Ingolstadt
"Ich bin mental stark"

Radprofi Patrick Haller über die anstehende Saison und den Druck, nun Ergebnisse liefern zu müssen

20.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:35 Uhr

Ingolstadt (DK) Es ist sein viertes Jahr bei den U23: Der Ingolstädter Radprofi Patrick Haller (Team Heizomat rad-net.

de) will in dieser Saison den Durchbruch schaffen und sich für ein WorldTour-Team empfehlen. Bereits bei den ersten Rennen in Kroatien möchte der 21-Jährige angreifen, bevor er bei den Klassikerrennen in Belgien startet. In unserem Interview sprach Haller über die Saison, Ziele und den Druck, nun Ergebnisse im letzten U23-Jahr liefern zu müssen, damit der große Traum von der WorldTour nicht zerplatzt.

Herr Haller, sind Sie jemand, der immer einen Plan B in der Tasche hat?
Patrick Haller: Es gibt einen Plan B. Aber ich konzentriere mich nur auf den Plan A.

Und dieser heißt WorldTour. Allerdings könnte der Traum zerplatzen, sollten die Ergebnisse nicht stimmen.
Haller: Daran denke ich nicht. Selbstverständlich kann immer Pech dazukommen, wenn ich mir beispielsweise beim ersten Rennen das Schlüsselbein brechen würde. Aber soetwas muss man ausblenden. Ich befinde mich auf einem guten Weg und habe meinen Traum fest vor Augen.

Trotzdem folgt jetzt die wichtigste Saison Ihrer Karriere.
Haller: Für den Schritt, den ich gehen will, ja. Aber trotzdem ist das Ziel nicht neu. Ich verfolge dieses schon viele Jahre. Deshalb sehe ich es nicht ganz so extrem anders als die Jahre zuvor.

Aber Sie spüren schon den Druck, oder?
Haller: Ja. Schließlich bin ich die vergangenen Jahre nicht ohne Ziel Rad gefahren. Dies ist nun mein viertes U23-Jahr. Am Ende diesen Jahres, heißt es immer, sollte man es geschafft haben. Ich weiß deshalb, dass ich für einen Platz in der WorldTour nun Ergebnisse liefern muss, um mich für ein großes Team zu empfehlen.

Ihr Trainer Ralf Grabsch sagte im DONAUKURIER zur Bilanz der vergangenen Saison, dass Sie sich 2018 bei der angepeilten Titelverteidigung beim Zeitfahren der deutschen U23-Meisterschaft zu viel Druck machten und deshalb verkrampften. Was tun Sie, dass dies nun nicht wieder passiert?
Haller: Ich muss locker bleiben.

Klingt einfach. Funktioniert das denn auch so einfach?
Ich habe Spaß am Radfahren und auch an den Rennen. Das ist wichtig. Denn dadurch habe ich die notwendige Lockerheit. Dies ist meiner Meinung nach der Schlüssel zu kommenden Erfolgen. Wer zu verkrampft ist, der macht Fehler, ist anfälliger für Stürze, weil er am falschen Platz ist. Das persönliche Ziel und das des Teams darf man bei aller Lockerheit aber nicht verlieren.

Ist es die hohe Gabe eines Top-Sportlers, dass er sich ambitionierte Ziele setzt und diese erreicht, ohne zu verkrampfen?

Haller: Wer so lange dabei ist wie ich jetzt, der lernt mit dem Druck umzugehen. Und man lernt auch mit Niederlagen umzugehen. Klar hadert man mit Pech, mit Fehlern oder Stürzen. Aber ich habe gelernt, dies dann zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Als Sportler kann man mit solchen Situationen und auch Niederlagen besser umgehen, weil man damit häufiger konfrontiert wird.

Nehmen Sie Hilfe in Anspruch bei der Verarbeitung von Niederlagen?
Haller: Ich verarbeite meist alles selbst mit mir, ohne jemanden damit einzubeziehen. Kürzlich hatte ich aber erstmals mit einem Sportpsychologen gesprochen, der mir vom DOSB (Deutschen Olympischen Sportbund, d. Red. ) angeboten wurde. Auch Bücher habe ich über das Thema Sportpsychologie bereits gelesen. Allerdings hat mich das alles nicht großartig weitergebracht.

Warum?
Haller: Weil ich mental stark bin. Deshalb weiß ich nicht, woran ich groß arbeiten müsste oder wo es bei mir große Möglichkeiten zur Verbesserung gäbe.

Dann hat Sie die durch die Grundausbildung bei der Bundeswehr gestörte Saisonvorbereitung im November auch nicht großartig aus dem Konzept gebracht?
Haller: Zu Beginn war ich nicht begeistert, statt mit der Vorbereitung auf die neue Saison nun die Grundausbildung absolvieren zu müssen. Aber im Nachhinein betrachtet, hat es mir nicht geschadet. Ich konnte neben der Grundausbildung noch trainieren - allerdings natürlich nicht in dem Umfang, wie die Jahre zuvor. Trotzdem war die Vorbereitung gut, meine Form stimmt und die Leistungsanalyse unterstreicht diesen Eindruck.

