München
Hühner-Invasion!

Cartoonist Peter Gaymann über seinen Umzug von Köln nach Bayern, lokale Feinheiten und sein schlagfertiges Federvieh

10.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:35 Uhr
Neues Umfeld, neue Motive: Peter Gaymann ist in den Süden Münchens gezogen und sagt mit einer Bilder-Schau "Tschö" von Köln und "Grüß Gott" in Bayern. Seit 30 Jahren sind die Hühner das Markenzeichen des Cartoonisten. Er kann aber auch ohne Federvieh und beschert wunderbar hintersinnige und treffsichere Cartoons. Mit Blick für das Menschliche und das allzu Menschliche. −Foto: Peter Gaymann

München (DK) Seine Hühner kennt wirklich jeder. Und wenn Männer zur Frauenzeitschrift "Brigitte" greifen, dann wegen der "Paar Probleme", die Peter Gaymann hier seit bald 30 Jahren mit feiner Feder auf den Punkt bringt. Jetzt ist der beliebte Cartoonist und Zeichner, der eine Menge herrlicher Bücher veröffentlicht hat, aus Köln in die Nähe von Schäftlarn im Südwesten von München gezogen - und gleich zum Auftakt gibt es eine Ausstellung im Kunst-Auktionshaus Neumeister nahe der Pinakotheken. Mit bayerischen Hühnern.



Herr Gaymann, werden Ihre Hühner jetzt weiß-blau.

Peter Gaymann: Nicht unbedingt, ich habe mich nie als regionalen Künstler gesehen. Weder in meiner Heimat Baden, noch in Rom, noch in Köln. Aber es gibt zum Beispiel schon Hühner mit blau-weißen Trainingsanzügen auf der Postkartenreihe "Yoga für Bayern"?

Weiß-blaue Trainingsanzüge bitte, diese Reihenfolge ist in Bayern ganz wichtig.

Gaymann: Schon ein Fehler, oh je. Aber ich lerne ja noch.

Warum sind Sie als Badener und Weintrinker ausgerechnet nach Schäftlarn gezogen.

Gaymann: Stimmt, hier ist es zwar mindestens so schön wie im Markgräfler Land, aber es fehlt natürlich der Wein. Den kann ich mir allerdings aus dem Badischen oder aus Italien schicken lassen. Doch im Ernst, hinter meinem Umzug steht auch eine Liebesgeschichte. Als ich meine zweite Frau Viktoria vor 18 Jahren kennenlernte, hat sie in München gewohnt. Nach ein paar Jahren Pendeln hat sie Bayern schweren Herzens verlassen und ist zu mir nach Köln gezogen. Ich konnte wegen der schulpflichtigen Kinder ja nicht weg. Aber jetzt revanchiere ich mich wirklich gerne.

Und was gefällt Ihnen hier.

Gaymann: Wir haben den Starnberger See in der Nähe, den Wörthsee, den Ammersee? dann die Nähe zu Italien. Natürlich kenne ich München von früheren Besuchen und fand es immer sehr etabliert im Gegensatz zum baustellenhaften Köln. Mittlerweile genieße ich das Aufgeräumte und sowieso das schöne Wetter. Die Bedenken einiger Kölner und Badener, dass die Münchner eh nicht mit mir reden würden, waren völlig unbegründet. Gleich mit der ersten Ausstellung bekomme ich einen wunderbaren Zuspruch.

Der Humor ist nicht überall der gleiche, spielt der Ort für einen Cartoonisten eine Rolle.

Gaymann: Nicht wirklich. Aber nach fünf Jahren Rom habe ich schon gemerkt, dass ich zwar problemlos deutsche Themen zeichnen kann, mir allerdings gewisse Feinheiten mit der Zeit entgangen sind. Sei es im Sprachgebrauch oder auch im Alltag. Und wenn jetzt ein bisschen was Bayerisches einfließt, ist das nur normal. Als Cartoonist beobachtet man einfach seine Umgebung.

Ihre Hühner kennt jeder, Sie signieren als "P. GAY". Kommt es noch vor, dass man Gaymann englisch ausspricht.

Gaymann: Sogar häufiger als früher. Vor 30, 40 Jahren hat man das Wort "gay" noch kaum verwendet, jetzt verbindet man es automatisch mit dem englischen Begriff für schwul. Da kann ich nur sagen: Das ist weder ein Gag noch ein Künstlername, schon mein Vater hieß Gaymann und der Opa auch und der Uropa .

