Herr
"Ich erkenne die Stadt fast nicht wieder"

Der Maler Sigi Braun über Pfaffenhofen, die Nachkriegszeit und seine Kunst

04.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:30 Uhr

Der Maler Sigi Braun über Pfaffenhofen, die Nachkriegszeit und seine Kunst

Herr Braun, Sie besuchen zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung zu Ihren Ehren Ihre Heimatstadt Pfaffenhofen. Das erste Mal haben Sie hier schon vor 65 Jahren Bilder gezeigt?
 
Sigi Braun: Genau. Die erste Gemeinschaftsausstellung haben wir schon 1949 in Pfaffenhofen gemacht – da waren auch Eduard Luckhaus und Walter Repke dabei. Ausgestellt haben wir im Schlachthofviertel im alten Gebäude des Landwirtschaftsamts. Ich glaube, das steht gar nicht mehr.

 

Im Amerikaner-Haus? Das gibt’s nicht mehr. Wie so vieles. Wie erlebt man seine sich ständig verändernde Heimatstadt, wenn man zurückkehrt?

Braun: Einerseits ist es natürlich toll, was sich getan hat – allein das Flair! Andererseits erkenne ich die Stadt fast nicht wieder: Viel ist weggerissen und überbaut worden. Zum Beispiel das Sigleck oder der Bortenschlagen. Das tut mir schon ein bisschen im Herz weh. Oder das alte Schaupert-Haus an der Stadtmauer. Unverzeihlich, dass es weg ist. Oben im Zimmer war das Atelier, in dem Viktor Gernhard, Vitus Müller und ich als junge Männer bei Repke Zeichnen gelernt hatten. Er war ein ausgebombter Künstler, der in München eine große Malschule hatte, bevor es ihn nach Pfaffenhofen verschlug.

 

Der Wandel hat auch sein Gutes: Jetzt haben Sie für Ihre Ausstellung in der Kulturhalle hunderte Quadratmeter Fläche und meterhohe Wände für Großformate zur Verfügung.

Sigi Braun: Damit habe ich jetzt natürlich ganz andere Möglichkeiten. Die Halle ist fantastisch, aber auch ein bisschen kompliziert: Alles hängt zusammen; in meiner Malerei habe ich aber Brüche. Lang halte ich es bei Serien nicht aus, meistens enden sie bei 20 Bildern – und dann versuche ich wieder was Neues. Da ist es einfacher, die Bilder in einer Galerie mit verschiedenen kleineren Räumen auszustellen, wie neulich in der Galerie im Alten Rathaus in Prien. Hier in Pfaffenhofen ist es schwieriger, weil die Arbeiten mal gegenständlich sind und mal abstrakt.

 

Apropos „abstrakt“: Woher stammt eigentlich Ihre frühere Formensprache, die an die Kunst indigener Völker Mittelamerikas erinnern.

Braun: Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich habe für die Kultur da drüben recht geschwärmt und mir viel Literatur zugelegt. Und dann habe ich versucht, Hieroglyphen dieser Kulturen, die recht gegenständlich und menschlich sind, in Bilder umzusetzen. Ich bin ein Sucher, der eben immer etwas Besonderes machen wollte.

 

So wie damals, als Sie nur wenige Jahre nach Kriegsende an die Kunstakademie gegangen sind? Was hat Sie damals in einer schwierigen Zeit bewogen, Künstler zu werden?

Braun: Maler wollte ich schon von Jugend an werden und bin auch bei einer Hofmalerfirma in München in die Lehre gegangen. Nach dem Krieg hat sich dann 1949 ergeben, dass ich an die Akademie gehen konnte. Das war eine schöne Zeit. Anders als heute hat man damals noch alles von der Pike auf gelernt – zum Beispiel durch tägliches Porträtzeichnen.

 

War Ihre Kunst damals ein Gegenentwurf zur genormten Ästhetik der Nationalsozialisten, die Sie als Jugendlicher erlebt haben?

Braun: Ja, natürlich. 1943 und 44 hatte ich mir sogar eine Dauerkarte für das Haus der Kunst gekauft – damals hieß es noch „Haus der Deutschen Kunst“. Und wenn ich Zeit hatte, habe ich mir die Ausstellungen dort angeschaut. Das war zwar reine Nazikunst, ich muss aber zugeben, dass sie mir als junger Mann damals gefallen hat. Das Kunst darüber hinaus geht, habe ich erst später an der Akademie der Bildenden Künste kennengelernt. Das war für mich etwas völlig Neues: Cézanne oder Van Gogh, die französischen Impressionisten – das kannte ich vorher gar nicht.

 

Sie sind dann ja alles andere als ein gegenständlicher Maler geworden und haben schon vor Jahrzehnten fantastische Bildwelten mit abstrakten Raumschiffen entworfen.

Braun: Man versucht ja, sich weiterzuentwickeln. Aber zu den Raumschiffen kann ich Ihnen gar nicht mehr so viel erzählen. Das liegt zu weit zurück für mich. Das war mal eine Serie von vielleicht 20 Bildern – die damals aber gut ankamen und sogar im Haus der Kunst ausgestellt wurden. Danach war es mit den Raumschiffen auch wieder vorbei: Wenn sich das Motiv nur noch wiederholt, verliere ich den Reiz und suche – bis ich etwas Neues gefunden habe.

 

Das Gespräch führte

Michael Kraus.