Dann sind Sie zufrieden mit Ihrer Form?
Haller: Meine Werte sind erneut besser geworden. Wie die Jahre zuvor konnte ich mich wieder steigern, was meine Leistung angeht. Allerdings hatte ich über den Winter etwas zugenommen. Aber diese drei bis vier Kilogramm an Mehrgewicht sind wieder runter. Sonst hatte ich mein Renngewicht über den Winter gehalten. Allerdings war ich dadurch - gerade bei den kalten Temperaturen - auch anfälliger für Infekte.

Nun liegen hinter Ihnen mehrere Trainingslager.
Haller: Nach der Grundausbildung bei der Bundeswehr folgte über Silvester ein Grundlagen-Trainingslager in Girona. Anschließend absolvierte ich ein Langlauftrainingslager mit dem Team im Schwarzwald. Das war eine tolle Erfahrung und ein guter Ausgleich für den Oberkörper. Dann folgte nach einer Ruhewoche ein 15-tägiges Trainingslager auf Gran Canaria. Unter besten Bedingungen konnte ich dort trainieren. Auch da lag das Hauptaugenmerk auf der Verbesserung der Grundlage. Anschließend folgte eine Ruhewoche und der Start des zwölftägigen Trainingslagers auf Mallorca. Dieses Trainingslager ist intensiver und etwas näher in Richtung Rennen ausgelegt. Ich bin also gerüstet.

Auf Gran Canaria trainierten Sie unter anderem mit Pascal Ackermann, dem deutschen Shootingstar der vergangenen Saison. Was können Sie von ihm lernen?
Haller: Neben Pascal Ackermann waren auch die deutschen und österreichischen Fahrer des WorldTour-Teams Bora-Hansgrohe vor Ort. Wir hatten viel Spaß und diese Trainingseinheiten haben mich bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Was hat Ihnen ein WorldTour-Profi noch voraus?
Haller: Sie fahren in einem größeren Team (lacht). Ich würde nicht sagen, dass sie leistungsmäßig Welten von mir entfernt sind. Es sind lediglich ein paar Kleinigkeiten, die mir noch fehlen.

Was sind die Höhepunkte in dieser Saison?
Haller: Die Saison startet am 3. und 5. März mit der Trofej Umag und der Trofej Porec, zwei Eintagesrennen, in Kroatien. Anschließend folgt eine viertägige Rundfahrt, die Istrian Spring Trophy. Die ersten Höhepunkte sind Ende März, Anfang April die U23-Rennen Gent-Wevelgem und die Flandern-Rundfahrt. Beide Rennen finden im Rahmen der bekannten Klassikerrennen der WorldTour statt. Da will ich eine gute Performance abliefern, weil dies ein perfekter Platz ist, um sich zu empfehlen. Denn bei diesen Rennen sind auch alle WorldTour-Teams vor Ort. Diese Rennen sollten mir liegen. Ich kenne die Strecken und die Kopfsteinpflasterpassagen. Da will ich angreifen.

Wie geht es danach weiter?
Haller: Anschließend folgen zwei, drei Rundfahrten, einige Bundesliga-Rennen, das UCI1.2-Rennen Eschborn-Frankfurt, die deutsche Meisterschaft, die Tour de l'Avenir, die Deutschland-Tour und dann hoffe ich natürlich auf eine Teilnahme bei der Weltmeisterschaft in Yorkshire. Der Fokus liegt nun allerdings auf dem ersten Saisondrittel. Da will ich bereits angreifen und Ergebnisse einfahren.

Und dies würde Ihnen etwas den Druck nehmen?
Haller: Wenn man in der Bundesliga ganz vorne dabei ist, die Klassiker gut fährt und bei einem UCI-Rennen sich vorne präsentiert, ist die Chance da. Falls ich dies in der ersten Saisonhälfte schon erfüllen würde, könnte ich die zweite Saisonhälfte entspannter angehen.

Und auch Ihr Team soll dann für Sie fahren.
Haller: Ja. Denn mit Jonas Koch hat ein starker Fahrer noch kurzfristig einen WorldTour-Vertrag bei CCC bekommen. Er war als Kapitän vorgesehen. Diese Rolle werde ich nun einnehmen. Diese Verantwortung kann und will ich auch übernehmen. Mit Jan Tschernoster wechseln wir uns als Doppelspitze. Jan ist ein Bergfahrer, also ein anderer Fahrertyp als ich. Wir verstehen uns auch privat gut und werden uns nicht im Weg stehen. Somit haben wir eine gute Mannschaft und wurden mit jungen Fahrern mit viel Talent ergänzt.

Das Gespräch führte
Timo Schoch.