Fürth
Hybris der Macht

Das selten gespielte Stück "Caligula" von Albert Camus in einer eindrucksvollen Inszenierung am Stadttheater Fürth

18.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:18 Uhr

Caligula (Mitte hängend Sebastian Koch) macht sich im Kreise seiner Senatoren zum Gott. - Foto: Langer

Fürth (DK) Statt der antiken Götter stehen überlebensgroß Stalin, Mao und Gaddafi auf den Sockeln ihrer Denkmäler - nur Hitler fehlt in der illustren Runde der Tyrannen, Despoten und modernen Massenmörder. Dabei steht "Caligula", das erste Theaterstück des französischen Schriftstellers Albert Camus (1913-1960), das er 1938 schrieb, wie ein Menetekel für die sich abzeichnenden Grauen der Hitler-Diktatur.

Jetzt stellt das Theater Fürth das selten gespielte Stück in einer verdienstvollen Inszenierung von Petra Wüllenweber vor.

Nur tausend Tage, von 37 bis 41 n. Chr., dauerte die grausame Herrschaft des römischen Kaisers Caligula, der in seinem Wahn und von seiner absoluten Macht als Imperator besessen, ein Experiment anstellt: Wie weit kann ich gehen, um alle Menschen schuldig und damit gleich, also gleich glücklich zu machen, um sie von ihrer "entsetzlichen Freiheit" zu befreien. Was er an den Senatoren und Konsuln der damaligen Welthauptstadt Rom durchexerzierte, die er bis zur Lächerlichkeit bloßstellt, demütigt, peinigt oder ermordet.

In Fürth spielte Sebastian König so überragend diesen Caligula, dass die Senatoren und die einzige Frauenrolle, Caligulas Geliebte Caesonia, fast zur Staffage werden. Wie ein vom Wahn Getriebener irrt Sebastian Koch nervös über die fast leere Bühne (Bühnenbild Matthias Werner), gestisch und mimisch immer in Bewegung, ein Springteufel, der mit bizarren Körperverrenkungen in einem grotesken Veitstanz seinen mörderischen Irrsinn zur absoluten Wahrheit stilisiert und sich als blonde Venus zum Gott macht und - in geradezu blasphemischer Überspitzung - seine eigene Kreuzigung vorführt. Was Bettina Ostermeier auf der Bühne mit elegisch dräuendem Sound ihres Akkordeons unterlegt.

Bis zur Unerträglichkeit steigert die Inszenierung die Bilder der Vergewaltigung und der Erniedrigung, des Terrors und des Tötens. Und beschwört beim Publikum die Erinnerung an die Folter-Fotos von Guantanomo und Abu Ghraib oder an die halsabschneiderischen Köpfungen des "IS" herauf; wogegen sich dann die demütigenden Maskierungen der Senatoren Caligulas, die in Frauenkleidern und Corsettagen erniedrigt werden, fast harmlos ausnehmen. Nur Cherea, der Dichter (Frank Watzke), bietet Caligula die Stirn und weist ihn in einem großen, finalen Wortduell intellektuell in die Schranken. Am Ende stirbt Caligula unter den Messern der Senatoren, kostet aber selbst seinen provozierten, ja inszenierten Mord noch aus, wenn er sterbend ruft "Ich lebe noch!", was sich in dieser beängstigend aktuellen Inszenierung ausnimmt wie "Ich lebe noch weiter!" Viel Beifall für die überragend gespielte Titelfigur und eine eindrucksvolle Inszenierung.

Weitere Vorstellungen: 19. bis 23. Januar sowie im weiteren Verlauf der Spielzeit. Karten unter Telefon (09 11) 9 74 24 00.