Pfaffenhofen
Im Herzen schon immer Bayern

Familie Spengler stammt aus Argentinien - sie gehören mit Begeisterung zum Trachtenverein Ilmtaler

02.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:50 Uhr
Perfekt von Kopf bis Fuß: Familie Spengler stammt eigentlich aus Argentinien. Doch sie gehören fest zum Pfaffenhofener Trachtenverein und tanzen gerne mit beim Volkstanz. Paloma (rechts) und Anneliese (Mitte) schaffen schon komplizierte Schritte. Die Eltern Jorgelina Ferreri-Spengler und Gerardo Spengler haben inzwischen ihr erstes Wertungstanzen hinter sich. Der kleine Franz trägt auch schon Tracht. −Foto: Lodermeyer

Pfaffenhofen (PK) Die bayerischen Farben sind Weiß und Blau, die argentinische Flagge ebenfalls: So weit sind die beiden Völker gar nicht auseinander - und dass auch beides zur selben Zeit möglich ist, beweist die Familie Spengler. Die Eltern sind gebürtige Argentinier und engagieren sich mit Begeisterung beim Pfaffenhofener Trachtenverein.

Mit großen Augen schauen Anneliese und Paloma Spengler in die Schachteln: Ihre Schuhe waren zu klein geworden, aber nun gibt es neue. Die beiden Mädchen wollen beim Probeabend der Pfaffenhofener Trachtler unbedingt mittanzen und probieren gern die neuen Schuhe, die Anna Felbermeir für die beiden jungen Mitglieder mitgebracht hat. Nur einen kurzen Augenblick später stehen die Schwestern mit auf der Tanzfläche im Haus der Begegnung - ihr kleiner Bruder Franz blickt ihnen gespannt nach. Denn der Anderthalbjährige hat zwar bereits eine eigene Lederhose und trägt sie mit Stolz, doch die Schritte beim Volkstanz sind dann doch noch etwas zu viel. "Die Familie Spengler ist beispielhaft für unseren Trachtenverein", freut sich Anna Felbermeir vom Trachtenverein über die Begeisterung der Wolnzacher. Dass Argentinier sich in einem bayerischen Traditionsverein engagieren, ist für die Ilmtaler vollkommen in Ordnung. "Bei uns gibt es keine Barrieren", sagt Felbermeir.

Dabei leben die Fünf noch gar nicht so lange in der Hallertau - oder überhaupt in Deutschland. Denn die Eltern Jorgelina Ferreri-Spengler und Gerardo Spengler stammen eigentlich aus Argentinien. Seit fünf Jahren sind sie in Deutschland, seit drei Jahren gehören sie zu den Ilmtalern. Die bayerische Tracht allerdings gehört schon viel länger zum Leben der Spenglers: Denn an dem Tag, als sich das Paar vor 20 Jahren kennen lernte, trug Gerardo Spengler bereits die Lederhose, die er heute noch anhat - und Jorgelina hatte ein fesches Dirndl an. "Wir haben uns in Tracht kennen gelernt - und eine Liechtensteiner Polka miteinander getanzt", weiß Spengler noch.

Beide sind zwar in Argentinien geboren, haben aber Wurzeln in Europa. Gerardo Spengler hat Vorfahren in Deutschland, seine Frau in Italien und Spanien. Die europäische Kultur und vor allem die bayerische Tradition hat sie daher schon in Lateinamerika begeistert. "Wir haben schon in Argentinien gemeinsam Schuhplattler getanzt", erzählt Spengler. Aber einfach nur Fans der bayerischen Bräuche wollten sie nicht sein. "Wir wollten soweit wie möglich authentisch sein", erzählt der Wolnzacher. "Ich habe über das deutsche Konsulat dort beispielsweise ein Buch bekommen mit allen Tänzen." Die Spenglers wollten auch nicht einfach nur ein Kleid, das wie ein Dirndl aussieht, sondern schon richtige Tracht. "Wir wollten versuchen, die echte Tradition zu leben." Auch Jorgelina Ferreri-Spengler zeigte hier Ehrgeiz - als Ballerina ist sie minutiöses Arbeiten nicht nur von ihrer Zeit beim argentinischen Staatsballett gewohnt. "Wir waren schon immer diszipliniert", sagt sie mit einem Lachen.

