Riedenburg
"Ich habe mit drei Mann in einer Garage angefangen"

Erfinder, Unternehmer und Riedenburger Stadtrat: Wolfgang Schleicher wird 70 Jahre alt Im Ruhestand widmet er sich Oldtimern und der Jagd

28.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:13 Uhr

Die goldenen Buchstaben an der Schiffsanlegestelle sind sein Werk: Wolfgang Schleicher wird am 1. Mai 70 Jahre alt. - Foto: Meier

Riedenburg (rat) Er zählt zu den erfolgreichsten Riedenburger Unternehmerpersönlichkeiten, saß sechs Jahre im Riedenburger Stadtrat und ist nie um einen flotten Spruch verlegen: Wolfgang Schleicher wird am 1. Mai 70 Jahre alt. Der Haidhofer hat die von ihm gegründeten Firmen DFS und Diamon, die hochwertige Dentalprodukte entwickeln und herstellen, bereits im Alter von 60 Jahren verkauft. Langweilig war ihm seitdem keine Stunde, denn nun hat er genug Zeit, sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen, wozu er seine Hobbys Fliegen, Reiten, Jagd und an Oldtimern herumschrauben zählt. Sein kommunalpolitisches Engagement beendete Schleicher aus freien Stücken nach der Kommunalwahl 2014.

Die Entscheidung, seine von ihm aufgebauten Unternehmen zu verkaufen, habe er nie bereut, erzählt er. "Ich war ausgelaugt. Ich hatte über Jahrzehnte täglich zwölf bis 15 Stunden gearbeitet, auch an den Wochenenden." Schleicher wollte nicht so enden, wie manche seiner Kollegen, die sich vor dem Dauerstress in den Alkohol flüchteten oder an Messeständen irgendwo in der Welt vom Herzinfarkt ereilt wurden. An derlei Begebenheiten erinnert er sich mit Schaudern - und zog für sich selbst rechtzeitig die Reißleine.

Schleicher hat stets unbeirrt seinen eigenen Weg verfolgt. Geboren in Brand bei Aachen, schuftete er als 15-Jähriger auf dem Bau und leistete nach dem Abitur zwei Jahre lang Dienst auf einem Torpedoboot der Bundeswehr. Sein Traumberuf sei Gesichts- und Kieferchirurg gewesen. "Ich wollte entstellte Gesichter rekonstruieren", erinnert er sich. Er begann das Studium der Humanmedizin und arbeitete nebenbei auf einer Intensivstation sowie bei einem Zahnarzt mit. "So bin ich in die Dentalmedizin hineingerutscht."

Schleicher sprühte schon immer vor Ideen. "Ich habe eine gaumenfreie Prothese erfunden, die hat sich gut verkauft." So hängte er das Medizinstudium an den Nagel, absolvierte in Rekordzeit eine Ausbildung zum Zahntechniker und ließ seine Kreativität in Dentalprodukte einfließen. In diesem Metier stehen für den Haidhofer etwa 300 Patente, Gebrauchsmuster und Neuentwicklungen zu Buche. "Ich wollte berufliche Erfüllung." Der schnöde Mammon habe ihn nie interessiert. "Das Geld kommt dann von alleine, aber es stand für mich nie im Mittelpunkt."

Nach beruflichen Stationen bei einer Dentalfirma am Bodensee und in einem Labor in Ingolstadt verschlug es ihn durch Zufall nach Riedenburg. Denn Schleicher, der seit über 50 Jahren den Jagdschein besitzt, hatte seine Passion für die Falknerei entdeckt. Die erforderliche Prüfung legte er beim damaligen Rosenburg-Falkner Josef Hiebeler ab. "Danach saß ich auf der Burg und blickte in Richtung Haidhof. Ich sah das wunderschöne Tal, da stand damals ja fast noch nichts." Bereits am nächsten Tag wurde Schleicher beim damaligen Bürgermeister Josef Schneider vorstellig, um sich ein Grundstück zu sichern und 1981 war Baubeginn für die eigene Firma. "Ich habe mit drei Mann in einer Garage angefangen."

Aus dem Start-up, wie man es heute nennen würde, entwickelte sich rasch ein globaler Marktführer für zahlreiche Dentalprodukte. Für deren Vermarktung reiste Schleicher jahrelang rund um die Welt. "Ich kann bis heute kein Hotel und kein Messezentrum mehr sehen", klagt er. Mit rund 60 Mitarbeitern war der Haidhofer Riedenburgs größter Arbeitgeber. Er entwickelte chemische Stoffe sowie Kunststoffspritzprodukte und errichtete eine Spray-Abfüllanlage. "Ich habe mir als Autodidakt ein Allround-Wissen über Metalle und Kunststoffe angeeignet."

Nach 25 Jahren harten Arbeitspensums verkaufte er das Unternehmen. Doch schnell wartete eine neue Herausforderung, die Riedenburger Lokalpolitik. Schleicher reanimierte die örtliche FDP und wurde im Jahr 2008 prompt in den Stadtrat gewählt. "Das war eine Bereicherung meines Lebens, auch weil ich Michael Schneider eine gewisse Streitkultur beibringen konnte." Tatsächlich fochten der Bürgermeister und der Ex-Unternehmer manch' harten verbalen Strauß aus. Doch mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit setzte Schleicher seine Akzente, wie er zufrieden aufzählt: Motorradstellplätze in der Innenstadt, den Fitnesspark und die Vergoldung der "Riedenburg"-Buchstaben an der Schiffsanlegestelle. Hier legte der Metallexperte natürlich selbst Hand an. Vielen Mitgliedern des derzeitigen Stadtrats "fehlt es an Persönlichkeit und Lebenserfahrung", rügt Schleicher, nennt aber keine Namen. Lob hat er dagegen für den "sehr aktiven Bürgermeister Siegfried Lösch" parat.

Trotz spitzer Kritik an manchen Dingen liebt Schleicher seine Wahlheimat: "Das beschauliche Riedenburg ist ein Genuss für die Seele." Weder seine aus Eichstätt stammende Frau Sigrid noch er selbst hätten je mit dem Gedanken an einen Wegzug gespielt. Außerdem hat Schleicher hier sein Jagdrevier, das er in den vergangenen Monaten auf Vordermann gebracht hat. So interessiert ihn am 1. Mai weniger sein runder Geburtstag - sondern vor allem, dass endlich die Bockjagd wieder losgeht.