Doch das schwäbische Pendant zum Solnhofener Plattenkalk hat noch viel mehr an sensationellen Funden zu bieten, wie eine nur im Mikroskop gut zu erkennende Feder zeigt, die 500 000 Jahre älter als die berühmte Archäopteryx-Feder und damit die älteste Feder der Welt ist. Sie stammt, so vermuten die Forscher, von einem Archaeopteryx oder einem anderen kleinen gefiederten Dinosaurier.

Mit besonderem Stolz präsentierte Grabungsleiter Schweigert seinem Publikum jedoch das "Wappentier" der Nusplinger Fundstätte - die faszinierenden "Meerengel", jene modernen Haie, die zwar dem Rochen ähneln, aber zu den Lauerjägern zählen, die getarnt am Boden lagen und auf ihre Beute warteten. Durch den Sog beim Öffnen des Mundes wurde die Beute - Fische und Krebse - direkt in das Maul gespült. Normalerweise, so Schweigert, seien Fossilfunde komplett erhaltener Meerengel sehr selten, da ihr Skelett aus Knorpeln besteht, die nach dem Tod der Tiere verwesen. In Nusplingen jedoch habe man schon über 20 perfekt erhaltene Meerengel, oft sogar mit vollständigen Hautumrissen und einer Länge von bis zu 1,30 Metern finden können. Damit sei der Nusplinger Plattenkalk für diese Haigruppe die bei weitem reichste Fundstelle.

In ihren Grußworten fanden Oberbürgermeister Steppberger und Regens Michael Wohner viele Worte des Dankes und Lobes an Museumsleiterin Martina Kölbl-Ebert, Professor Dr. Gerhard Haszprunar, Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, und Grabungsleiter Günter Schweigert, die eine hochwertige Ausstellung ins Leben gerufen hatten. "Eichstätt und Nusplingen ergänzen sich bestens. Es ist wirklich eine einzigartige Zeitreise in die Welt vor 150 Millionen Jahren, die in der Sonderausstellung unternommen werden kann", sagte Oberbürgermeister Steppberger.

Die Sonderausstellung "Nusplingen" kann noch bis 17. September täglich, außer montags, von 9 bis 18 Uhr im Jura-Museum Eichstätt besucht werden. Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer (08421) 29 56.