Traunstein
"Ich bin immer noch der Pepi"

Skirennläufer Josef Ferstl über den Rummel um seine Person und den Speed-Auftakt am Wochenende

26.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:31 Uhr
Seinen größten Erfolg feierte Josef Ferstl im vergangenen Januar. In Kitzbühel raste der 30-jährige Traunsteiner völlig überraschend zum Sieg im Super-G. −Foto: Kappeler/dpa

Traunstein (DK) Mit seinem Sieg beim Super-G in Kitzbühel ist Josef Ferstl endgültig in der Ski-Weltspitze angekommen.

Vor dem Saisonstart der Speed-Fahrer am kommenden Samstag in Lake Louise/Kanada sprachen wir mit dem 30-jährigen Traunsteiner über seine Handverletzung und den Aufschwung des deutschen Speed-Teams .

Herr Ferstl, Sie haben sich Ende Oktober im Training die Hand gebrochen. Wie geht's ihr?


Josef Ferstl: Ganz gut, aber ich habe ich noch keine Ahnung, wie oder ob es mit dem Skifahren überhaupt funktioniert. In den letzten Wochen habe ich nur Reha und Therapie gemacht, aber unter Belastung habe ich es noch gar nicht probiert. Ich hoffe einfach, dass es irgendwie geht. Das Team ist ja schon am 8. November rüber geflogen und wir haben entschieden, dass ich noch nachfliege, weil es in den letzten Tagen viel besser geworden ist.


Die Verletzung ist beim Riesenslalom passiert. Sehen wir Sie in dieser Disziplin auch bald?


Ferstl: Nein, aber Riesenslalom ist für uns die Kerndisziplin, der Grundschwung unter den Skifahrern. Den sollte man beherrschen. Darum trainieren wir regelmäßig Riesenslalom. Es ist saublöd gelaufen. Ich bin mit der Hand am Tor hängen geblieben. In meiner Karriere bin ich schon gefühlt Hunderttausende Tore gefahren, aber das ist mir noch nicht passiert (lacht).



Der Super-G-Sieg im Januar in Kitzbühel war der Höhepunkt Ihrer Karriere. Wie hat sich Ihr Leben seither geändert?


Ferstl: Ich bin trotzdem noch der Pepi, habe trotzdem noch die gleichen Spezln. Man wird jetzt ein bisschen öfter erkannt oder auf Events eingeladen. Es sind mehr Termine drumherum. Den Spagat zwischen Familie, Training und diesem Business zu finden, ist oft gar nicht so einfach.



Fällt es Ihnen schwerer, sich auf den Sport zu konzentrieren?


Ferstl: Man möchte natürlich jedem Rede und Antwort stehen. Aber irgendwann muss man Prioritäten setzen, weil die Saison vor der Tür steht und man möchte bestmöglich vorbereitet sein. Aber das versteht auch jeder. Meistens dauern die Termine ja nicht nur eine Viertelstunde. Du musst hinfahren, da gehen teilweise Tage drauf und das summiert sich. Jeder Tag, der dadurch verloren geht, ist ein verlorener Trainingstag.


Sie sind erst in den vergangenen zwei, drei Jahren in die Weltspitze vorgedrungen. Vorher waren Sie oft verletzt, aber auch sonst nicht sehr konstant. Wieso ist der Knopf irgendwann aufgegangen?


Ferstl: Wir sind 2014 mit der Speed-Mannschaft vor einem Trümmerhaufen gestanden, keiner hatte sich für die Olympischen Spiele in Sotschi qualifiziert. Wir sind kritisiert worden ohne Ende und haben gar nicht gewusst, was wir machen sollen. Uns war klar, dass wir nicht so schlecht sind, wie es auf der Ergebnisliste steht. Dann ist irgendwann die Reaktion des DSV (Deutscher Ski-Verband, Anm. d. Red. ) gekommen, von Wolfgang Maier (DSV-Alpindirektor, Anm. d. Red. ), der Weltklasse-Trainer geholt hat: Matthias Berthold, Christian Schwaiger. Sie haben uns gezeigt, dass sie an uns glauben. Wir haben Rückhalt und Vertrauen gespürt. Das hört sich banal an, aber das ist so wichtig für einen Sportler, dass das Team hinter einem steht.


Matthias Berthold hat nach der abgelaufenen Saison allerdings als Herren-Cheftrainer aufgehört, Christian Schwaiger hat übernommen. Was hat sich seitdem geändert?


Ferstl: Im neuen Team ist der Zusammenhalt genauso stark. Aber es ist natürlich anders. Es sind andere Trainertypen im Team, aber der Spirit bleibt der Gleiche.



Matthias Berthold, der seit Sommer beim 1. FC Nürnberg arbeitet, wurde oft als derjenige beschrieben, der das Herrenteam nach erfolglosen Jahren sportlich wiederbelebt hat. Welche Lücke hinterlässt er?


Ferstl: Klar, er hat einen unglaublichen Beitrag geleistet. Aber das gesamte Team war super. Matthias hatte daran einen großen Anteil, er war der oberste Chef. Aber auch die Disziplintrainer, Physios, Servicemänner haben hervorragende Arbeit geleistet. Für mich ist Matthias ein extrem wichtiger Ansprechpartner gewesen. Ich verstehe ihn auch. Er war so lange in diesem Geschäft dabei, hat so viele Siege gefeiert, da ist es klar, dass er mal etwas anderes machen möchte. Auch wenn es für uns ein Verlust ist.

Felix Neureuther, Marcel Hirscher oder Aksel Lund Svindal: Nach dem Winter haben einige namhafte Skifahrer aufgehört. Wer kann aus Ihrer Sicht da nachfolgen?


Ferstl: Es wird sicher wieder Leute geben, die gewinnen (lacht). Die Frage ist, wie dominant diese Leute sein werden. Auf der Technikseite gibt es natürlich Henrik Kristoffersen, der hinter Marcel Hirscher gefühlt tausendmal Zweiter geworden ist. Von dem könnte man erwarten, dass er das Ganze übernimmt. Aber man hat ja auch beim Saisonauftakt in Sölden schon gesehen: Der Skisport entwickelt sich. Warum soll nicht auch mal wieder ein Speed-Fahrer den Gesamtweltcup gewinnen? Dominik Paris hat zum Beispiel in der vergangenen Saison eine unglaubliche Serie erwischt. Ob jemand noch einmal so dominant sein wird wie Marcel Hirscher, das ist ganz schwer zu sagen. Für mich ist Marcel der beste Skifahrer der Geschichte. Das war einfach unglaublich. In welcher Sportart hat es das gegeben, dass einer über acht Jahre hinweg derart dominiert? Für mich ist Marcel ein Jahrhundertsportler.

Das Gespräch führte Alexander Augustin.