Ihre Hühner sind schlagfertig, etwa, wenn sie in der Strandbar von Macho-Gockeln angemacht werden, #metoo haben die gar nicht nötig.

Gaymann: Meine Hühner sind selber frech und kontern. Inzwischen mischen sich zwar auch vermehrt zickige Großstadthühnchen darunter, die Wellness oder Diäten machen - früher waren es eher die molligen badischen Hühner, die sich's gut gehen ließen. Aber man kann menschliche Charaktere einfach gut über die Hühner transportieren, deshalb fühlen sich wohl auch viele angesprochen. Übrigens waren es immer Männer, die Bedenken hatten, weil ich Frauen als Hühner zeichne. Witzigerweise werden 80 Prozent meiner Postkarten aber von Frauen gekauft, und es hat sich nie eine beschwert. Im Gegenteil.

Sonst wären Sie auch nicht seit 27 Jahren der Platzhirsch in der Frauenzeitschrift "Brigitte". Aber Ihren Hühnern geht definitiv keiner an die Federn.

Gaymann: Die würden einfach picken und kratzen, da könnten sich die Frauen was abschauen.

Sie arbeiten sich in der "Brigitte" regelmäßig an "Paar Problemen" ab, die Szenen beobachten Sie aber nicht alle im Café.

Gaymann: Manches passiert mir schon auch selber oder im Bekanntenkreis. Hätte ich all das selbst erlebt, wäre ich längst in der Klapsmühle.

Inzwischen wird in den Tageszeitungen wieder viel gezeichnet, und Graphic Novels kommen stapelweise auf den Markt. Können Sie sich und uns erklären, warum das so ist.

Gaymann: Das verändert sich ständig, die Cartoons waren in den 90er-Jahren sogar stärker vertreten, auch in der Werbung. Und denken Sie an den Eichborn Verlag, damals gab es so viele Cartoonbände wie heute Esoterikbücher. Ich beobachte schon auch einen Trend zu toll illustrierten Büchern, gerade bei den Graphic Novels fallen mir fabelhafte Zeichner auf. Auch über meine Tochter, die schon ihre ersten Bücher macht, sehe ich, dass es eine richtig gute junge Szene gibt.

Was halten Sie denn als Fast-Münchner und Quasi-Betroffener von einer Komischen Pinakothek.

Gaymann: Ich gehöre natürlich zu den Unterstützern des Forums Humor und komische Kunst, wie es jetzt heißt. Meisi und Helmut Grill, die sich dafür starkmachen, kenne ich schon lange. Jetzt beim Umzug ist das Plakat zu meiner ersten Ausstellung bei ihnen aufgetaucht, die war 1985 in der Villa Stuck. Bei den Grills waren ja alle wichtigen Satire- oder Humorzeichner vertreten, von Tomi Ungerer über Loriot und Waechter und Topor und Sempé bis zu Paul Flora. Die Verdienste dieser Galeristen darf man keineswegs schmälern, aber man muss auch die jüngere Szene mit einbinden. Und so ein Haus muss leben, dazu gehören Bereiche, wo die Besucher interaktiv etwas machen können, Workshops, die Förderung junger Künstler. Das darf nicht bei einem musealen Rückblick bleiben. Dann hat das auf Dauer eine Chance.

Sie haben Hühner in die großen Werke der Malerei geschmuggelt, arbeiten auch selbst als freier Künstler.

Gaymann: Ja, auf meinen Reisen zeichne ich viel nach der Natur, da hat das Humoristische Pause. Und dann gibt es noch die Objets trouvés, die Fundstücke. Anfangs dachte meine Frau, sie sei mit einem Müllsammler unterwegs, wenn ich Bonbonpapierchen oder vom Auto überfahrene Puppen mitgenommen habe. Inzwischen sammelt sie mit. Daraus entsteht im Atelier wieder Neues, Collagen etwa.

Was zeigen Sie in der Ausstellung bei Neumeister.

Gaymann: Auch ein paar kleine Objekte und Reiseskizzen, aber in der Hauptsache Cartoons. Da sind jetzt auch neue, zum Teil bayerische Motive dabei.

Die Frage stellte Christa Sigg.

Auktionshaus Neumeister, Barer Straße 37, München, bis 27. April.