Eichstätt
Im Arbeitsmodus

Nach 100 Tagen im Amt hat Landrat Alexander Anetsberger bereits einiges angestoßen - auch dank Corona

09.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:25 Uhr
Gut gelaunt und tatkräftig: Der neue Landrat Alexander Anetsberger hat in seinen ersten 100 Tagen in der Residenz bereits einige Themen wie die Restrukturierung der Kliniken oder den Ausbau der Wirtschaftsförderung angepackt. −Foto: Meßner

Eichstätt - Neuer Job, neue Mitarbeiter, neues Aufgabengebiet.

Im Landratsamt ist alles mindestens eine Nummer größer. Es hätte also genug Gründe gegeben, es langsam angehen zu lassen als frisch gewählter Landrat. Und vielleicht hat Alexander Anetsberger das aus seiner Sicht auch getan. "Ich habe gewusst, dass ich ein paar Tage der Orientierung brauche. " Er hat sich alles zeigen lassen, ist über jeden Flur in jedes Büro gegangen und hat sich einen Überblick verschafft. Er sei erstaunt gewesen, wie gut die Gebäude ausgelastet seien, sagte er.

Doch genau diese Phase der Orientierung, dieses Einarbeiten, fiel für Anetsberger sehr kurz aus. Corona kam ihm in dieser Hinsicht sogar entgegen. Wegen der Pandemie gab es schlicht keine Repräsentationstermine und er konnte sich auf die Facharbeit konzentrieren. "Es gibt schlechtere Umstände für einen Amtsantritt. " Nach gerade einmal 100 Tagen im Amt fühlt er sich angekommen im Landratsamt.

Mittlerweile werden die Termine wieder mehr. Das liegt auch an ihm selbst. Denn Anetsberger hat sich vorgenommen, als Landrat alle 30 Landkreisgemeinden zu besuchen. Er will sich mit den wichtigen Leuten an Ort und Stelle austauschen und sie kennenlernen. Er war zwar im Wahlkampf schon überall, aber damals eben unterwegs in parteipolitischer Mission. "Zudem hat es einige Wechsel gegeben", sagt er. Einen Bürgermeister Ralf Sitzmann (FW) aus Kösching zum Beispiel hat Anetsberger auch vorher nicht getroffen. "Das kostet einiges an Zeit, aber das ist mir wichtig", betont er.

Es ist ihm offensichtlich auch wichtig, sich nicht nur nach außen zu zeigen, sondern auch die Abläufe im Landratsamt selbst möglichst schnell zu verinnerlichen - und gegebenenfalls neu zu justieren. Dass das im konkreten Einzelfall nicht so einfach werden könnte, sei ihm bereits im Wahlkampf bewusst geworden. Denn schon da seien Bürger mit ihren Anliegen auf ihn zugetreten nach dem Motto: "Wenn Du dann Landrat bist, dann musst du. . . ". Offensichtlich in dem Glauben, dass ein Landrat, einem Feudalherren ähnlich, schalten und walten kann wie er möchte.

Immer wieder landen Anliegen von Bürgern bei ihm auf dem Schreibtisch, die ihren "besonderen Spezialfall" beschreiben und auf ihn als Landrat hoffen. Als Leiter einer staatlichen Behörde weiß Anetsberger, dass der Spielraum in vielen Fällen kleiner ist als manch einer vermutet. Ihm geht es darum, diesen Spielraum genau zu kennen. Also hat er zuletzt einzelne knifflige Fälle, etwa aus dem Bauwesen, mit den Fachleuten im Amt im Detail durchgesprochen. "Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, wie man mit solchen Anfragen umgeht", sagt Anetsberger. Dabei könne er sich auf die "hohe Expertise" der Fachleute im Landratsamt verlassen, wie er sagt. Um dieses Gespür zu bekommen, hat er sich ein halbes Jahr Zeit gegeben. Danach will er schauen, ob es nötig ist, etwas zu ändern - oder eben nicht.

Seine neue Aufgabe hat ihn schnell in Anspruch genommen. Es ist gerade einmal 100 Tage her, dass Anetsberger das Beilngrieser Rathaus geräumt hat, schon sind die kommunalpolitischen Themen dort weit weg. "Das mag nicht besonders glaubwürdig klingen, aber es ist tatsächlich so", sagt er. Das neue Amt habe ihn schnell aufgesogen, fügt er hinzu. Die Berichte, gerade über Projekte, die er angestoßen hat, verfolgt er natürlich. "Aber ich verspüre nicht das Bedürfnis, mich einzumischen. "

Zum Teil mag das auch der Corona-Pandemie geschuldet sein. In normalen Jahren würden sich die Kommunalpolitiker regelmäßig bei Festen, Einweihungen und Jubiläen treffen, am Biertisch zusammensitzen und politisieren. "Es gibt derzeit wenig Gelegenheiten, sich mit alten Weggefährten auszutauschen", sagt Anetsberger.

Was die Termine angeht, hat die Corona-Krise große Auswirkungen auf seine erste Zeit gehabt, intern wurden die Weichen bereits unter Altlandrat Anton Knapp gestellt. Darauf konnte Anetsberger aufbauen. "Das hat mit großer Zuverlässigkeit funktioniert", sagt er. Lediglich an einzelnen Stellschrauben sei nachjustiert worden, etwa bei der Materialversorgung für die Kliniken.