Daher sind die Beiden auch bei den Ilmtalern gelandet. Denn Ferreri-Spengler hatte viel recherchiert über mehrere Trachtengruppen. "Ich habe monatelang gesucht", erzählt sie. Vor drei Jahren ist sie schließlich auf den Pfaffenhofener Verein gestoßen, der von den geflochtenen Haaren bis zu den passenden Schuhen viel Liebe zum Detail beweist. "Wir wurden dann ganz spontan eingeladen, zum Tanzen vorbei zu kommen - und waren sofort integriert", sagt Spengler. "Es waren schon einige überrascht, wie Leute aus Argentinien zum Trachtenverein kommen. Aber wir kennen unsere Kultur." Inzwischen sind die Spenglers fest mit der Pfaffenhofener Gruppe verwachsen. "Das ist wie eine große Familie hier", freut sich Spengler. Und auch seine Frau Ferreri-Spengler sagt mit Blick auf ihre Verwandten, von denen sie mehrere hundert Kilometer trennen: "Familie Felbermeir ist immer da und gibt uns Rat - auch wenn wir Fragen zur Schule haben. Das ist unsere neue Familie hier."

Dabei führte der Weg die Familie von Argentinien aus erst einmal nach Spanien. Dort sind auch die neunjährige Paloma und die sechsjährige Anneliese geboren. Sechs Jahre lang war Familie Spengler in Madrid und Alicante zu Hause, bevor sich schließlich ein Headhunter bei Gerardo Spengler meldete. Der Mediziner könne in Deutschland arbeiten, das Angebot sah einen Platz in Berlin vor. "Ich habe dann nachgefragt, ob es auch einen Arbeitsplatz in Bayern gäbe", sagt Spengler. Sein Chef sei eigentlich nicht sonderlich optimistisch gewesen, dass es klappt. "Ich habe ihm dann ein Foto von uns geschickt - in Lederhose und Dirndl", erzählt er weiter. Dem Chef sei dann klar gewesen, dass der Mediziner nicht an die Spree gehöre - sondern eben an den Weißwurstäquator. Inzwischen lebt die Familie in Wolnzach, Gerardo Spengler arbeitet als Betriebsarzt und ist in seiner Firma für das bayerische Gebiet zuständig. Jorgelina Ferreri-Spengler hat die Ballettschuhe momentan an den Nagel gehängt und kümmert sich um den kleinen Franz sowie die Schwestern Paloma und Anneliese.

Bei den Ilmtalern fühlen sich die Argentinier - mit ihren in Spanien geborenen Töchtern und dem deutschen Sohn - wohl. "Wir wollten freitagabends etwas gemeinsam mit unseren Kindern machen, aber nicht einfach nur vor dem Fernseher sitzen", sagt Gerardo Spengler. Die Proben mit den Trachtlern, Ausflüge, Veranstaltungen - beispielsweise das Vereinsjubiläum im vergangenen Jahr - begeistern die junge Familie. Und inzwischen wagen sich die Eltern auch beim Wertungstanzen aufs Parkett. Bei ihrer ersten Teilnahme konnten sie viel lernen, erzählen sie. "Beim Zuschauen sieht das immer ganz einfach aus - aber es ist nicht einfach", sagt Ferreri-Spengler mit einem Lachen. Die professionelle Ballerina muss beispielsweise noch daran arbeiten, nicht auf der Fußspitze zu drehen, wie sie es von früher gewohnt ist. "Die Punkte waren uns hier gar nicht wichtig. Das Gefühl war sehr schön - und wir haben so viele Tipps bekommen, wie wir uns verbessern können." Es soll mit Sicherheit nicht das letzte Wertungstanzen für die Spenglers gewesen sein - bei den Proben sind sie stets fleißig mit von der Partie. "Wir wollen noch viel lernen", sagt Ferreri-Spengler. So geht es auch den beiden Töchtern, die schon gekonnt ihre Drehungen auf dem Tanzboden üben. Und auch der kleine Franz scheint schon Gefallen am Volkstanz gefunden zu haben - gern dreht er mit seinen Eltern eine Rund auf dem Parkett.

Claudia Lodermeyer