Schrobenhausen
Humanitäre Hilfe weitet ihre Aktivitäten aus

Angebot an die Stadt zur Unterstützung der Flüchtlingsarbeit – Erkundungsreise zu Sozialeinrichtungen in Bosnien

03.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Waisenknabe mit neuer Freundin: Gertraud Drexler war beeindruckt von der Anhänglichkeit der Buben und Mädchen in Tuzla (Foto l.). Leonhard Tyroller sorgte beim Besuch eines Kinderheimes in Bosnien für Stimmung bei den kleinen Bewohnern (Foto r.). - Fotos: Drexler

Schrobenhausen (SZ) In der Stadt sind das eben bezogene Containerdorf für Flüchtlinge und die zusätzlich geplanten Unterkünfte beim Kreiskrankenhaus in aller Munde, von den Aktivitäten der Humanitären Hilfe des Roten Kreuzes war in diesem Zusammenhang bislang aber noch nichts zu hören.

Vorsitzender Toni Drexler widerspricht: Das BRK habe schon vor einem Jahr damit begonnen, seine Kleiderkammern für Flüchtlinge aufzufüllen, die Erstaufnahmelager in München hätten bereits vor einigen Monaten Unterstützung bekommen (wir berichteten) und als sich die Meldungen über die Ankunft der ersten Busse verdichteten, da sei er gleich im Rathaus gewesen, um mitzuteilen, dass man auf Abruf bereitstehe.Bis heute habe das Telefon allerdings noch nicht bei ihm geklingelt.

Drexler kann das nachvollziehen, weil er weiß, dass umfangreiche organisatorische Arbeiten in kleinen Teams am besten gemeistert werden können und dass die Verantwortlichen im Landratsamt und bei der Stadt im Augenblick große Diskussionsrunden vermeiden wollen. Er habe in jedem Fall die volle Bandbreite der möglichen Hilfeleistungen angeboten. Dazu gehörten die Versorgung mit Kleidung oder auch speziellen Lebensmitteln. In den drei Lagern gebe es auch Hilfsmittel für Alte und Kranke, vom verstellbaren Bett über den Rollstuhl bis zu medizinischen Hilfsgütern. Wenn Drexler daran denkt, was die Flüchtlingskinder in den letzten Wochen erleben mussten, dann fallen ihm aus den eigenen Beständen Spielsachen, Schulsachen oder Fahrräder ein, die etwas Farbe ins triste Containerleben bringen könnten. Und im Bereich der Logistik sei man ja auch nicht gerade schlecht aufgestellt: „Wer kann auf die Schnelle schon zwei Sattelzüge und einen Siebeneinhalbtonner mobilisieren“

Nachdem es zu Hause keine dringenden Aufgaben gab, ging ein Team der Humanitären Hilfe auf Erkundungsreise. Mit der Krankenpflegerin Rasida Radlmeier und dem Krankenpfleger Nedzad Huseinovic als Dolmetscher besuchten Leonhard Tyroller sowie Gertraud und Toni Drexler deren Heimatstadt Tuzla in Bosnien. Dass sich das Quintett ausgerechnet im neuen VW-Bus auf die Reise machte, war angesichts der brütenden Sommerhitze keine so gute Entscheidung. Der „Neue“ ist nämlich ein alter, der keine Klimaanlage hat, dafür aber Kunstledersitze. „Das war ein Martyrium“, erinnert sich Drexler, berichtet dann aber von den angenehmeren Erlebnissen in dem Balkanstaat.

Mit den beiden Dolmetschern besuchten sie ein Waisenhaus in Tuzla, in dem etwa 120 Kinder und Jugendliche betreut werden. Die jüngsten sind gerade mal ein paar Monate, die ältesten schon mehr als 18 Jahre alt – sie dürfen bleiben, bis sie ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben. Ihre Eltern haben sie als Folge des Krieges verloren oder sie wurden einfach ausgesetzt. Positiv empfanden die Schrobenhausener nicht nur den gepflegten Zustand der Einrichtung, auch die Erzieherinnen hinterließen einen guten Eindruck. Dennoch werde deutlich, dass den Kindern die Eltern fehlten. „Die haben sich mit ganzer Kraft an uns geklammert und wollten uns gar nicht mehr gehenlassen“, erzählen die drei Rotkreuz-Helfer. Einig sind sie sich darin, dass sich die sozialen Einrichtungen in einem besseren Zustand befinden, als die, die man aus Rumänien kennt.

Dies bestätigte sich auch in einem Altenheim, wo rund 250 Bewohner betreut werden. Die Gebäude und die Einrichtung bezeichnen die Schrobenhausener als „schlicht“, wobei sich im Gespräch mit der Heimleitung durchaus Ansatzmöglichkeiten für Aktivitäten der Humanitären Hilfe herauskristallisierten. Benötigt würden vor allem verstellbare Betten für pflegebedürftige Patienten, medizintechnisch sind ebenfalls noch einige Wünsche offen. Und dass Einrichtungen für Kinder und Senioren immer einen Bedarf an spezieller Nahrung und auch Kleidung haben, das war für die BRK-Mitglieder nichts Neues. Die Gastfreundschaft war an allen Stationen der Reise groß geschrieben, was die Reisegruppe durchaus zu schätzen wusste. Feste Versprechungen habe man noch nicht machen können, weil jede Aktion ihre Vorlaufzeit benötige – auf der Liste stünde das Land aber in jedem Fall.

Fast parallel zur Bosnien-Fahrt war auch ein Laster unterwegs. Kassier Diether Brandt und sein Beifahrer Günter Wörner hatten sieben Schultafeln geladen, weil nun auch in Königsmoos das Ende der Kreidezeit angebrochen ist. Die Gemeinde stiftete ihr ausgedientes Schulinventar, das in Rumänien schon mit Freude erwartet wurde. Ziel der Fahrt war Saliste, ein 5000-Seelen-Dorf in der Nähe von Hermannstadt. Weil die dortige Schule einen größeren Einzugsbereich abdeckt, wurde sie bereits zum zweiten Mal beliefert und verfügt nun in allen Räumen über Tafeln, „die nagelneu aussehen“, wie Diether Brandt berichtet. Mit ihrer Ladung hatten die Lkw-Fahrer fast nichts mehr zu tun. Die älteren Schüler hätten sich nämlich regelrecht darum gerissen, beim Abladen mitzuhelfen. Auch die Verständigung war kein Problem. Ein Klassenlehrer spricht sehr gut Deutsch, und weil er zur Aufbesserung seines Gehalts auch noch ein Restaurant betreibt, fiel auch die kulinarische Seite dieser Hilfsaktion ungewöhnlich schmackhaft aus.