Pfaffenhofen
Ilmina und der Bauernkönig

Dörfer und Höfe zwischen Ilmmünster und Haunstetten – Teil 4 der PK-Serie über ungewöhnliche Ortsnamen

02.10.2012 | Stand 03.12.2020, 1:00 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Hudlhub, Saulbach, Holzjackl oder Duckenried: Rund um Pfaffenhofen findet man viele originelle Ortsnamen. Manche wirken seltsam vertraut, andere geheimnisvoll und rätselhaft. Der Pfaffenhofener Heimatforscher Reinhard Haiplik hat sich in einer neuen Serie für den PK auf eine interessante Reise durch den Landkreis gemacht. Im vierten Teil geht es unter anderem um Ilmina und den Bauernkönig.

Der Nöbach hat uns durch ein stilles, weitgehend unberührtes Tal nach Reichertshausen geleitet. Wir sind an der Ilm. Woher kommt eigentlich dieser Name? Ungewöhnlich früh wird die Ilm urkundlich erwähnt. Schon um 760 finden wir in Freisinger Traditionen den Namen „Ilmina“. Gemeint ist damit die Gegend um Ilmmünster. In einem Dokument aus dem Jahre 820 finden wir die Ortsangabe „iuxta flumen Ilma“ (neben dem Fluss Ilm). Früher sahen Forscher einen Zusammenhang mit dem althochdeutschen Wort „ilm“, das „Ulme“ bedeutete. An das Wort habe man die keltische Nachsilbe „ina“ hinzugefügt.

Die Ilm wäre dann ein Fluss, der von Ulmen gesäumt ist. Einigkeit herrscht heute darüber, dass der Name indogermanische Wurzeln in sich trägt. Der Ortsnamenforscher Reinhard Bauer meint, die Ilm gehöre einer „alteuropäischen Gewässernamensschicht“ an, die schon um 1500 vor Christus auf unserem Kontinent verbreitet gewesen sei. Wie andere Gelehrte sieht er in der Ilm das indogermanische Lautelement „el“-, das „fließen“, „strömen“ bedeutet. An dieses „el“ sei der Nachlaut „m“ hinzugetreten. Demnach wäre die Ilm ein „fließendes Wasser“. Nicht weit von der Ilm, durch Petershausen und Hohenkammer, fließt die Glonn. Sie wird 770 als „clana“ erwähnt. Darin verbirgt sich das keltische Eigenschaftswort „glanos“- das heißt „rein“, „glänzend“.

Im oberen Ilmtal überwiegen Ortsnamen auf -hausen und auf -dorf – ein Hinweis auf frühe Besiedlung entlang der Nebenflüsse zur Donau: Hettenshausen („zu den Häusern des Hitto“), Reichertshausen („zu den Häusern eines Rihart“), Lampertshausen („zu den Häusern eines Landfrid“), Hilgertshausen („zu den Häusern eines Helidkers“), Paindorf („Dorf eines Pago“), Pischelsdorf („Dorf des Bischofs“; in Pischelsdorf ist 1862 der berühmte Pfarrherr Johann Nepomuk Kißlinger, ein Freund Ludwig Thomas, geboren), Volkersdorf („Dorf eines Volchart“).

Bei Jetzendorf ist der Adelige, der dem Ort seinen Namen gab, in einer Urkunde belegt. Dies ist äußerst selten! Der Edle Jezo tauschte Grundbesitz an der oberen Ilm mit kirchlichem Besitz bei Schrobenhausen. In einer Freisinger Tradition um das Jahr 980 lesen wir: „Iezo... tradidit.... ad Ilminam loco Iezindorf nominato...ecclesiam cum omni ornatu suo curtem domum horreum cum omnibus ceteris aedificiis.“ (Jezo übergab an einem Ort, an der Ilm gelegen und Jetzendorf genannt, die Kirche mit all ihrem Schmuck, den Hof, das Haus und die Scheune mit allen übrigen Gebäuden). Über jeden der hier angeführten Orte könnte man so viel erzählen. Wir haben uns aber vorgenommen, vor allem besonders originelle Ortsnamen zu erkunden. Und da finden wir in der Nähe von Jetzendorf nicht wenige: Da wäre zum Beispiel, gerade schon im Landkreis Dachau, der Speckhof. Mit „Speck“ hat der Name nichts zu tun – er leitet sich vielmehr vom althochdeutschen „spakja“ und dem mittelhochdeutschen „specke“, „Knüppeldamm“ ab. Der Speckhof ist also der Hof an einem Damm, der mit Holzknüppeln befestigt ist. Am Speckhof suchten die im Juni 1910 bei der legendären Wirtshausschlacht von Sollern schwer Verletzten erste Hilfe. Der Name Sollern könnte von althochdeutsch „sol“, „Suhle“, „Sumpfloch“ kommen. In Sollern würden dann Leute leben, die an einer Suhle wohnen (Reinhard Bauer). Zugrunde liegen könnten aber auch althochdeutsch „solari“, mittelhochdeutsch „solre“, „soller“. Dies bedeutet „Söller“, „Boden“ (Friedrich Hilble).

