Greding
Im Einsatz für Frieden und Grundrechte

Ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Marina Schuster kandidiert für die Liberalen für das Europäische Parlament

17.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:02 Uhr
Die ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Marina Schuster kandidiert am 26. Mai für die Wahl zum Europaparlament, allerdings auf einem wenig aussichtsreichen Listenplatz. Ihr Engagement schmälert das keineswegs, sagt die überzeugte Europäerin. −Foto: Luff

Greding/Hilpoltstein (HK) In Weiden, Kulmbach, München Regensburg ist sie schon gewesen.

Bevor es weiter nach Würzburg zum nächsten Wahlkampfauftritt für die Europawahl geht, pustet Marina Schuster in ihrer Heimatstadt Greding kurz durch. Hier ist noch immer der Lebensmittelpunkt der 43-Jährigen. Dass sich daran in nächster Zeit etwas ändert, steht nicht unbedingt zu erwarten - trotz ihrer Kandidatur für die Wahl zum Europäischen Parlament.

Die Kreisvorsitzende der FDP, von 2005 bis 2013 Mitglied des Bundestags für die Liberalen, hat es letztlich nicht auf einen aussichtsreichen Platz auf der Liste geschafft. Zuerst hatte sie sich um die Position der bayerische Spitzenkandidatin beworben, unterlag jedoch der EU-Parlamentarierin Nadja Hirsch. Die wiederum wurde bei der Reihung der Kandidaten aus ganz Deutschland in Berlin nach einer Auseinandersetzung mit Generalsekretärin Nicola Beer auf keinen der vorderen Plätze mehr gewählt - und gab auf. Für Schuster kommt so etwas nicht in Frage, wie sie sagt. Klar, sie sei Realistin. Platz 22 auf der Bundesliste sind bei derzeit gerade einmal drei EU-Abgeordneten ihrer Partei nicht die rosigsten Aussichten. "Aber das mindert doch mein Engagement nicht. " Sie nehme die Ausgangslage sportlich, "ich habe gewusst, dass es kein leichtes Unterfangen wird".

Ihr geht es ums Grundsätzliche. Im jetzigen Wahlkampf müsse einfach deutlich werden, "wofür Europa steht und wohin es sich entwickeln soll", sagt Schuster. Sie sei ein politischer Mensch, wolle dazu beitragen, dass Europa politisch in die richtigen Bahnen gelenkt werde. Bei bisherigen Wahlkampfauftritten hätten die Menschen abseits aller handfesten Probleme, Wünsche oder Vorstellungen vor allem kritisiert, dass Brüssel und Straßburg weit von ihrem Alltag entfernt seien. Die Entscheidungen auf europäischer Ebene in den Erfahrungshorizont zu holen, "ist auch etwas sehr Befriedigendes", sagt Schuster. Sozusagen Wahlkampf, der auch Spaß macht.

Dafür nimmt sie sich beruflich eine Auszeit, als Freiberuflerin ist ihr das möglich. Nach ihrer Zeit im Bundestag war die Diplom-Kauffrau eine Weile bei einem großen deutschen Versicherungskonzern angestellt; heute reist sie im Auftrag der OSZE um die Welt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) setzt sich für Frieden und Freiheit ein, entsendet Wahlbeobachter in die verschiedensten Länder - unter ihnen Marina Schuster. Zwei bis drei Monate verbringe sie in einem Einsatzland, erzählt sie. "Ich habe internationale Politik immer geschätzt", sagt Marina Schuster. Im Bundestag gehörte sie viele Jahre dem Auswärtigen Ausschuss und dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe an. Sie ist Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und setzt sich in verschiedenen Organisationen der Liberalen wie der ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und der LI (Liberal International) für Menschenrechte ein. "Diese Erfahrungen kann ich gut auf europäischer Ebene einbringen", findet Schuster. Als Abgeordnete.

Und dabei den Kontinent wieder ein Stück weit auf den richtigen Weg bringen. Denn Reformbedarf an der EU hat auch sie als überzeugte Europäerin ausgemacht. "Wir müssen Europa groß machen in den großen Aufgaben", sagt sie. Ob im Klimaschutz, der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik, der Digitalisierung oder der Innovationsförderung. Hier sei die europäische Ebene genau die richtige, um Dinge voranzubringen.

