Hilpoltstein
Hypnotische Klangteppiche

30.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:15 Uhr
Cool, lässig und brillant: Markus Schieferdecker (am Bass) und seine Truppe erschaffen ein Konzertereignis aus dem Bilderbuch. −Foto: Foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) Jazz auf der Burg - bei 30 Grad im Schatten. Das hat es wohl noch nie gegeben. Umso mehr freute sich Hilpoltsteins Bürgermeister, dort am späten Sonntagnachmittag rund 100 Besucher zu einem kulturellen Highlight des Jahres begrüßen zu dürfen.

Dabei hatte die Geschichte eigentlich mit dem Kreuzwirtskeller begonnen. Denn das Markus Schieferdecker Quartett, eine durch und durch hochkarätige besetzte Jazzcombo, deren Namensgeber, Bassist Markus Schieferdecker, aus Thalmässing stammt, hatte eigentlich beim Kreuzwirtskeller zwecks Spielort angefragt. Aus Platzgründen wurde man aber an die Residenzkultur weitergeleitet.

Schieferdecker, der am Beginn seiner internationalen Karriere vor rund 30 Jahren schon mal im Kreutwirtskeller gespielt hatte, bedankte sich deshalb auch bei Martin Kapfenberger vom Kreuzwirtskeller, "dass dieser die Kulturchefin der Stadt Kathrin Blomeier angerufen hat, und wir nun hier auf der Burg für Sie spielen dürfen", sagte Schieferdecker, der heute in Köln lebt. Ein bisschen nervös sei er ja schon, da er in so viele bekannte Gesichter blicke, gestand er.

Aber so ganz nimmt man ihm das nicht ab, bei der Karriere, auf die der 46-Jährige zurückblicken kann. Als Jungstudent war er am Nürnberger Meistersinger-Konservatorium, danach am Würzburger Hermann-Zilcher-Konservatorium und schließlich an der Musikhochschule Köln. Von 1994 bis 1997 gehörte er dem Bundesjazzorchester an, 2004 schloss er die Meisterklasse mit Konzertexamen ab. Er stand seither in vielen namhaften Formationen, kennt sich in der New Yorker Jazzszene aus und spielte mit unzähligen bekannten Künstlern aus der ganzen Welt.

Auch die Musiker seines Quartetts können getrost als brillant bezeichnet werden. Am Saxophon war der aus New York stammende Wayne Escoffery, der zum Beispiel auch aus der Tonight Show von Jimmy Fallon bekannt ist und unter anderem mit Herbie Hancock tourte. Joris Dudli am Schlagzeug stammt aus Wien und arbeitete unter anderen als Studiomusiker mit Größen wie Rainhard Fendrich, Wolfgang Ambros und Georg Danzer zusammen. Das Quartett komplett machte der ebenfalls aus New York stammende Pianist Victor Gould.

Und während die nächsten zwei Stunden die Schatten auf der Burg immer länger wurden, die Schweißflecken auf den Hemden der Musiker immer größer und hin und wieder ein Vogel knapp über die Köpfe der Zuschauer sauste, breitete das hochtalentierte Quartett seinen faszinierenden Klangteppich über der Burg aus, der fast schon etwas Hypnotisches an sich hatten. Mal begannen die Stücke, die gerne auch mal zehn Minuten oder länger sein durften, verträumt und ruhig, dann wieder sehr basslastig und energetisch. Beschwingt waren alle, so dass es wohl kein Fuß im Publikum unversucht ließ, den anspruchsvollen Rhythmus mitzuwippen - keine leichte Aufgabe bei dieser Art von Jazz.

Viele Stücke stammten aus der Feder von Schieferdecker - mit Namen wie "Aus heiteren Himmel" oder "Radio Arecibo", übrigens dem Gärtner des weltgrößten gleichnamigen Radioteleskops in Puerto Rico gewidmet. Aber es waren auch sehr individuelle Interpretationen von Werken bekannter Jazzgrößen dabei, bei denen sich die Musiker mit ihren Soli regelmäßig abwechselten: Wayne Escoffery konnte seinem Saxophon sowohl intim leise als auch energiegeladene Töne entlocken, und erwies sich darüber hinaus als ein wahrer Hochgeschwindigkeitssaxophonist. Victor Gould brachte auf seinem Piano hin und wieder bluesige Elemente mit ein, und der stets lächelnde Schlagzeuger Joris Dudli hielt das Quartett mit seinen Rhythmusvarianten zusammen.

Egal wie weit die Soli auch abschweiften, immer brachte er sie schlussendlich wieder auf einen Punkt zusammen. In Sachen Rhythmus hatte natürlich auch Schieferdecker einiges beizutragen, wenngleich seine knackigen Soli - wie zum Beispiel bei dem Stück "Mingus Spirit" - auch ganz ohne Begleitung seiner Kollegen das Publikum in den Bann zogen - faszinierend!

Dieses Konzertereignis wie aus dem Bilderbuch, über dem gegen Ende hin und wieder eine kühle Brise für willkommene Abfrischung sorgte, endete mit dem eingängigen Stück "Blues on Mars" und mit der Hoffnung, dass "Jazz auf der Burg" keine einmalige Angelegenheit bleibt.

Tobias Tschapka