Kelheim
"Ich steche euch ab"

18.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Kelheim (DK) Seit Dienstag muss sich ein 20-jähriger Azubi aus dem Kreis Kelheim vor dem Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richter Hermann Vanino wegen "Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen" verantworten. Ankläger und Verteidiger werten das Tatgeschehen völlig unterschiedlich. Nur in einem ist man sich einig: Es war reichlich Wodka im Spiel.

Zu mitternächtlicher Stunde war der Angeklagte mit ein paar Kumpanen unterwegs, als aus einem Fenster eines leer stehenden Fabrikgebäudes eine Flasche flog, zerbarst und ihn ein paar Splitter davon im Gesicht verletzt haben sollen. Bei seiner Suche nach dem Übeltäter soll er zunächst vor dem Haus auf eine 19-Jährige und ihren Begleiter gestoßen sein. Dieser hat laut Anklageschrift mit einem geöffneten Klappmesser vor dem Gesicht herumgefuchtelt und gesagt: "Ich steche euch ab." Im Haus selbst soll er das Messer einem der anderen Beteiligten an den Hals gehalten haben. Beim Wegdrücken der Waffe verletzte sich dieser an der Hand.
 

Den schwerwiegendsten Vorwurf stellt jedoch die dritte Attacke des Angeklagten dar, als er seinem Freund "helfen" wollte. In der Dunkelheit der Halle will er mitbekommen haben, dass dieser – auf dem Boden liegend – von einem aus der fremden Gruppe mit den Fäusten traktiert wurde. Dabei saß dieser auf ihm. Um die beiden Raufbolde zu trennen rammte er ihm von hinten das Messer zwischen die Rippen.

Rechtsanwalt Jörg Sodan aus Regensburg wertete dieses Tatgeschehen als "Nothilfe" und löste damit gleich zu Beginn der Verhandlung einen Disput mit Richter Vanino aus. Für Vanino war (negativ) auffallend, dass der Angeklagte bereits vor seiner "Hilfeleistung" mit dem Messer agierte. Zudem sah er für den Einsatz des Messers keine Notwendigkeit: Es hätte genügt, wenn der Angeklagte den Aggressor von seinem Freund heruntergezogen hätte. "Dann wären sie ja zwei gegen einen gewesen", sagte Richter Vanino.

Anwalt Sodan hingegen wertete dessen Schläge als nicht minder lebensgefährlich und qualifizierte diese bis hin zum "versuchten Totschlag". Auch die Vernehmung der sechs am Szenario beteiligten Zeugen brachte noch kein Licht ins Dunkel. Zu vage und schwammig waren deren Aussagen, was möglicherweise mit dem jeweiligen Alkoholpegel zwischen 1,2 und 2,0 Promille zusammenhing. Zudem konnte die Polizei weder die Tatwaffe, noch die behaupteten Flaschensplitter sichern.

Am 1. Juli wird die Verhandlung mit der Vernehmung der Polizeibeamten fortgesetzt. Auch soll dann ein Mediziner die Schwere der Verletzungen des Geschädigten bewerten.