Ingolstadt
Im Gegenwind

Die Segler der deutschen Nationalmannschaft haben im Windkanal von Audi trainiert – wie schon viele Sportler vor ihnen

10.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:09 Uhr
Parallel zum Boden: OIympiateilnehmer Patrick Follmann erhofft sich präzise Daten über den Windwiderstand. −Foto: Herbert

Ingolstadt (vb) Wo sonst Audis getestet werden, stand vor Kurzem die deutsche Segel-Nationalmannschaft im Mittelpunkt: im Windkanal der Technischen Entwicklung. Gemeinsam mit ihrem Trainer Joachim Hellmich hat das Team einen Tag lang in Ingolstadt trainiert.

Es sieht halsbrecherischer aus, als es vermutlich ist. Die zwei jungen Frauen Tina Lutz und Susann Beucke stehen auf der Bootskante ihres Segelboots – einer Zweimann-Rennjolle vom Typ 49er FX-Skiff. Im Fachjargon sagt man dazu „ausreiten“. Nur mit einem Trapezgurt sind sie am Boot festgezurrt, ihre Körper hängen parallel zum Boden in der Luft.

Und ihre Zöpfe flattern im Wind. Denn die Jolle steht auf einer speziellen Vorrichtung im Audi-eigenen Windkanal. Aus einer beeindruckend großen schwarzen Schneise bläst kräftig der Wind – von links nach rechts und bis zu einer Geschwindigkeit von 65 Kilometern pro Stunde. Auf einer großen digitalen Anzeige steht die aktuelle Windgeschwindigkeit. Eine ganze Meute an Ingenieuren kümmert sich um die Steuerung des Windkanals. Viele Monitore, viele Knöpfe, viele Zahlen, viele Daten: Die Tests sind technisch äußerst anspruchsvoll.

Beim Segeln ist viel von äußeren, natürlich gegebenen Umständen abhängig: vom Wind, vom Wetter, vom Wasser. Und die sind schwer zu beeinflussen. Doch einige Faktoren lassen sich durchaus steuern. Um in der Weltspitze bestehen zu können, wollen die deutschen Segler jede Möglichkeit nutzen, ihre Leistung zu optimieren – und sich so einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Einer dieser verbesserbaren Faktoren ist der Windwiderstand. Dabei gilt die Faustregel: Je größer der Windwiderstand der Segler, desto langsamer wird das Boot. Was bisher nur ein Eindruck war, soll nun messbar gemacht werden.

„Wir wollen das technische Know-how von Audi mit unseren sportlichen Ambitionen verknüpfen“, erklärt Coach Joachim Hellmich. Vom Training im Windkanal erwartet sich die deutsche Segel-Nationalmannschaft präzise Daten, wie sich Körperhaltung und Kleidung der Steuermänner und Vorschoter auf den Windwiderstand auswirken. Um die aussagekräftigsten Ergebnisse erzielen zu können, beträgt der Winkel zwischen Wind und Boot dabei exakt 30 Grad, der Wind kommt von schräg vorne – im Klartext: Es herrscht Gegenwind. Nur dann hat es überhaupt Sinn, Kleidung und Körperhaltung zu testen. In dieser Position ist der Widerstand der Segler nämlich am größten – so lassen sich am ehesten Aufschlüsse darüber gewinnen, wie man eben diesen Windwiderstand der Sportler minimieren kann.

Vier Stunden lang spielen die Segelprofis verschiedene Windszenarien durch, die im Vorjahr unter realen Bedingungen bei den Olympischen Spielen in London und auf der Kieler Woche gemessen wurden. Mal stehend, mal sitzend oder über Bord im Trapez hängend stemmen sich die Athleten in unterschiedlicher Segelkleidung gegen den Wind. Die vier Segler sind alle Anfang 20 – und bereits Spitzensportler. Patrick Follmann war sogar bei Olympia 2012 dabei. Gemeinsam mit seinem Partner erreichte er in London den 13. Platz. Die Tests in Ingolstadt standen im Zeichen des einen großen Ziels: Olympia 2016 in Rio de Janeiro. „Es sollen zwei Medaillen werden.“ Ein ambitioniertes Vorhaben, wenn man daran denkt, dass die Deutschen im vergangenen Jahr in London keine einzige Medaille errangen. Doch die Vorbereitung stimmt: Tina Lutz und Susann Beucke konnten mit ihrem neuen 49er Boot auf Anhieb die deutsche Meisterschaft gewinnen. Segeln ist ihre große Leidenschaft – dafür hängen sich die vier gerne stundenlang in den Windkanal.