Landrat Anetsberger hat die ersten Wochen im Amt dank der Corona-Ruhe genutzt, um erste Weichen zu stellen für sein politisches Programm.

Kliniken im Naturpark Anetsberger hat nicht lange gefackelt und das heikle Thema Restrukturierung der Kliniken im Naturpark Altmühltal offensiv angepackt. Bei der jüngsten Kreistagssitzung hat er einen Fahrplan vorgestellt. "Wir hatten tatsächlich Handlungsdruck, ausgelöst durch die Generalsanierung. " Ihm sei klar gewesen, dass das Thema "auf den Nägeln brennt" und langfristig gelöst werden müsse. Für ihn sei es deshalb keine Option gewesen, auf Zeit zu spielen. "Das hätten wir bitter bereut. " Nun bleibt seiner Ansicht nach genug Zeit, um die erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Als Grundlage wird innerhalb des nächsten halben Jahres ein Gutachten erstellt, das nicht nur die Wirtschaftlichkeit betrachten soll, sondern die gesamte Marktsituation. Das beinhaltet unter anderem Themen wie den Fachkräftemangel, die umliegenden Krankenhäuser oder medizinische Trends. Für Landrat Anetsberger ist diese objektive Grundlage essenziell, um in einen Dialogprozess eintreten zu können, an dessen Ende dann Entscheidungen getroffen werden müssen. Für eine Prognose, wann das Defizit von momentan rund sieben Millionen Euro zurückgefahren werden kann, sei es noch zu früh. Aber Anetsberger ist auch bewusst, dass der finanzielle Spielraum aufgrund der Corona-Pandemie und den zu erwartenden Einnahmeausfällen kleiner wird.

TourismusDer Tourismus ist wegen Corona drei Monate brach gelegen, jetzt gibt es, quasi als kleiner Ausgleich, eine verstärkte Nachfrage. "Das tut gut", sagt Anetsberger. Er ist sich bewusst, dass die Branche noch in der Nachholphase ist und die Ausfälle längst nicht aufgeholt sind. Dass jetzt in manchen Gegenden bereits der Gästeansturm kritisiert wird und dass der Druck auf die Landschaft wächst, sei "nicht schön, aber auch nicht neu". Er wolle die Probleme nicht klein reden, aber in der jetzigen Phase tue der Boom ganz gut. Insgesamt sieht er den Naturpark Altmühltal mit Geschäftsführer Christoph Würflein an der Spitze gut aufgestellt.

WirtschaftLandrat Anetsberger sieht Nachholbedarf im Landkreis, was die Wirtschaftsförderung betrifft. Mit Christian Speth, dem zuständigen Sachgebietsleiter am Landratsamt, soll ein Konzept ausgearbeitet werden, das nicht nur bestehende Unternehmen unterstützt sondern auch aktive Impulse setzt. Landrat Anetsberger strebt eine stärkere Vernetzung an, etwa von Gründerzentren, der Regionalinitiative Irma und den Hochschulen. Was ihn positiv stimme sei die gute Chemie zwischen dem neuen Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf und den Landräten aus dem Umland. "Wir wollen gemeinsam einen Transformationsprozess anstoßen, der uns unabhängiger von der Automobilindustrie macht", stellt Anetsberger klar. Man wolle Audi in dieser schwierigen Phase unterstützen so weit es geht, darüber hinaus aber zusätzliche Bereiche erschließen.

Digitalisierung"Digitalisierung ist ein Megatrend mit vielen Facetten", sagt Anetsberger. Da sei in der Vergangenheit bereits viel passiert, aber vielleicht immer noch zu langsam, fügt er hinzu. Den Glasfaserausbau sieht der Landrat bei den Gemeinden gut aufgehoben, anders sieht es dagegen bei der Digitalisierung der Schulen aus. Gerade bei den Grund- und Mittelschulen wünschen sich offenbar viele Gemeinden Unterstützung vom Landkreis. Anetsberger könnte sich beispielsweise einen Zweckverband vorstellen, dem sich jeder anschließen kann, der Hilfe benötigt.

Auch intern, also in der Kreisverwaltung, wird die Digitalisierung vorangetrieben. "Eine Strategie fehlt noch", sagt der Kreischef. Das liege am fehlenden Personal. Im Herbst werde ein neuer Mitarbeiter eingestellt, der das Thema von Grund auf anpacken soll. Das betreffe zum einen die technische Ausstattung und zum anderen die Organisation. Stichwort E-Government. Das kommt letztlich auch den Bürgern zu Gute, die sich dank der elektronischen Verwaltung den ein oder anderen Behördengang werden sparen können.

Verkehr und Mobilität"Corona hat beim ÖPNV eine tiefe Bresche geschlagen", stellt Anetsberger fest. Er befürchtet, dass hier die Erholung länger dauern werde, da viele wegen der Pandemie aufs Auto und das Fahrrad umgestiegen sind. Also mehr Radwege? "Das Ziel sind 150 Kilometer", sagt er. Der Landrat hat seiner Verwaltung bereits den Auftrag erteilt, das Fördersystem zu überarbeiten und für die Gemeinden positiver zu gestalten. Das heißt, die Kommunen sollen künftig mehr Fördermittel beim Bau von Radwegen erhalten. Darüber hinaus läuft bereits ein Leader-Projekt, das sämtliche Radwege im Landkreis erfassen soll, inklusive Beschilderung. Das soll die Grundlage für den weiteren Ausbau bilden.

EK

Markus Meßner