Wie es um die Digitalisierung bestellt ist, sieht Schuster, wenn sie ihren früheren Bundestagskollegin Rainer Erdel aus Dietenhofen im Kreis Ansbach anrufen will: "Er hat zu Hause keinen Empfang. " In Sachen Innovation müsse Europa aufpassen, dass es nicht von den USA oder China abgehängt werde, künstliche Intelligenz etwa werde dort weitaus mehr gefördert. "Wir werden das Klima nicht retten, wenn 27 Staaten andere Anreize schaffen", plädiert sie auch auf diesem Feld für mehr Absprachen. Und dass die EU zuletzt die Mission "Sophia" im Mittelmeer vor der libyschen Küste ausgesetzt hat, trotz nach wie vor ertrinkender Menschen, "das kann doch nicht sein", empört sie sich.

Auch dass des EU-Parlament keine Gesetzesinitiativen einbringen könne, findet Schuster eine "kuriose Situation", die es schnellstens zu ändern gelte. Dafür solle auf der anderen Seite die Kommission kleiner werden. Überhaupt müsse die Transparenz auf europäischer Ebene verbessert, Bürger stärker beteiligt werden. "Europa lebt von den Herzen, die mitmachen", so Schuster. Das gehe nur mit Beteiligung. Heute sei die Situation dagegen leider so, dass es in einem Trilog - wenn sich Kommission, Rat und Parlament treffen - schon "schwierig ist nachzuvollziehen, wie die eigene Bundesregierung abgestimmt hat".

Ein weiteres Thema, das Marina Schuster am Herzen liegt, sind die Grundrechte und ihre europaweite Durchsetzung. "Wir haben eine sehr modern geschriebene Grundrechtecharta", sagt sie. Darin seien Freiheits- und Schutzrechte ebenso definiert wie das Recht auf Bildung - und was es konkret bedeutet. "Wir fordern eine Grundrechtsinitiative", sagt Schuster. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte solle hierfür mit einem stärkeren Mandat ausgestattet werden und unter anderem prüfen, ob Fördergelder der EU an bestimmte Entwicklungen in den einzelnen Ländern gekoppelt werden können.

Frühzeitige Berichte über Fehlentwicklungen gebe es immer wieder, so Schuster. Sie sei beispielsweise im Rahmen ihres Einsatzes für Menschenrechte schon 2014 darauf hingewiesen worden, dass die Pressefreiheit in der Türkei immer mehr beschränkt wurde, Journalisten in Haft genommen worden sind. Der breiteren Öffentlichkeit sei das erst 2017 mit der Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten De-niz Yücel bekannt geworden.

"Europa ist mehr als nur ein großer Binnenmarkt", zeigt sich Schuster überzeugt. Stichwort Werte. Die müssten in eine neue europäische Verfassung einfließen. Dennoch gehöre "die Vollendung des Binnenmarkts", zum europäischen Projekt natürlich hinzu. Für die meisten Mittelstandsbetriebe seien Hürden zu hoch, auch "beim digitalen Binnenmarkt ist noch Luft", ebenso bei der Energie, so Schuster. Zu den Grundrechten im Binnenmarkt solle die Bildungsfreizügigkeit aufgenommen werden: "Anderswo herrscht große Jugendarbeitslosigkeit, wir haben Fachkräftemangel. "

Ungeachtet des Reformbedarfs gibt es für Marina Schuster keine Alternative zum Einigungsprozess auf dem Kontinent. Auch weil die EU das Friedensprojekt schlechthin sei. Ihre Schwächung hat für die Liberale "das Potenzial, dass alte Konflikte wieder aufbrechen". Jüngstes Beispiel ist die sogenannte Neue IRA in Nordirland, die der Brexit befördert habe. Auch unter Basken, Katalanen, Korsen rumore es, "das ist alles nicht vorbei", warnt Schuster.

Sie wird die Entwicklungen beobachten und versuchen gegenzusteuern. Wahrscheinlich nicht als EU-Parlamentarierin - die Wahlnacht verbringt sie übrigens im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin. Aber als Freiberuflerin. Für die OSZE. Vielleicht auch für die EU, für das Carter Center oder andere ähnliche Institutionen, die sich für die Demokratie einsetzen. "Ich bin ein politischer Mensch", sagt Marina Schuster. Mit dem Mandat hat das nicht unbedingt etwas zu tun.

Volker Luff