"Ich will jede Chance ergreifen"

02.01.2008 | Stand 03.12.2020, 6:14 Uhr

Die Hilpoltsteiner ALS-Patientin Maria Rölz-Engl ist in Berlin nach einer neuartigen Methode operiert worden, die ihr eine künstliche Beatmung erspart. - Foto: Meyer

Hilpoltstein (mmr) Als erste Frau in Europa ist die Hilpoltsteinerin Maria Rölz-Engl (45) nach einer neuartigen Methode operiert worden. Damit bleibt der ALS-Patientin später eine künstliche Beatmung erspart.

"Ich will jede Chance ergreifen", sagt Maria Rölz-Engl. Und sie hat nur kurz überlegt, als ihr Dr. Thomas Meyer, ein Neurologe an der Berliner Charité, diese Möglichkeit eröffnete. Mit einer so genannten Schlüssellochoperation, bei der nur zwei kleine Schnitte im Bauchbereich nötig waren, pflanzten ihr die Chirurgen vier Elektroden ins Zwerchfell ein. Gleichzeitig schufen sie einen kleinen Ausgang unterhalb der Brust, an dem sie ein kleines Gerät anstöpseln kann, das das Zwerchfell über diese Elektroden stimuliert.

Noch braucht Maria Rölz-Engl das Gerät nicht, "aber der körperliche Verfall geht weiter". Bei der ALS, der amyotrophen Lateralsklerose sterben die motorischen Nervenzellen im Gehirn und im Rückenmark langsam ab. Ein Heilmittel gibt es nicht, aber eben die Chance, mit Hilfe des neuartigen Geräts ein Stück Unabhängigkeit zu erreichen.

Die 45-Jährige, die es hasst, untätig zu sein, sieht das neuartige Gerät als Chance für mehr Selbstbestimmung. "Man kann wenigstens etwas tun." ALS-Patienten sterben in der Regel an Atemnot, "so kann man das Leben verlängern und auf andere Hilfsmittel verzichten, die sehr viel unangenehmer sind", eine Atemmaske zum Beispiel oder ein unhandliches Beatmungsgerät.

Im Fernsehen hat die Hilpoltsteinerin einen Bericht über eine ALS-Patientin gesehen, die im Bett lag und sich nur noch über einen Computer verständigen konnte, den sie mit den Augen steuerte. "Das will ich mir ersparen, das Leben soll noch lebenswert bleiben", sagt Rölz-Engl.

Denn letzten Endes erlahmen die Muskeln, so dass Rölz-Engl nicht mehr atmen kann. "Damit bleibt mir ein Luftröhrenschnitt oder ein Beatmungsgerät erspart." Das neue Gerät kann im Notfall die komplette Atmung übernehmen.

Der Neurologe Thomas Meyer, der Rölz-Engl in Berlin behandelt, hatte sie gefragt, ob sie die Operation vornehmen lassen will. Außer ihr wurde nur ein weiterer ALS-Patient in Berlin operiert.

Meyer, der auch bei der Tischtennis-Benefizgala, die Rölz-Engl initiiert hatte, so von ihrer Rührigkeit beeindruckt war, dass er sie für diese außergewöhnliche Operation vorschlug, die erstmals in Europa vorgenommen wurde. Die Aufsicht bei dem Eingriff, den ein Chirurg der Berliner Charité vornahm, hatte der US-amerikanische Spezialist Raymond P. Onders, zum dem Meyer Kontakte geknüpft hatte. Onders hatte bereits den bekannten Schauspieler Christopher Reeve (Superman) operiert, der nach einem Unfall querschnittsgelähmt war. Allerdings gab es bei der Operation von Maria Rölz-Engl Mitte Dezember Komplikationen. Beim Einpflanzen der Elektroden verletzten die Chirurgen mit den OP-Geräten die Lunge von Maria Rölz-Engl. "Die eine Seite ist völlig kollabiert", erzählt Rölz-Engl. Statt schnell wieder nach Hause zu fahren, musste sie zwei Tage auf der Intensivstation verbringen. "Es war furchtbar, aber es hat nie Lebensgefahr bestanden", erzählt sie.

"Ich bin total froh, dass ich das gefunden habe. Ich habe auch eine Verantwortung meiner Familie gegenüber und will nicht aufhören zu kämpfen." Am 11. Dezember ist die Hilpoltsteinerin zum zweiten Mal Oma geworden. Die kleine Rebecca kam am Tag der Operation auf die Welt. Statt an Weihnachten zwei Wochen zu früh.