Ingolstadt
Im Fledermaus-Express

Das Südthüringische Staatstheater Meiningen macht mit der berühmten Operette halt in Ingolstadt

13.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:58 Uhr

Ingolstadt (DK) Wie peinlich! Während der Morgen bereits dämmert, erscheinen zwei lustig kostümierte Gestalten auf dem Bahnhof: Dr. Falk und Gabriel von Eisenstein. Kurz sieht man, wie Eisenstein, der Schmetterling, seinen vom Alkoholkonsum schwer angeschlagenen Freund Falk, die Fledermaus, bis auf die Unterhose entkleidet und dann verschwindet.

Die Ouvertüre von Johann Strauss breitet muntere Melodien aus, wogt und wal-zert, während die ersten Fahrgäste auf dem Bahnsteig erscheinen. Kinder schlendern achtlos vorbei, Frauen stoßen verstört spitze Schreie aus und ein Geistlicher betrachtet den verwirrten Dr. Falk von oben bis unten und bricht dann in breites Lachen aus.

Aber ist das noch komisch? Falk findet das nicht unbedingt. Und sinnt auf Rache.

In der Meininger Version der "Fledermaus", die als Gastspiel am Stadttheater Ingolstadt läuft, erzählt Regisseur Joachim Schamberger bereits in den ersten Minuten die Vorgeschichte der Operette. Überhaupt möbelt er die Dramaturgie des Singspiels auf: Die Intrige ist von Anfang an klar, einen Überraschungseffekt gibt es daher am Ende nicht. Spannend und witzig ist die Geschichte dennoch. Und vor allem temporeich. Denn sie spielt in der fahrenden Eisenbahn.

Kein schlechter Gedanke eigentlich. Denn das neue Transportmittel trat gleichzeitig mit der berühmten Operette seinen Siegeszug in Europa an. Es passt perfekt zur vergnügungssüchtigen, eitlen, eskapistischen Gesellschaft, die in dieser Komödie abgebildet wird. Da ergreifen alle gerne die Flucht vor der schnöden Realität - und nehmen dazu natürlich den Salonwagen des Thüringenexpress'.

Das Regieteam hat daher gleich die Partitur ein wenig erweitert und die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von Mario Hartmuth spielt bei den Umbaupausen die Polka "Bahn frei" von Eduard Strauss und vom Meister der Operette selbst "Unter Donner und Blitz".

Wichtiger als jeder Regie-Gag sind bei einer gelungenen "Fledermaus" allerdings die guten Sängerdarsteller. Und über die verfügt Meiningen ohne Zweifel. Verblüffend bereits der Alfred von Siyabonga Maqungo, ein heller, fast weiblich klingender Tenor, von grandioser Mühelosigkeit. Eine Stimme wie ein kleines Wunder. Oder die Rosalinde, verkörpert von Camila Ribero-Souza. Beim Csardas trompetet sie die Töne durch den Saal, als wollte sie Wagner singen und kann dann doch wieder die Urgewalt ihres Soprans kunstvoll abschattieren. Wunderbar.

Eher als Darsteller hinreißend ist dagegen Daniel Szeili als Gabriel von Eisenstein mit seinem baritonal glänzenden Tenor, dem es ein wenig an Höhe mangelt. Außerdem überzeugen hier ein wirklich vornehm wirkender Stan Meus als Dr. Falk und eine ständig blasierte Carolina Krogius in der Hosenrolle des Prinz Orlofsky, der seine homoerotische Neigung zu Dr. Falk zu dessen Entsetzen rücksichtslos auslebt.

Am Ende ist natürlich die Rache doch süß. Schuld an allem ist schließlich der Champagner, alle singen etwas von Verbrüderung, sind berauscht, und das ganze Leben ist nur ein einziger großer Spaß. Fast zumindest. Denn die untreuen Eheleute Rosalinde und Gabriel von Eisenstein merken gar nicht, dass der Gefängniswärter Frosch sie mit Handschellen aneinander gekettet hat. Viel Beifall.

Eine weitere Aufführung gibt es heute um 19.30 Uhr im Großen Haus des Theaters. Karten an der Theaterkasse und unter Telefon (0841) 30 54 72 00.