Im Gänsemarsch nach Hause

22.10.2007 | Stand 03.12.2020, 6:24 Uhr

Eine große Menschenmenge hat sich am Ortseingang eingefunden, um Heimkehrer Matze (mit schwarzer Jacke) zu begrüßen. - Foto: Hiltl

Dürrenmungenau (HK) Was für ein Empfang! Dort, wo ihn Angehörige, Freunde, Lehrherr, ja die ganze Dorfgemeinschaft am 28. März 2004 verabschiedet haben, wurde Matthias Günzel vor kurzem bei seiner Heimreise begrüßt: am Ortsschild von Dürrenmungenau.

Sogar Verwandte aus den USA und aus Cuxhaven waren gekommen, um "Matze" nach über dreieinhalbjähriger Walz, bei der er die Bannmeile von 50 Kilometern nicht überschreiten durfte, zu Hause willkommen zu heißen. Jahre, in denen sich der 24-jährige Zimmerer mit den Bräuchen, Lebensgewohnheiten und Arbeitspraktiken anderer Völker und Menschen vertraut machen konnte.

Aus dem "rechtschaffenen fremden Gesellen" kann nun ein "einheimischer fremder Geselle" werden. Sogar Abenbergs Bürgermeister Werner Bäuerlein war gekommen, hatte gerne die über einstündige Verspätung in Kauf genommen. Als die vierzehn Gesellen mit dem "Heimreisenden" im Gänsemarsch, oder auch Spinnermarsch genannt, aus Obersteinbach kommend an der Ortsgrenze ankamen, war er sich nicht zu schade, wie ein "Fassgeselle" beim "Fassschmoren" das auf einem Tisch bereitgestellte Bierfass anzustechen und auszuschenken.

Weil während dieses Gänsemarsches – von den Gesellen marschiert einer hinter dem anderen her – einige Rituale zu erfüllen sind, braucht das natürlich seine Zeit. Voraus ging "Leithammel" Stefan aus Rottweil mit einer Flasche Köm (Schnaps) am Charlottenburger (einem zur Reisetasche zusammengebundenen, bunten Tuch).

Protokollgemäß nahmen die Gesellen während der Marschpausen immer wieder einen kräftigen Schluck aus der Kömbuddel (der Schnapsflasche), bevor sie fleißig "schallernd" (singend) einmal links, dann wieder rechts in die Wiesen und Stoppeläcker für das nächste Ritual abbogen.

Am Ortsrand standen sie nun und warteten. Links ein übergroßer Zimmermann aus Stroh auf der Walz, rechts das Ortsschild, das bei der Ankunft überklettert werden musste. Ein ungeschriebenes Gesetz schreibt nämlich vor, dass derselbe Weg wieder zurückzugehen ist, den der Handwerksgeselle bei seiner Hinausführung genommen hat. Und dazwischen eine emotional bewegte Menschenmenge.

Noch schnell ein Schluck aus der soeben mit dem Stenz (gedrechselter Wanderstab) ausgegrabenen, unter dem Ortsschild vergrabenen Kömbuddel, dann konnten Mama Alma Günzel, Vater Johann Heiling, Freundin Johanna, Schwester Sabine, der Opa, ja alle, ihren Matze endlich in die Arme nehmen.

Bewegende Szenen spielten sich da ab. Musik wurde angestimmt. Manche ließen ihren Freudentränen freien Lauf, andere konnten sie nur schwer unterdrücken. Wie Matthias’ Berufsschullehrer aus Petersgmünd zum Beispiel. Ihn hatten sein Schützling und sieben der reisenden Gesellen zwei Nächte vorher aufgesucht und um Herberge nachgesucht. Das habe ihn zwar überrascht, aber auch unheimlich gefreut, gab er in einem kurzen Gespräch zu. Die letzten 50 Kilometer sind nämlich zu Fuß zurückzulegen.

Nach kurzem Umtrunk marschierten die Burschen durch das Dorf, vorbei am Dürrenmungenauer Schloss, hin zur "Alten Dorfschänke", der früheren Löwenbrauerei. Auch hier stand ein walzender Zimmermann, 2,80 Meter hoch. Schnell noch ein paar Fotos zur Erinnerung, dann war endlich Zeit zum Feiern mit allen, die zur Heimreise des Wandergesellen gekommen waren.