Ingolstadt
"Ich bin ein Stehaufmandl"

Der politische Bäckermeister und langjährige CSU-Stadtrat Josef Christl feierte gestern 80. Geburtstag

25.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:23 Uhr
Die Brezn als Leitmotiv: Jubilar Sepp Christl ist auch daheim von Erinnerungsstücken aus seinem Berufsleben umgeben. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Wenn Bäckermeister Josef Christl erzählt, wie er jahre- und jahrzehntelang in der Früh immer um drei aufgestanden ist und oft spät abends noch gearbeitet hat, dann wundert man sich als etwas jüngerer Mensch, wie jemand das aushalten kann.

Nicht etwa, dass die Arbeit den Christl Sepp von unzähligen Ehrenämtern abgehalten hätte. Und schon gar nicht von der Politik als CSU-Stadtrat. Gestern wurde er 80 Jahre alt.

Inzwischen geht es natürlich beim Jubilar und seiner Frau Elisabeth in ihrem ruhigen Eigenheim in Mailing weitaus beschaulicher zu. "Mich regt nix mehr auf, auch nicht in der Politik", sagt er dem Besucher vom DK. Christl lässt sich einfach nicht unterkriegen, er ist zwar nicht mehr ganz so gut auf den Beinen - nach einer Fußamputation trägt er eine Prothese -, doch zu seinen Stammtischen fährt er nach wie vor. "Ich bin ein Stehaufmandl", so lautet seine Lebensphilosophie, "ich komm' immer wieder auf die Füß. " Diese Haltung half dem Ehepaar Christl sicher auch, als ein schwerer Schicksalsschlag die Familie traf und einer der beiden Söhne vor fünf Jahren an Krebs starb. Der Tod des Nachfolgers in der Bäckerei Christl bedeutete gleichzeitig das Ende des Betriebes. "Beim Pfingstvolksfest 2013 habe ich noch selbst geliefert", erzählt sein Vater, danach war Schluss.

Ihren Ursprung hatte die Bäckerei 1934 in Mailing. wo Sepp Christls Vater mit einer kleinen Backstube angefangen hatte. "Mischbrot 2 Pfund zu 0,35 Mark" - so wurde in der Pionierzeit vom Firmengründer für sein Angebot geworben. "Ich bin schon mit zehn, zwölf Jahren mit dem Semmelsackerl zum Pfafflinger reingefahren", erzählt der Jubilar.

1960 zog der Betrieb an den Hauptsitz in der Münchener Straße, 1970 übernahm Sepp Christl die Führung des Unternehmens, das nach und nach größer wurde und fünf Filialen hatte. Wer glaubt, damit wäre ein Handwerksmeister und Familienvater von drei Kindern ausgelastet gewesen, täuscht sich gründlich. Verbandsarbeit und diverse Ehrenämter gehörten und gehören bei Christl immer dazu: Bäckerinnung, Innungskrankenkasse, Kirchenverwaltung, Sportverein, Elternbeirat, ehrenamtlicher Verwaltungsrichter - bei so einer breit gestreuten Aktivität im vorpolitischen Raum war es beinahe zwangsläufig, dass die CSU den Handwerksmeister als Stadtratskandidaten aufstellte.

Ein Kreishandwerksmeister, das war schon immer der Ehrgeiz der Christsozialen, muss als Stadtrat in ihren Reihen vertreten sein. Vor Christl füllte der Schneidermeister Fritz Hoyer diese Position aus, heute tut es der Dachdeckermeister Karl Spindler. Das Handwerk kann aber auch über die Parteigrenzen hinweg verbinden. So erwähnt Jubilar Christl eigens seine besondere Sympathie für einen verstorbenen Stadtrat der SPD. "Mit dem Gruber Heiner war ich mir oft einig. "

Mit der Linie seiner eigenen Fraktion, der er von 1982 bis 2008 angehörte, nicht immer. "Vom Güterverkehrszentrum war ich nicht begeistert. Ich hab' gedacht, damit nehmen die uns noch mehr Arbeit weg. " Wie andere Mittelständler hatte Christl Bedenken, dass die Audi-Expansion zu Lasten der kleineren Betriebe gehen würde. "Aber ich habe mich belehren lassen. Heute muss ich sagen, man hat Arbeitsplätze geschaffen. Nur keine Wohnungen, daran hat man nicht gedacht. " Auch bei der damaligen Ansiedlung des Westparks und der FOC-Genehmigung, bemerkt der Jubilar, "war ich natürlich dagegen".

An der Loyalität des Bundesverdienstkreuzträgers zu seiner Partei änderten diese Differenzen nichts. Bis in sein letztes Stadtratsjahr 2008 erfüllte er die ehrenvolle Traditionsaufgabe, in der jährlichen Haushaltsdebatte des Stadtrates die Redezeiten der Fraktionsführer zu stoppen. Und selbst als Sepp Christl sich vor zehn Jahren zum Rückzug aus der Kommunalpolitik entschlossen hatte, erwies er der Ingolstädter CSU noch einen letzten großen Dienst, indem er auf dem 50. und letzten Platz der Stadtratsliste kandidierte. So trug er als Stimmensammler zum Wahlerfolg der CSU bei.