Röttenbach
"Ich wünsche mir aufmüpfige Menschen"

Röttenbachs Bürgermeister Thomas Schneider schlägt kritische Töne bei Neujahrsansprache an

08.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:47 Uhr

Um Bürgermeister Thomas Schneider (am Rednerpult) scharen sich beim Neujahrsempfang die „Weisen des Dreikönigtags“ und eine Reihe von Lokalpolitkern sowie Pfarrer Matthäus Ottenwälder (rechts) - Foto: Osiander

Röttenbach (HK) Vor zahlreichen Röttenbacher Bürgern und viel auswärtiger politischer Prominenz hat Bürgermeister Thomas Schneider beim Neujahrsempfang leidenschaftlich für eine „Werteordnung der Menschlichkeit und Lebensfreude“ als Orientierung allen politischen Handelns plädiert.

Dabei schlug sich der Rathauschef nicht mit Alltäglichkeiten des politischen Geschäftes herum, sondern suchte kritisch nach „Ziel und Vision“ eines verantwortungsvollen Handelns im Blick auf einen guten Weg für Bürgerschaft und Völkerfamilie. Fatalismus nach dem Motto „Es wird schon alles gut gehen und nichts passieren“ – ohne kritisch tatkräftiges Mühen um den guten Weg – sei wie bei einem Schiff ohne rechten Kurs und verlässlichen Steuermann „brandgefährlich und grob fahrlässig“.

Sehr skeptisch frage er sich bei der aktuellen Politik immer wieder, so Schneider, „woran sich wohl unsere Spitzenleute ausrichten“ Er frage sich auch bei der Diskussion um das Freihandelsabkommen: „Was treibt unsere Politiker um, zu solch einem Preis einen freien Handel mit der USA und Kanada zu forcieren? Sind unsere Politiker wirklich in der Lage, den rechten Weg auszumachen und vorzugeben, oder laufen sie lediglich dem Zeitgeist, dem Mainstream, hinterher wie Lemminge dem Leittier, egal wohin, auch wenn es ins Verderben gehen sollte“

Seit Jahren orientiere sich die Gesellschaft am Markt. Der „Freie Markt“ gelte weithin als Evangelium, obwohl niemand eine Frohbotschaft an diesem Freien Markt erkennen könne. Es gelte nur die Botschaft „eines bedingungslosen Konsums“ – angetrieben von neoliberalen Unternehmen und Finanziers mit der nötigen Marktmacht. Dabei erkenne doch jeder kritisch Denkende: „Der Markt ist blind für tatsächliche Werte.“ Die Systemfessel des Diktats durch Angebot und Nachfrage klammere die Frage nach Moral, Recht und sozialen Ausgleich aus. Nur was angeboten oder nachgefragt werde, finde Beachtung, nicht was menschlich notwendig sei, fügte Schneider hinzu.

Weiterhin kritisch setzte sich Schneider mit der vielfach praktizierten Pervertierung von tatsächlicher Leistung und Einkommen auseinander: Unter den Topverdienern könne man keinen ausmachen, der für das menschliche Leben wirklich Wichtiges geschaffen habe. Es fänden sich Fußballstars, Schlagersänger und Schauspieler unter den Reichsten. So verdiene Georg Michael für ein einziges Weihnachtslied acht Millionen Dollar. Das Apple-Unternehmen beziffere allein seines Namens wegen seinen Wert auf 484 Milliarden Euro – das sei das Fünffache des VW-Konzerns, in dem viele tausend Arbeiter schafften. Diese unsoziale Diskrepanz gehe letztlich immer auf Kosten der „kleinen Leute“, beklagte Schneider. Mit diesen Hinweisen solle, so stellte Schneider klar, keine Neiddiskussion „angezettelt“ werden, sondern es gehe ihm um den rechten Wertekompass als „einzig richtiges Instrument für die rechte Orientierung“.

Dieses Anliegen eigenverantwortlichen Mühens und Handelns mündiger Bürger betonte Bürgermeister Thomas Schneider besonders nachdrücklich in seinem abschließenden Neujahrsgruß: „Ich wünsche unserer Gesellschaft vor allem junge Menschen, die aufmüpfig sind, die hinterfragen und kritisch beleuchten, die als gefährlichste Frage immer wieder das Warum stellen.“ Er wünsche sich der Gesellschaft Menschen, die bereit seien, eigene Wege zu gehen, auch wenn dies anstrengender sei als ausgetretenen Pfaden zu folgen. Dann würden auch zukünftig in unserer Gesellschaft Werte vorherrschen, die sich nicht in erster Linie an Geld und Ruhm, sondern an Menschlichkeit und Lebensfreude orientierten.