Kehren wir zurück in unseren Landkreis. Beim Namen des Kolmhofs, zwischen dem Speckhof und Jetzendorf gelegen, erkennt man das mittelhochdeutsche Wort „kolbe“, das zu „Keule“, „Prügelstock“ wurde. Man könnte auch an einen mit Moor- und Rohrkolben bewachsenen Bach denken. (Auch zwischen Geisenfeld und Unterpindhart gibt es einen Kolmhof).

Weingarten erinnert an den Weinanbau früherer Zeiten (ein Weingarten gibt es auch bei Pfaffenhofen und Geroldshausen), der Brunnhof an eine Quelle, die aus dem Boden springt, Thann an einen Tannenwald. Merkwürdig klingen die Namen „Happertshofen“ und „Saxau“, beide wenige Kilometer westlich von Jetzendorf gelegen. Happertshofen sind die „Höfe eines Hadeprechts“ und Saxau ist die „Ansiedelung eines Sachsen (oder eines Mannes namens Sachs) in der Au“. Au (althochdeutsch „auwia“ , „ouwa“, mittelhochdeutsch „ouwe“) bedeutet „von Gewässern umflossenes, wasserreiches Land“.

Wegen seiner Poesie gefällt der Name Grünthal, eine „Siedlung im grünen Tal“. Besonders originell ist der Name „Lueg“. Der Ort liegt im landschaftlich so reizvollen einstigen Mennonitenland zwischen Jetzendorf und Indersdorf, gehört aber gerade noch zu unserem Landkreis. Das unmittelbar angrenzende Eglersried mit seiner schönen Kirche ist schon auf Dachauer Gebiet. In „lueg“ steckt mittelhochdeutsch „luoc“ = „Lager“, „Versteck eines Wildes“.

Bei den sehr vielen -hofen- und -hausen-Orten, die sich im oberen Ilmtal dicht aneinander reihen, fallen die Namen „Lausham“ und „Steinkirchen“ aus der Reihe. Lausham ist die Heimat unseres amtierenden Landrats Martin Wolf. Mit der „Laus“ hat der Name nichts zu tun. Im Grundwort steckt das „Heim“, im Bestimmungswort das mittelhochdeutsch „lûz“. Dies kann man mit „Lauer“, „Versteck“ übersetzen. Dazu sollte man wissen, dass in Lausham früher nur ein einziger Hof stand. In einer Gerichtsurkunde des Jahres 1498 finden wir die Bemerkung „ain Hof genant der Laushof zu Lausheim“. Und Appian spricht in seiner berühmten Topographie aus dem 16. Jahrhundert von „Laushaim villa“ also von einem Landhaus Lausheim. In Lausham biegt eine Straße nach Haunstetten und Langwaid ab. Haunstetten ist ein alter Wallfahrtsort. Um 1700 wurde der Lenzbauer von Langwaid von schwerer Krankheit geheilt. Er bat, eine Säule für eine Muttergottesstatue errichten zu dürfen. Diese stand in einer Eiche nicht weit von seinem Haus. Die Figur hatte nach Fürbitten der Dorfbewohner schon manche Wunder bewirkt und die Langwaider haben eifrig Geld gespendet. Als sie sich jedoch daran machten, Steine für die Säule zu sammeln, kam vom Münchener Ordinariat der Befehl, die Muttergottes sei nach Haunstetten zu bringen. Der Lenzbauer und der Wirt waren nicht einverstanden. Der Pfaffenhofener Pfleger Matthias Noder unterstützte sie. Ausrichten konnten sie nichts. Die Madonna kam nach Haunstetten und blieb auch dort, um so mehr, da es angeblich in Langwaid zu „Gelächter und Ungebühr“ gekommen sei. Der Langwaider Wirt Thomas Führer konnte sich gar nicht mit der Verlegung der Figur nach Haunstetten abfinden. Er soll in Haunstetten Gläubige beim Beten gestört haben, soll Witze über die Predigten des Pfarrers gerissen haben. Pfarrer Johann Prambhofer beschrieb ihn als „Bauernkönig und Rädelsführer“. Pfarrer und Pfleger Noder stritten dann noch erbittert um die Verwendung der reich geflossenen Geldspenden. Noder bekam recht. Später hat sich dann die Sage verbreitet, dass die Muttergottesfigur von selbst nach Haunstetten geflohen sei. In Langwaid habe es ihr nicht gefallen. Deshalb hätten ihr die Herren von Haunstetten dort eine Kirche gebaut. Gab es die Herrn von Haunstetten? Im 11. Jahrhunder finden wir einen „Aerbo de Hunestat“ als Zeugen für das Kloster Geisenfeld. Wir wissen nicht genau, ob „Hunstat“ mit unserem Haunstetten identisch ist.

Das 1298 als Besitz von Ilmmünster erwähnte „Haustett“ ist mit Sicherheit darauf zu beziehen. Eduard Wallner sieht im Namen Haunstetten „Hausstellen mit geringem Land“. Friedrich Hilble erklärt den Namen mit „Wohnstätte eines Huni“. Mit Hunnen oder mit Hüne habe, so Hilble, dieser Name aber nichts zu tun.